Archiv für den Monat: Oktober 2015

Do schmeckts!

Do schmeckt's!

Jedes Jahr das gleiche Spiel: Was kochen wir an Weihnachten? Etwas Besonderes soll’s sein, etwas, was wir sonst nie essen. Ein echter Festbraten. Man denkt zurück an das fast vergangene Jahr, erinnert sich an erholsame Tage in fernen Ländern, in denen man exotische Speisen genossen hat. Doch um die zuzubereiten, benötigt man mehr eine Landkarte als einen Einkaufszettel, denn nicht alles ist im Supermarkt um die Ecke zu bekommen. In den Kochshows im Fernsehen reden immer alle von regional und saisonal einkaufen und kochen. Das wäre eine Alternative! Jetzt fehlt nur noch die zündende Idee wie diese relativ leicht zu besorgenden Zutaten zu einem köstlichen Mahl zusammengefügt werden. Und zwar so, dass alle sagen: „Es schmeckt“. Do, im Bücherregal, ja, genau do, do steht die Antwort auf diese eine spezielle Frage nach der besonderen Zubereitung. „Do schmeckts!“. Wenn’s der Titel sagt, wird’s schon stimmen.

Und in diesem Fall stimmt’s auch! Schlagen wir das Buch auf: Eine Landkarte, auf der die Quellen der Rezepte eingezeichnet sind. Freiburg und Umgebung. Die Nähe zu Frankreich und der Schweiz verheißt schon exquisiten Geschmack. Auf Seite Drei wird dieses Vorurteil um ein weiteres ergänzt. Das Buch wurde von Corinna Brauer und Michael Müller gestaltet. Die beiden „Gscheitgut“-Bände mit leckeren Gerichten aus Franken waren der Beweis, das Reisen und Schlemmen unverzichtbar einhergehen. Nun also Freiburg, Kaiserstuhl, Markgräflerland. Wer den Sommer in Freiburg einmal genießen durfte, weiß, dass es ein ganz besonders entspanntes Leben zu leben gilt. Die klimatische Sonderstellung in Deutschland lässt die Sonne nicht nur am Himmel strahlen. Die beiden Herausgeber stromern immer der Nase nach durch die Jahreszeiten und diese besonders reiche Gegend. Hier und da stecken sie ihre Nasen in die Töpfe der Köche der Region, entlocken den Küchenzauberern ihre Geheimnisse und lassen dem Leser keine andere Wahl – man greift ganz automatisch zu Stift und Papier, um den Einkaufszettel für den nächsten Einkauf zu schreiben. Wer hat schon Schnecken zuhause, um eine Badische Schneckensuppe zu kochen. Klingt erstmal für Viele gewöhnungsbedürftig, ist aber der Kracher bei jedem Essen. (Viele halten es erstmal für ein Pilzsüppchen, lassen Sie sie in dem Glauben bis die Teller leer geputzt sind.) Und weiter geht die Schnitzeljagd. Wildkräuter-Tiramisu, Spargelmousse, Lammrücken mit Tomatenkruste, Balsamico-Jus und Kartoffelgratin. Wer das jeden Tag auf den Tisch zaubern kann, verdient damit garantiert sein Geld. Doch als Hobbykoch, und vor allem als Gast, geraten die Geschmacksnerven gehörig in Wallung. Und zum Dessert ein Sauerampfereis.

Doch zurück zum Winter, und zum Weihnachtsmenü. Es soll ja was ganz Besonderes werden. Ohne Wertung hier ein paar Vorschläge aus dem Buch: Rotkohlcremesuppe, Linsen-Kartoffelsalat, Schwarzwurzeltörtchen mit Rehfilet und Pinienkern-Vinaigrette … kurz innehalten, schlucken, und weiter geht’s … Schweinefilet in Backpflaumensauce, Kaiserstühler Baeckeoffe, und als krönenden Abschluss Mohnparfait oder Lebkuchentiramisu oder Kirschwasserbömble mit warmen Sauerkirschen.

Wer jetzt noch nicht weiß was am Ende des Jahres selbiges kulinarisch verabschiedet, der liest das Buch noch einmal. Wer dann immer noch nichts findet, feiert Weihnachten bei Wasser und Brot.

