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Germaine de Staël – Eine moderne Frau zur Zeit Napoleons

So eng können Glück und Unglück zusammenliegen. Die Biographie von Germaine de Staël ist ein wahrer Thriller. Drei Wochen nach Ostern 1766 wurde sie in eine Familie hineingeboren, die es ihr schon im Jugendalter erlaubte sich bilden zu können und in Kreisen natürlich zu verkehren, die kaum privilegierte hätten sein können. Ihr Vater war Banker, später Politiker. Die Werke von Montesquieu waren als 15jährige mehr als nur ein Zeitvertreib. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon eine Komödie geschrieben.

Wer die ersten Seiten der Biographie von Christiane Landgrebe gelesen hat, dem kommen Zweifel an der aktuellen vergleichbar privilegierten Jugend der Gegenwart.

Germaine entwickelt sich zu einer jungen Frau, die die Ideale der Revolution – und schon bald folgt auf das Glück der frühen Jahre das Unglück der neuen Zeit – für sich entdeckt. Doch das Hin und Her dieser Zeit und die arrangierte Ehe mit einem schwedischen Adeligen zehren an ihr. Sie reist und lebt in Europa, sie lernt Schweden, England und Russland (nicht immer freiwillig)  kennen und erkundet Deutschland. Was ihr später hilft ein Standardwerk über die Deutschen zu schreiben. Dieses Buch – „De L’Allemagne“ – wirkt bis heute nach. Die Sicht der Franzosen auf die Deutschen ist in abgeschwächter Form noch heute bemerkbar.

Als Napoleon abermals an die Macht kommt, ist ihm dieses Werk ein Dorn im Auge. Abermals muss Germaine ihre Heimat verlassen. Privat verläuft ihr Leben lang auch nicht alles nach Plan. Ihre erste Tochter stirbt im Alter von zwei Jahren. Die Jüngste heiratet wie ihre Mutter in höchste Kreise. Im Alter von fünfzig Jahren erleidet sie einen Schlaganfall, an dessen Folgen sie im Sommer 1817 stirbt.

Es ist erstaunlich wie schnell die Geschichte große Persönlichkeiten in Vergessenheit geraten lässt. Nicht minder erstaunlich ist es aber auch, dass selbst mehr als zweihundert Jahre nach ihrem Tod es immer noch möglich ist, derart fundiert über sie berichten zu können. Christiane Landgrebe gelingt es faktenreich und eloquent dieser hinter dicken Schleiern versteckten Frau abermals eine Bedeutung zukommen zu lassen, die ihr auch gerecht wird. Germaine de Staël war einflussreich. Wenn auch nicht in erster Reihe stehend, so war sie es, die in ihrem Salon die Strippenzieher empfing und ihnen in Nichts nachstand. Und dass sie doch nicht komplett in der Versenkung verschwand, beweist einmal mehr, dass Beharrlichkeit sich letzten Endes auszahlt. Das macht Mut! Auch und gerade für die jetzige und die kommenden Generationen.

Hier und anderswo

Man spürt es ab der ersten Seite, ach was, aber der ersten Zeile: Thomas Michael Glaw reist gern. Und oft. Und er kann viel erzählen. Nicht über das, was man sehen muss, was jedem früher oder später vor die Augen kommt, sondern über das, was man suchen muss und finden kann. Und vor allem über das, was zu beachten ist. Reiseimpressionen mit Lerneffekt. Doch so statisch sollte man dieses kleine Büchlein nicht angehen. Es ist eine Art Hilfestellung für Reisenovizen wie alte Hasen, die über diejenigen lachen, die Catania in Spanien oder Griechenland verorten (die gibt es wirklich! Und das nicht zu knapp!).

Hier sind sie also die gesammelten Impressionen (Auszüge davon) eines Reiselebens. Von München nach Wien im Flieger? Niemals. Im Zug reist man entspannter, und auch nicht viel länger, wenn man die Eincheckzeiten und die Fahrten zum und vom Flughafen einberechnet. Und mit der ÖBB sogar pünktlich, freundlicher … einfach entspannter. Reisen als Sinnesrausch im positiven Sinn. Denn auch eine Zugverspätung kann eine Reise in einen Rausch verwandeln – Stichwort Blutrausch.