Das Buch hat einen bzw. noch viel mehr Vorteile. Die Frage, was in den nächsten Wochen auf den Tisch kommt, wird gleich mit beantwortet. Und weil’s so gut schmeckt, fängt man immer wieder von vorn an…

Berlin – satirisches Reisegepäck

Berlin - Satirisches Reisegepäck

Wer auf Reisen geht, muss einiges in seine Tasche(n) packen. Zahnbürste, Klamotten zum Wechseln, ein Reisebuch (am besten vom Michael Müller Verlag). Wer nach Berlin reist, muss gut zu Fuß sein oder zumindest U-Bahn- und Busfahrpläne lesen können. Und er muss neugierig sein! Tilman Birr war neugierig. Er hatte ein bisschen mehr als Zahnbürste und Klamotten im Gepäck als er Anfang des Jahrtausends (klingt mächtig bedeutsam) nach Berlin zog. Nach Mitte. Wohin sonst. Mitten ins neue In-Viertel, als es jedoch schon diesen Ruf hatte. Die Stadt ist ihm ans Herz gewachsen. Doch die rosarote Brille hat er – wenn er sie denn je aufgesetzt hatte – beiseitegelegt.

Mit seinem satirischen Reisegepäck setzt und hält er der Hauptstadt ein weiteres literarisches Werk und den Spiegel vor. Der Schmelztiegel, der Innovations-Hotspot, der Place to be hat es in sich. Wer sich nicht darauf einlässt, ist verloren. Mit einem lockeren Spruch auf den Lippen bzw. in den Fingern, denn Gedanken werden nicht mehr mit der Feder niedergeschrieben, sondern mit den Fingern ins Laptop, Notebook oder Tablet getippt. Und für alle Puristen gibt es die geistigen Ergüsse nun als Buch zu erhaschen.

Wer des Lesens müde ist, wem dies zu old school ist, der kann am Ende einiger Kapitel den QR-Code laden und sich die Texte vom Autor höchstpersönlich vorlesen lassen.

Das satirische Reisegepäck ist eine wohltuende Ergänzung des ohnehin schon lesens- und reisenswerten Programms des Michael Müller Verlages. Wortgewaltig und manchmal überspitzt dreht Tilman Birr seine Runden durch seinen Kiez, erkundet die Burgerexplosion Berlins, gibt Verhaltensratschläge beim Überqueren von Brücken, zeigt, wo der Berliner noch Berliner sein darf und wo man als Tourist sich nicht als selbiger zu erkennen geben sollte.

Fernab von Langem Lulatsch, ostalgischen Schwärmereien und Touristennepp stößt der Leser auf das lebhaft schlagende Herz einer Stadt, die allzu gern als das größte Dorf Deutschlands bezeichnet wird. Das Buch passt locker in jede Tasche, die Kapitel sind innerhalb von zwei, drei U-Bahn-Stationen zu lesen. Herzhaftes Lachen garantiert und erwünscht. Der Berliner Witz – gibt es ihn überhaupt? – reist immer mit. Schnodderschnauze und Herumnörgeln gehört zu Berlin wie Goldelse und Currywurst. Wer meint nur bei Konnopke seine echte Currywurst verspeisen zu müssen, wird Berlin nie richtig erleben. Derjenige wird auch über den Untertitel nicht lachen können „On se left you see se Siegessäule“. Wer den Witz darin erkennt und ihn gut findet, wird dieses Buch bei jedem Capitol-Trip dabei haben. Poetry Slam für die Arschtasche und tröge Unterweltfahrten!

Masuren – Im Land der tausend Seen

Masuren - Im Land der tausend Seen

Da meint man, man kenne Europa, habe ihm all seine Geheimnisse entrissen und müsse – um Neues zu finden – den Kontinent verlassen. Und dann kommt ein Buch wie „Masuren – Im Land der tausend Seen“ daher. Masuren: Diese Region in Polen, das, oberflächlich betrachtet, aus deutscher Sichtweise immer wieder erkundet wird. Hier kämpften im Krieg Deutsche gegen Russen. Hier liegen die Wurzeln vieler Entwurzelter, die nach dem Krieg ihre Heimat verlassen mussten. Hier ist die Heimat der Helden von Siegfried Lenz.

Und dann blättert man neugierig durch das Buch. Das Magazin National Geographic ist ja bekannt für seine aufregenden Fotoreportagen aus den entlegensten Ecken der Erde. Und dann tritt etwas zutage, das man so nicht erwartet hat: Umwerfende Landschaftsaufnahmen, fremdelnde Lichtschauspiele, baumüberspannte Alleen, beeindruckend illuminierte Stadtansichten. Europas Geheimnisse? Ja, es gibt sie noch!

Die Masuren haben keinen Zugang zum Meer – das unterscheidet sie von so vielen Regionen, „die man gesehen haben muss“. Auch mit Bergen wurden sie kaum bedacht, allenfalls ein paar Hügelchen. Doch sie haben trotzdem Wasser und idyllische Aussichtspunkte, um übers Wasser zu schauen. Und mit Danzig eine Weltstadt, die immer noch einem steten Wandel unterworfen ist.

Touristen finden sich hier kaum ein. Die Sommermonate sind die einzige Zeit, in denen man auch andere Sprache wahrnimmt. Von See zu See paddeln, sorgt dann hier und da für einen leicht erhöhten Geräuschpegel. Ansonsten ist hier das El Dorado für alle, die die Ruhe und Geborgenheit der Hektik und dem Nach-Attraktionen-Hecheln-Und-Hetzen den Vorzug geben. Nur ab und zu trommelt ein seltenes Geräusch klar und unaufdringlich die Ruhe des Morgens. Langsam kommt es näher, ein Schnauben stiebt durch den erwachenden Tag. Wildpferde wirbeln den Morgentau auf, durchschneiden den zarten Nebel. Ein Naturschauspiel, das nur wenigen vergönnt ist.

Dirk Bleyer hat auch dieses Abenteuer in seinen Bildern festgehalten. Geduld braucht man, um die Seele der Masuren in Pixel zu bannen. Ein startender Storch, zufrieden weidende Kühe, das Licht- und Schattenspiel der Marienburg, entspanntes Segeln, ein filigranes Spinnennetz – Masuren ist ein Ort für jeden, der noch echten Abenteuergeist in sich spüren kann.

Ein Bildgewaltiger Reiseband mit echten Geschichten von echten Menschen, die das echte Leben noch leben dürfen.

Venedig von oben

Venedig von oben

Venedig sehen und … den Tag mit einem Lächeln beginnen! Eine halbe Million Venezianer können das 365 Tage im Jahr, und ein „paar Millionen“ Besucher können das an ein paar Tagen im Jahr. Es von oben zu erkunden, vielleicht noch die zurückgelegten Wege erkunden, in Erinnerungen schwelgen – das kann man 2016 das ganze Jahr durch.

Zwölf Mal Venedig, zwölf Mal beeindruckende Ein- und vor allem Draufsichten auf eine Stadt, die ohne Zweifel als Sehnsuchtsort bezeichnet werden kann. Markusplatz, Canale Grande, Burano sind Orte und Plätze, die man kennt. Aber nicht aus der Vogelperspektive. Das Großformat lässt die Stadt real erscheinen. Da möchte man sofort weiterblättern. Doch dann verrinnt die Zeit wie im Flug und man muss Abschied nehmen von dieser Stadt und den einzigartigen Aufnahmen. Also, jeden Tag genießen! Jeden Tag diese Aussichten als Quelle der Kraft für den Tag nutzen und sich auf die schönste Zeit des Jahres vorbereiten. Vielleicht geht es ja dieses Mal (wieder) nach Venedig?! Und bis es soweit ist, erfreut man sich jeden Tag daran, dass die Technik so weit fortgeschritten ist, diese Aufnahmen jedem zugänglich zu machen. Es wie in einem Museum, nur mit dem Unterschied, dass man sich nicht anstellen muss, um eingelassen zu werden und man stets freie Sicht auf die Stadt hat.

Zum Kalender gibt es einen fast fünf Pfund schweren Bildband, mehr als ein Jahr lang die schönsten Stadtansichten präsentiert. Also, Strg. V drücken und Venedig zu Hause einfügen!

Marie spiegelt sich

Marie spiegelt sich

Doro hat’s seit einiger Zeit nicht leicht. Erst die Scheidung von ihrem Mann, dann ging ihr Friseursalon pleite – jetzt arbeitet sie dort als Angestellte – schlussendlich ihre geliebte Tochter, die ihre Pubertät in vollen Zügen auskostet. Marek, ein Flirt, scheint im Moment auch nur ein Funken Hoffnung zu sein. Marie ist auch nicht gerade glücklich mit und in ihrem Leben. Dreizehn ist sie. Ihre Mutter steht ständig unter Strom. Seit der Scheidung ihrer Eltern wohnen sie am anderen Ende von Köln, der Schulweg ist immer ein Marathon. Und ihre Mutter ist in ihrem Job als Friseurin auch nicht sonderlich glücklich. Marie verkriecht sich in ihr Tagebuch, dem sie alles poesievoll anvertraut. Verknallt ist sie. Doch er weiß es nicht. Ein ganz normales Teenagerleben. Bis, ja bis eines Tages Marie nicht wie versprochen vor der Schule wartet, wo Doro sie abholen sollte (und wollte). Und ans Handy geht die Göre auch nicht. Doros Feierabendentspannung ist mit einem Mal dahin.