Wiens erster Bezirk hat für ihn den Rausch der Vergangenheit gegen die Tristesse des Übers eingetauscht. Übervolle Straßen, übermäßig viele Verkäufer, die überteuerte Tickets verkaufen, überall nur Touristen, die überhaupt kein echtes Wien mehr ans Tageslicht kommen lassen. Dennoch sind Wien und seine Cafés immer noch berauschend. Es sind halt nur andere Cafés, wo man sich zur morgendlichen Stunde Gazetten und Braunen einverleiben mögen möchte.

Südspanien im Winter ist ein feuchtes Vergnügen. Manchmal auch ein feuchtfröhliches, wenn man der Sprache nicht mächtig ist und aus Versehen etwas bestellt, was einen übermäßig beansprucht.

Roma als Amor zu verstehen, fällt leicht, wenn man die Ewige Stadt einmal besucht hat. Oder mehrmals. Die Stadt für sich allein hat man niemals. Es sei denn, man besucht einen Friedhof. Doch auch da ist Achtsamkeit angeraten. Furbo und Pignolo können einem manchmal ordentlich auf die Nerven gehen oder gar die letzten Reste davon rauben. Der Eine mogelt sich durch (und kommt damit auch immer durch), der Andere ist ein Pedant, den man so in Italien gar nicht vermutet. Eine köstliche Charakterstudie des Autors.

„Hier und anderswo“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen für alle, die Bestätigung suchen und/oder vor der Entscheidung stehen in alle Himmelsrichtungen zu flüchten. Knigge-Fallen lauern überall (da ist es wieder, dieses „über“), nicht hineinzutappen, ist die Kunst. In diesem Büchlein die Fallen zu erkennen, sie umschiffen zu können, ist keine Kunst, es ist fast schon eine Pflicht.

Die Erfindung des Lächelns

Das war schon ein Ding, damals 1911, da hing die Mona Lisa einfach nicht mehr da, wo sie nach Meinung aller zu hängen hat. Im Louvre in Paris. Sie war gut versteckt, aber eigentlich greifbar. Vincenzo Peruggia, Glaser, der kurz zuvor die Scheibe, die das wertvollste Gemälde der Welt schützen soll, ausgetauscht hatte. Er kannte sich bestens aus. Drei Jahre später hat man ihn gefasst, das Gemälde zurückgebracht und alle waren zufrieden. Eine Legende war geboren. Doch warum Peruggia da Vincis Werk klaute, ist bis heute ein Rätsel. So ist die Geschichte. Ist hinlänglich bekannt. Kann man in mehr oder weniger langen Versionen nachlesen.

„Die Erfindung des Lächelns“ ist der historische Roman zu dieser Geschichte. Tom Hillenbrand ist der Autor, und er vermeidet es kunstvoll dieser dramatischen Geschichte sinnfreie Fakten oder gedankenlose Spinnereien hinzuzufügen.

Juhel Lenoir ist der Ermittler in diesem Fall. Er bekommt Druck von allen Seiten. Das berühmteste Gemälde der Welt – einfach gestohlen. Da erwartet jeder(!) schnelle Resultate. Doch wie soll das gehen? Einfach mal bei Picasso nachfragen, „na, was gesehen oder gehört?“. Das kann man doch nicht machen! Warum eigentlich nicht?! Auch Guillaume Apollinaire, der Dichterfürst ist mehr als nur verdächtig. Die Verbindungen zu einem ähnlichen Vorfall ein paar Jahre zuvor sind nun einmal da.

Mit wunderbar leichter Feder streift Hillenbrand die Vorhänge des Vergessenen zurück und führt den Leser auf die Weltbühne der Kunst vor reichlich einhundert Jahren. Isadora Duncan, die berühmteste Tänzerin ihrer Zeit und ihres reichlich durchgeknallten Gurus Aleister Crowley, bis heute gleichermaßen vergötterter wie verteufelter Satanist, treten ebenso auf wie die Herren, die die musikalische Untermalung aus dem manschettierten Handgelenk schütteln, Claude Debussy und Igor Strawinsky.

Die Haute Volée der Pariser Kunstszene versammelt sich in diesem Buch und prahlt leuchtend mit ihrer Reputation. Dass es nicht in Kitsch abgleitet und als belanglose „Noch so’n Buch über ein fast vergessenes Ereignis“-Persiflage auf dem Ramschtisch landet, dafür sorgt allein schon das Fachwissen des Autors. Penibel hat er sich in den Fall und vor allem in die Zeit eingearbeitet. Kleinste Details werden hier nicht aufgeplustert, sondern behalten ihren Status bei.