Marie wurde entführt! In ein dunkles Verlies gesperrt! Es hat es getan! Ob Es nun weiblich oder männlich ist, spielt für Marie keine Rolle. Um sie herum: Das schwärzeste Schwarz, das sie sich vorstellen kann. Sie flieht in ihre Wörterwelt. Draußen in der richtigen Welt, voll Sonnenschein, voll Licht, voller Farben, wird Willa Stark mit der Suche nach Marie betraut. Im Austauschprogramm von Europol ist die Grazer Kommissarin nach Köln gewechselt. Doch ihre Zeit in der Domstadt soll bald ablaufen. Ihre Chefs haben es versäumt ihre Verlängerung zu beantragen.

Maries Mutter Doro ist dem Ende nah. Doch sie bekommt Hilfe von unerwarteter Seite. Robert Hellmann steht ihr bei. Seine Tochter Tessa wurde vor fünf Jahren entführt. Für Tessa gab es kein gutes Ende. Er erzählt ihr von einem Mann, der damals verdächtigt wurde Tessa entführt zu haben. Der hatte sich mit verschiedenen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Unter anderem wollte er mit Bildern von Kindern in verführerischen Posen den einen oder anderen Euro verdienen. Die Sache ging schief! Nun ist er wieder in Köln. Dieser Mann ist Marek. Der Flirt von Doro. Nimmt das Unheil denn nie ein Ende?!

Isabella Archan führt den Leser in die verzweifelten Welten von Entführungsopfern. Wills Stark macht ihrem Namen alle Ehre. Auch sie sieht sich einer neuen Situation gegenüber. Ihr neues, lieb gewonnenes Leben wird kräftig durcheinander gewirbelt. Gerade in Köln heimisch geworden, soll sie wieder nach Graz. Für viele eine willkommene Gelegenheit die Füße hochzulegen und das Unausweichliche anzunehmen. Willa Stark stürzt sich in den Fall. Doro schöpft trotz der misslichen Lage unverhofft immer wieder Hoffnung und Marie erlebt das, was sie nie in Worten ausdrücken können wird.

Geschichte des Geldes

Geschichte des Geldes

Dazu kann jeder was beisteuern: Kohle, Knete, Kröten, Pinke-pinke, Geld. Und jeder hat eine Meinung dazu. Wer’s im Überfluss hat, gibt sich generös und meint, dass es nicht glücklich mache. Wer jeden Tag, jede Münze mehrmals umdrehen muss, sieht das unweigerlich ganz anders. Wie gesagt, jeder kann was dazu erzählen. Doch woher kommt’s, das Geld? Seit rund dreitausend Jahren lässt es uns keine Ruhe mehr. Seit dieser Zeit wurden Waren nicht mehr gegeneinander, sondern über den Mittler Geld getauscht. Nach und nach wurden Kurse festgelegt, Werte bestimmt. Einst war Gold dreizehnmal so wertvoll (teuer) wie Silber. Das hing mit dem vorherrschende Weltbild zusammen: Die Sonne kreiste nur einmal pro Jahr um die Erde, der Mond dreizehnmal. Von solch einem Preis-Edelmetall-Verhältnis kann man heute nur träumen…

Das Geld, die Münzen, hingen anfangs von ihrem Edelmetallgewicht ab. Nach und nach wurden Nennwerte auf die Münzen geprägt, so dass der Gold- bzw. Silberanteil immer weniger werden konnte. Der Denar war über mehrere Jahrhunderte die am weitesten verbreitete Währung, von Britannien bis in den Orient, von Nordafrika bis an die Alpen war er verbreitet. Außenhandel darüber hinaus war damit aber kaum möglich. Oft regierte da noch der Tauschhandel, so dass auch der Denar verschwand. Und mit ihm das Römische Reich. Oder umgekehrt. Die Parallelen zur Gegenwart sind schon im Anfangsstadium der Geldgeschichte erkennbar…

Im Mittelalter war das Geld die Triebfeder der Macht. Was im Römischen Reich begann, wurde nun zur Perfektion getrieben. Die ersten Wechsel machten die Runde. Sie waren Liquiditätsbeweis und teilweise auch Zahlungsmittel zugleich. Die ersten Banker schufen ihr Imperium. Ab der Renaissance wurden sie das, was heute als Promi bezeichnet wird. Die Ersten, die die Macht des Geldes mit politischer Macht vermischten, waren Jakob Fugger in Deutschland und die Medici im heutigen Italien. Wobei ihre Macht weit über die Landesgrenzen hinaus reichte. Sie waren die ersten global player im Finanzsystem.

Henry Werners „Geschichte des Geldes“ ist eine lesenswerte Anekdotensammlung aus der Welt des Geldes. Darüber hinaus vergisst er jedoch niemals die Grundlagen früherer und heutiger Geldsysteme. Wer die Grundlagen des Handels, des Geldes und der Macht versteht, wird die Geschichte des Geldes wie einen Roman lesen. Zahlreiche Abbildungen unterstreichen intensiv die gemachten Aussagen.