Ein Kriminalroman, der so echt ist wie das Lächeln der Mona Lisa. Hintergründig und fundiert. Immer wieder setzt man das Buch ab und lässt die Gedanken schweifen. Und sei es nur, um sich die Szenerie, die Straßencafés, die Ateliers vor Augen zu führen. Tom Hillenbrand ist ein Verführer, der die Romantik des Verbrechens – dieses Verbrechens – als Druckmittel zum Weiterlesen einsetzt.

 

Balkon mit Aussicht

Muss man noch von Paris schwärmen? JA!!! Immer wieder und wieder. Es gibt unzählige Bücher, in denen die Liebe zur Stadt der Liebe eindrucksvoll zu Papier gebracht wurde. Und jetzt kommt noch eines hinzu. Jedoch keine gewöhnliche Lobhudelei mit den „besten Tipps“ für dies und das. Sondern eine Liebeserklärung an eine Stadt, in der die Autorin nicht nur viele Jahre lebte, sondern eine Stadt, die sie aufgesogen hat und die sie aufgezogen hat.

Für Brigitte Schubert-Oustry war Paris ein halbes Jahrhundert nicht nur Obdach, es war ihr Leben. Sie ist deswegen und wegen ihrer unnachahmlich berührenden Sprache die ideale Reisebegleiterin durch die Stadt an der Seine. Als Neuling sollte man dieses Buch als Zweit-, Parallel- oder Zusatzlektüre im Gepäck haben. Denn Brigitte Schubert-Oustry ist keine typische Zeigetante, die nach Links und Rechts verweist, um der hinterher trabenden Masse so viel wie möglich zu zeigen, sie steigt mit dem Leser ins Herz der Stadt.

So nachdrücklich die meisten Urlaubserinnerungen sind, so austauschbar sind sie in den meisten Fällen. Da die Autorin hier in Paris jedoch nicht ihren Urlaub verbrachte, sondern hier wirklich lebte, hinkt der Vergleich mit den meisten Reiseimpressionen. Eine echte Madame Concierge erlebt man nicht als Touri, der mit der Kamera um den Hals baumelnd dem nächsten einzigartigen Motiv hinterherjagt, und dabei die wahre Schönheit der Stadt übersieht. Das sind die wahren Originale. Und sie sind eine aussterbende Spezies. Concierge sein bedeutet alles (!) zu wissen, jeden zu kennen… und zwar bis ins kleinste Detail. Ohne dabei natürlich mit dem Wissen hausieren zu gehen oder die entsprechende Person damit zu behelligen. An ihr, an ihm kommt niemand vorbei. Sie sind die gute Seele, aber auch der schärfste Wachhund der Stadt. Und Brigitte Schubert-Oustry erzählt ausgiebig von ihren Begegnungen mit diesem Menschenschlag.

Genau wie vom immer seltener werdenden Hausfest. Das ist eigentlich keine Pariser Erfindung oder gar ein wiederkehrendes Fest. Findet es allerdings einmal statt, und man ist eingeladen (als Touri fast unmöglich) dann erlebt man Paris wie es wirklich ist. Man kann natürlich auch dieses Buch lesen… Das ist fast so echt wie das Hausfest selbst.

Mit und in diesem Buch schaut man nicht verstohlen durchs Schlüsselloch – die Autorin öffnet bereitwillig jede noch so verschlossen scheinende Tür mit einem Handstreich. Man fächert sich den Duft der Stadt zu, atmet tief ein und ist im Handumdrehen mitten in einer der aufregendsten Städte der Welt. Es gibt sie noch, die Geheimnisse von Paris. Man muss sie ab sofort nicht einmal mehr suchen. Sie liegen ordentlich sortiert vor einem.

Alles Eisen des Eiffelturms

Dieses Buch liest man nicht! Man flaniert durch dieses Buch hindurch. Sind die Füße ermattet, liest man es ein zweites Mal. Werden die Augenlider schwer, träumt man sich in ihm in die Stadt der Liebe, der Künstler, der Flaneure, des Lichts… Und eines Tages trägt am es in der Hand und tut es den Akteuren gleich. Dann, erst dann hat das Buch seinen Zweck mehr als erfüllt. Abgegriffen liegt in den Händen, die die Stadt einfangen wollen. Eselsohren sind die Leitpunkte der zahllosen Spaziergänge durch das Paris, das nicht mehr existiert. Ein Paris, das im Massentrubel ertrunken ist und mit immer wieder neuen erwachenden Angeboten um die Gunst der dürstenden Menge buhlt. Und sich dabei selbst stellenweise aufgibt.