Geld in der Tasche zu haben, ist eine wunderbare Sache. Ihre Geschichte zu verstehen, bedeutet auch Gefahren zu erkennen und entsprechend zu handeln. Mit der Lektüre dieses Buches wird man nicht zum Finanzjongleur erster Klasse, aber man versteht warum manche doch so einleuchtenden Hilfsszenarien einfach niemals funktionieren werden.

Finanzblasen gab es schon vor dreihundert Jahren, brachten einen Riesen wie Frankreich fast zu Fall. Die Nationalwährungen Dollar, Yen, Pfund, Mark – woher kommen sie? Dieses Buch ist reich bebildert und kenntnisreich zugleich. Wer sich nicht nur die die Penunzen in der eigenen Tasche interessiert, sondern ihre Herkunft erkunden will, muss dieses Buch gelesen haben.

Chamäleon Cacho

Chamäleon Chaco

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist kein Leichtgewicht! Obwohl kurz an Seiten, birgt es eine Fülle an Verwirrung wie kaum ein anderes Werk.

Manuel Carraspique liegt im Krankenhaus. Er hatte einen Unfall, zu tief ins Glas geguckt. Nun liegt er hier irgendwo in den Weiten Argentiniens im Spital. Er kann sich kaum bewegen, reden kann er. Auch denken. Und diese Fähigkeit wird er auch brauchen, um die Geschehnisse der nächsten Tage verarbeiten zu können.

Die Ärzte schauen nach ihm, die Schwestern, die er kaum voneinander unterscheiden kann, sind fürsorglich, die Polizisten zu neugierig, die Presse zu aufdringlich. Die Presse, seine Kollegen. Manuel ist auch Journalist. Zurzeit jedoch ist der Erfolg überschaubar. Ein Scoop, ein Knüller, könnte ihn aus der Misere befreien.

Im nachbarbett liegt auch schon einer, der ihm einen Ausweg zeigen könnte. Márquez, Prudencio Márquez, liegt neben ihm. Die beiden kommen ins Gespräch. Das heißt, Prudencio spricht, Manuel reagiert und … ist verwirrt. Dieser Typ da neben ihm, scheint allerhand erlebt zu haben. Und jedes Mal, wenn er zum Sprechen ansetzt, kommt eine neue Geschichte zum Vorschein. Sie handeln in der Endkonsequenz alles von einem Mann oder Wesen: Cacho. Einem echten Chamäleon. Cacho nimmt viele Gestalten an. Drogendealer, Bibelverkäufer, General. In Manuels Kopf hämmert es unaufhörlich.

Raúl Argemí taucht mit dem Leser ein in die Welten zwischen den Welten. Das Chamäleon ist sympathisch, oder doch nicht? Ist es ein gewissenloser Killer? Oder ein Opfer? Wer meint, dass die 160 Seiten mal schnell zwischendurch zu lesen seine, irrt gewaltig. Immer wieder blättert man zurück, um sich zu vergewissern, auch nichts verpasst zu haben. Keine leichte Kost, so unfassbar spannend, dass man am Ende sich wünscht es noch einmal so unvoreingenommen lesen zu können.

Die Bilderwelt von Lascaux

Die Bilderwelt von Lascaux

Zuerst malen wir das, was uns möglich ist. Dann das, was wir sehen. Nur wenigen ist es vergönnt ihre Beobachtungen und ihre Phantasien in Bildern auszudrücken. Die Bilderwelt von Lascaux ist eine der ersten Galerien der Welt, und die Künstler bekommen nicht mal Tantiemen. Und zu besuchen sind die Originale auch nicht. Denn durch die ausgeatmete Luft der Besucher würden die Exponate leiden und letztendlich auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Ein trauriges Schicksal, dass durch Lascaux II, den originalgetreuen Nachbau nur wenige hundert Meter von der eigentlichen Höhle, kompensiert wird. Nur wenige Jahre nach ihrer Entdeckung und Erschließung wurden das Höhlenmuseum wieder geschlossen, weil sich Algen und Schimmel gebildet hatten.

Vor rund 15.000 Jahren entstanden in einer Höhle im Tal der Vézére in der Dordogne diese detailreichen Abbildungen des Alltags des so genannten Cro Magnon Menschen, ein Begriff, den nur die europäische Wissenschaft benutzt. Anhand der Kunstfertigkeit werden sie als moderne Menschen bezeichnet. Moderne Kunst unter der Erde!

Iris Newton geht den Ursprüngen auf den Grund, deutet die Malereien, versucht Techniken und Hilfsmitteln zu ergründen und macht die Bedeutung der Höhlen deutlich. Sie geht einer ganzen Epoche auf den Grund, setzt das Vorhandene in den richtigen Kontext. Die Höhlen im Original zu betrachten, ist lediglich Forschern vorbehalten. Doch seit über dreißig Jahren Besucher die Möglichkeit die exakte Kopie zu besichtigen. Die Abbildungen zeigen Wildtiere, die es zum Teil heute gar nicht mehr gibt. Ur, Damhirsche und Höhlenlöwen sind derart lebendig abgebildet, dass man sich wie im 3D-Film fühlt.

Heute ist die Forschung so weit, dass man die verwendeten Materialien bestimmen kann, weiß woher sie kamen. Die einzigen Fragen, die nicht beantwortet werden können, sind die nach dem warum und wer sie gemalt hatte. Signaturen gab es damals noch nicht. So kann jeder, der die Höhlen besucht sich seine eigene Geschichte zur Geschichte zusammenreimen. Oder er liest dieses Buch! Die Autorin schafft es in eindringlichen Sätzen ihre Begeisterung in allgemein verständliche Leidenschaft umzusetzen. Für alle, denen Pleistozän, Holozän, Kaltzeiten, Magdalénien und andere Fachbegriffe nicht so geläufig sind, findet auf den letzten Seiten eine sehr aufschlussreiche Einordnung, zu der man anfangs des Öfteren hinblättert. Doch schon nach wenigen Seiten fühlt man sich zuhause in der Welt der Wissenschaft. Zur Entspannung beim Lesen – das Buch ist eben kein Roman, sondern ein Sachbuch – tragen die zahlreichen Abbildungen bei, oft erstrecken sie sich über eine Doppelseite.

Algier-Trilogie: Morituri – Doppelweiß – Herbst der Chimären

Morituri - Doppelweiß - Herbst der Chimären

Morituri

Kommissar Brahim Llob ist ein Schnüffler wie man ihn sich wünscht, wenn man Hilfe braucht. Er ist der ärgste Feind, wenn er einen am Beinkleid zerrt. Der Freund, auf den man immer zählen kann, mit dem man auch mal etwas derbere Scherze macht. Der Feind, den man nicht einschätzen kann, der aufmüpfig ist, die Meinung (manchmal auch die Faust) ungefiltert entgegen schleudert. Korruption überlässt er generös den Anderen.

Und nun soll ausgerechnet dieser Mann, dem Anbiedern ein Graus ist, dem großen Ghoul Malik, einer Ikone der Vetternwirtschaft Algiers und ganz Algeriens, zu Diensten sein? Dessen Tochter Sabrine ist seit Wochen verschwunden. Der Ruf als exzellente Spürnase eilt Llob voraus. Nun ja, es ist sein Job Leute wieder aufzuspüren. Doch bitte schön, auf seine Art.

Doch das ist nicht der einzige Fall, an dem er arbeitet. Ein Komiker, der erpresst wird, fällt genauso einem Anschlag zum Opfer wie einige andere Verdächtige. Ein Club, der sich als Bordell herausstellt. Eine mögliche Verbündete segnet das Zeitliche. Und mittendrin Brahim Llob.Die Mörder machen auch vor der Polizei nicht halt. Ein Teammitglied wird ermordet.

Die Mächtigen des Landes haben überall ihre Finger im Spiel. Sie berufen sich auf ihre Ruhmestaten während des Befreiungskrieges, geiseln aber ihre Heimat, um die sie einst kämpften (zumindest gaben sie es vor), wie es nie zuvor der Fall war. Dass er aufpassen muss, weiß Llob seit Jahren. Er ist der Bulle. Viele würden ihn lieber heute als morgen tot sehen. So ist jeder Tag ein Geschenk für ihn. Schmeicheleien perlen an ihm ab. Einflussnahme riecht er schon lange bevor sie sein Ohr erreicht. Sarkasmus lässt ihn die auferlegte Untätigkeit und die Korruption im Lande ertragen.

Kommissar Llob schlägt sich durchs Leben. Nicht mal mehr oder weniger gut, sondern immer wieder, tagein, tagaus. Er verzweifelt nicht an den oft so aussichtslosen Situationen. Er sucht sich dann eben ein Schlupfloch, durch das er entschwinden kann, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Dass er dazu auch manchmal über die Stränge schlägt, macht ihn sympathisch. Und letzten Endes findet er, was er sucht. Die Auflösung des Falles ist in „Morituri“ ein gelungenes Happy end für den Leser und Genugtuung für den schreibenden Kommissar.