Das Paris dieses Buches ist rund ein Jahrhundert jünger. Walter Benjamin und Marc Bloch. Geistige Väter – für manche Unruhestifter – eines Deutschlands, das in zwölf Jahren den Gegenentwurf zu allem Menschlichen liefert und in Tiefen stürzen wird, aus denen es bis heute nicht vollständig herausgeklettert ist.

Michele Mari ist der Marionettenspieler dieser zwei Köpfe, die in Paris als Passagiere der Verzweiflung gestrandet sind. Mit ihrem Willen gestrandet – ein Widerspruch? Mit Nichtem! Ihre Heimat ist nicht hier. Hier ist lediglich eine erste Endstation. Bis die Braunen und Grauen auch die Farbenpracht der Stadt an der Seine mit ihrem Schlamm bedecken. Es sind sie Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre zuvor. Sie lassen die beiden träumen, ackern, wünschen, hoffen, aber auch verzweifeln, argwohnen, frösteln, trauern. Ihre Bücher sind nur noch Asche. Ihre Namen Schall und Rauch. Doch nicht vergessen.

Sie treffen Menschen, die wir heute als Götter verehren. Namen wie Donnerhall, die in Paris das alte Paris der Künstler suchen, es zum Teil aufbau(t)en, es zu ihrem Paris machten. Und nun? Die Enge der Heimat schnürt Walter Benjamin die Kehle zu. Und bevor dies andere tun, ist er lieber Vertriebener in Paris als getriebener in Berlin. Marc Bloch wird das Versagen der französischen Streitkräfte beim Blitzüberfall der Wehrmacht auch Anfeindungen einbringen.

Michele Mari würfelt Realität und Fiktion derart durcheinander, dass dem Leser schwindelig wird. Hat man erst einmal begriffen, dass es unerheblich ist dies auseinanderhalten zu müssen, ist „Alles Eisen des Eiffelturms“ Pflichtlektüre für den nächsten Trip in die Stadt der Liebe.

Monsieur Orient-Express

Monsieur Orient-Express, Belgier, mit dem gewissen Sinn fürs Wesentliche – das kann doch nur Hercule Poirot sein! Non, ist er nicht. Auch wenn einem sofort die Assoziationen zu dem Mann, der die kleinen grauen Zellen so geschickt einsetzte, in den Kopf schießen. Es handelt sich um Georges Lambert Casimir Nagelmackers. Geboren im Sommer 1845. Vater Bankier, die Mutter stammt aus einer Industriellenfamilie, die sich in Teilen bis in die Regierung hochgearbeitet hatte. Der „goldene Löffel im Mund“ wurde dem Sprössling also in die Wiege gelegt. In der Schule waren Sprachen – Latein und Griechisch – seine erfolgreichsten Fächer. Privat war es in der Familie Nagelmackers eher kühl. Die Eltern wurden gesiezt, die Kinder speisten zusammen mit dem Personal. Damit der junge Georges sich endlich die Liebe zu seiner Cousine aus dem Kopf schlägt, schickte ihn die Familie in die Neue Welt. Und hier kam er einer neuen, großen, nachhaltigen Liebe auf die Spur: Der Eisenbahn.

Die katastrophalen Zustände der amerikanischen Eisenbahn – die Wände dünn wie Zeitungspapier, Toiletten nur von außerhalb zu betreten etc. sollten der Grundstein sein, der Georges Nagelmackers zu dem machte, was er einmal werden sollte: Der Chef des Orient-Express.

Georges sah, dass die Welt zusammenwuchs. Doch überall nur Schranken, in jeder Hinsicht. Sein Traum war es – und schon ein paar Jahre später legte er einen weiteren Grundstein dafür, dass Schranken bald nur noch für „die Anderen“ gelten sollten – die Welt miteinander zu verbinden. Und natürlich das Portemonnaie zu füllen. Sein Portemonnaie.

1883 nahm der Orient-Express das erste Mal Fahrt auf. Von Paris nach Konstantinopel. Luxuriös reiste man. Es ruckelte zwar hier und da ein wenig, dafür war man aber binnen Tagen am anderen Ende des Kontinents.