 

 

Doppelweiß

Das Schreiben ist für Brahim Llob mehr als nur ein bloßer Zeitvertreib. Seine Bücher werden ja schließlich auch gelesen. Unter anderem von Ben Ouda. Der arbeitete sich einst vom armen Bauernjungen zum erfolgreichen Diplomaten hoch. Er war so erfolgreich, dass man ihm einst mit übler Nachrede das Leben mehr als schwer machte. Damals, da war Kommissar Llob noch nicht Kommissar. Irgendwo im Nirgendwo versah er seinen Dienst. Und er hielt große Stücke auf Ben Ouda. Denn der Intellektuelle schien die richtigen Ideen für die Entwicklung Algeriens parat zu halten. Doch dann trennten sich ihre Wege. Llob ging nach Algier, wurde Kommissar. Ouda stieg immer weiter auf und wurde … am auffälligsten … fett. Doch seine Ideen keimten immer noch. Die beiden treffen sich. Ouda kann sich beim besten Willen nicht an den jungen Llob erinnern und schon gar nicht an dessen Heldentaten. So philosophieren die beiden. Bis Ouda endlich mit der Sprache rausrückt und dem sich fragenden Llob den Grund ihres Zusammentreffens mitteilt. Er will mit Llobs Hilfe ein Buch schreiben, in er große gesellschaftliche Veränderungen vorstellen möchte. Auch hat er geheime Papiere. Llob will es sich überlegen.

Doch zu lange. Denn schon bald ist Ouda tot. Nachdem das Team um einen Ermittler dezimiert wurde, kommt eine echte Verstärkung zu Llob und seinem Leutnant Lino: Ewegh Seddig, ein Hüne, ein Schrank von einem Kerl. Und er weiß um seine (Schlag-)Wirkung… das Trio ermittelt und stößt relativ schnell auf den Namen Dahmane Faïd. Der hat es geschafft in all den Jahren nach der Befreiung Geld und Macht im Überfluss anzuhäufen. Der schienbare Sozialismus Algeriens kam ihm dabei anfangs entgegen, später musste er sich Verbündete suchen. Faïd gehört zu der Sorte Menschen, mit denen sich Llob besonders gern anlegt. Typen, die meinen alles und jeden kaufen zu können. Leider gibt ihnen die Realität oft genug recht. Doch Llob ist da anders.

Günstlingswirtschaft und Bereicherung am Reichtum des Volkes – stehen im Fokus von „Doppelweiß“. Das alles scheint so weit weg, in einem Land, das so gut wie gar nicht in den Medien auftaucht. Doch schon beim Lesen tauchen erste Parallelen zur Gegenwart auf. Machtgierige Geier, die sich allen Richtungswechseln zum Trotz mehr als lebensnotwendig über Wasser gehalten haben und immer und überall ihre Finger im Spiel haben. Ein perfider Plan zum Umsturz der Gesellschaft ohne Folgen für diejenigen, die daran so gar kein Interesse haben, bildet den Auftakt zu einer Mordserie, bei der es letztendlich keinen Gewinner gibt. Aber Einen, der das Rätsel löst.

 

Herbst der Chimären

Man hätte es ahnen können, vielleicht sogar müssen: Ein schreibender Kommissar, der die Missstände im Land anprangert – das kann nicht lange gutgehen. Und wird ihm, Brahim Llob, eines seiner Werke zum Verhängnis und der Gang zum obersten Chef zu seinem Letzten. Die Dienstmarke ist futsch. Aus und vorbei der ewige Kampf um Ordnung auf den Straßen Algiers. Vorbei der Kampf für die Gerechtigkeit. Haben die Oberen gesiegt? Die Schlacht vielleicht…

Beim Besuch seines Freundes Arezki Naït-Wali, einem Intellektuellen, wird es ihm klar: Die, die sich Gedanken machen, sind Fluch und Segen zugleich. Ein Segen für jedes Land und jede Gesellschaft, die sie analysieren und verbessern wollen. Fluch für diejenigen, die das zu verhindern wissen. Denn Veränderungen ohne deren Einflussnahme ist keine gute Veränderung. So einfach ist die Welt!

„Herbst der Chimären“ gerät zu einer Art Abrechnung und Abgesang auf die Hoffnung für ein friedliches und lebenswertes Algerien. Die religiösen Fanatiker sind zum Spielball von denen geworden, denen sie nützlich sind: Finanz-Mafia, -Haie, -Jongleure wie auch immer man sie nennen mag.

Wem es nicht schon zuvor aufgefallen war: Brahim Llob ist Yasmina Khadra und die / der ist Mohammed Moulessehoul. Als hoher Offizier in der algerischen Armee hatte er schon Bücher in seinem Heimatland veröffentlicht. Doch mit der Algier Trilogie konnte er unmöglich in Algerien unter seinem eigenen Namen in Erscheinung treten. Seine Frau (Llobs Ehefrau heißt Mina) stellte ihm ihren Namen zur Verfügung, um der Nachwelt ein Zeugnis über den Bürgerkrieg in Algerien in der 1990er Jahren hinterlassen zu können. Ihr und ihrem Mann ist es zu verdanken, dass man heute so detailliert über diesen Krieg, der mehr als einhunderttausend Opfer forderte, Bescheid weiß.

Das Rätsel von Paris

Das Rätsel von Paris

Die Weltausstellung 1889 war nicht nur wegen des eigens dafür errichteten Eiffelturms eine Sensation, sondern auch deswegen, dass sie bis heute nachwirkt. Denn zu eben dieser Weltausstellung wollen sich erstmals die Zwölf Detektive treffen. Leider kann der Initiator Renato Craig aus Buenos Aires nicht persönlich anreisen. Er schickt dafür seinen Adlatus Sigmundo Salvatrio.

Sigmundo ist der Sohn eines Schuhmachers, der f eine Zeitungsannonce hin bei dem großen Detektiv meldet. Dieser will sein Wissen weiterreichen, denn er spürt, dass die Zeit gekommen ist abzutreten. Zwanzig wissbegierige junge Männer machen sich munter daran den Meister nicht zu enttäuschen. Doch nur einer scheint das Rennen machen zu können. Sozusagen als Abschlussprüfung sollen sie dem Magier Kalídan das Handwerk legen. Denn in jeder Stadt, in der er auftrat, verschwanden junge Frauen. So auch dieses Mal. Einer der Schützlinge schafft es sich als Assistent in die Show einzuschleichen. Keine gute Idee. Denn der Magier kommt ihm auf die Schliche und das war’s. Der erfolgversprechendste und von allen am meisten beneidete Kandidat ist tot.

Nach einigem Zögern nimmt Sigmundo das Angebot an und reist nach Paris, um am Treffen mit Arzaky, Magrelli, Lawson, Hatter, Darbon, Madorakis, Rojo, Zagala, Novarius, Castelvetia und Sakawa teilzunehmen. Eine auserlesene Mischung von gescheiten Köpfen, von London bis Tokio, von Amsterdam bis Madrid.

Ein echter Abenteuerroman für große Jungens scheint dieser Detektivroman zu werden. Pablo de Santis macht sich einen Riesenspaß daraus die grauen Zellen der Helden und des Lesers zum Hüpfen zu bringen. Es klingt anfangs wie der Beginn eines typischen Detektivromans mit all seinen Klischees. Ein Dutzend Detektive, aus aller Welt, dann sind es nur noch elf usw. Doch Pablo de Santis beherrscht die Klaviatur des Bösen und der Ironie meisterhaft. Alle Detektive haben einen Assistenten. Außer Arzaky, dessen Schatten ist erkrankt. Und Castelvetias Helfer wurde noch von keinem einzigen gesichtet. Craig kann gar nicht erst kommen und schickt daher Sigmundo. Bei einem Treffen der ergehen sich die Detektive in Selbstbeweihräucherung. Jeder gibt seine besten Fälle zum Besten. Fälle, die sich – natürlich – allesamt gelöst haben! Dann ist auf einmal Darbon tot. Vom Eiffelturm gestürzt … worden. Arzaky bittet Sigmundo sein Assistent zu sein. Dabei scheint Arzaky derjenige zu sein, der am meisten vom Tode des Pariser Detektives profitiert. Denn nun ist er der Detektiv von Paris. Dazu muss er allerdings das Rätsel von Paris lösen.

Und dieses ist ein köstliches Lesevergnügen. Nicht nur für großes Jungens! Alle Spürnasen haben eine besondere Methode ihre Fälle zu lösen. Lawson aus London, beispielsweise, hat ein Gerät, um auch im Nebel zu sehen. Und der Nürnberger Hatter hat ein Spielzeug (!) entwickelt. Wer in der Welt der Krimis, der klassischen Krimis zu Hause ist, wird hier aus dem Lachen (vor Freude) nicht mehr raus kommen. Wer selbst gern Rätsel löst, braucht Grips und Durchhaltevermögen, gepaart mit einer Portion Organisationstalent. Wer sich an wohl formulierten Sätzen erfreuen kann, dem wird „Das Rätsel von Paris“ dazu verleiten im Bücherregal einen Ehrenplatz für dieses Buch freizuräumen.