Dass dabei viel Kohle (auch hier wieder: in jeder Hinsicht!) verbrannt wurde, beunruhigte den Visionär Nagelmackers nur am Rande. Geldgebern kann man ja schließlich aus dem Weg gehen. Das klappt aber nur zeitweise. Auf der Weltausstellung 1900 in Paris greift er nach einem weiteren Strohhalm, um das finanziell angeschlagene Unternehmen einmal mehr zu retten. Gen Osten soll der Luxuszug nun gleiten. In jedem der größten Pavillons, die in der Weltmetropole Paris ihr Land präsentieren, lässt er Waggons seiner Eisenbahnlinie ankarren. Nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass ein Waggon 35 Tonnen wiegt, die Pavillons nicht ans Schienennetz angeschlossen sind und die Pferdewagen eigentlich nur vier Tonnen bewegen können.

Eine rentable Bahn auf die Schiene zu bringen, ist bis heute ein Fass ohne Boden. Das musste auch Georges Nagelmackers erkennen. Doch im Gegensatz zu den Vorständen der Gegenwart, die die Vokabel Subventionierung so inflationär benutzen wie manch anderer Toilettenpapier, ließ er sich nicht von seiner Idee abbringen den westlichsten Westen mit dem östlichsten Osten zu verbinden. Geblieben ist allen Unkenrufen zum Trotz mehr als nur die nostalgische Vorstellung einmal tief im Sessel zu versinken und vom Eiffelturm, am Stephansdom vorbei entlang der Donau, über den Balkan ans Goldene Horn zu reisen. Diese Vorstellung inspirierte Menschen seitdem es die Eisenbahn gibt, nicht nur Agatha Christie.

Gerhard J. Rekel lässt den Mythos Orient-Express einmal mehr aufleben. Dieses Mal jedoch bekommt er ein Gesicht. Georges Nagelmackers schürte  mit seiner Idee Sehnsüchte, die bis heute und in alle Ewigkeit nachwirken. Und dieses Buch sorgt dafür, dass nichts davon in Vergessenheit gerät.

Paris und das Kino

Wer will schon schwer röchelnd mit der Kippe im Mundwinkel auf den Straßen der Stadt der Liebe dahinsiechen? Oder beim Aufstieg auf dem Eiffelturm von einer exotischen Schönheit mit einer exotischen Waffe „geangelt“ werden? Oder mit Handschellen um die Fußfesseln (anatomisch würde es ja passen) humpelnd über Kopfsteinpflaster laufen? Niemand. Aber mal zu schauen, ob Belmondos ikonischer Abgang immer noch vor gleicher Kulisse ablaufen könnte … ist schon einen Abstecher vom Trubel der Großstadt wert. Es muss ja nicht immer gleich das romantischste Wiedersehen an der Seine im Schneefall sein.

Das Bild von Paris ist – wie sollte es anders sein – stark durch das Kino geprägt. Auch wer noch nie da war, weiß, dass es in Montmartre Auf und Ab geht, dass der Eiffelturm so wunderschön erstrahlen kann, dass man direkt neben der Seine rasant Autofahren kann – was auf der Leinwand meist im Desater, im echten Leben im Wasser oder auf der Wache endet – und dass es an jeder Ecke Baguette zu kaufen gibt. Das Paris-Klischee gehört zu den angenehmsten überhaupt.

Einmal mit einem Boot auf dem Canal Saint-Martin am berühmten Hôtel du Nord vorbeischippern und die Atmosphäre der hart arbeitenden Menschen und deren Schicksale noch einmal spüren. Alles Illusion – is ja schließlich Film! Denn die Gegend um das Hôtel du Nord ist heute Flaniermeile, ein Ort zum Niedersitzen und die Seele baumeln lassen. Und die Kulisse – ja Kulisse – ist im Film nur nachgebaut. Denn Regisseur Marcel Carné ließ den Straßenzug komplett nachbauen und dreht in den Studios in Billancourt vor den Toren Paris’. Ein Spaziergang lohnt sich heute im besonderen Maß.

Christine Siebert stellt in ihrem außergewöhnlichen Reiseband Paris immer wieder neu vor. Man kennt alle Orte bereits, aus zahlreichen Filmen. Zählt man alle Film zusammen, kann durchaus die Milchmädchenrechnung aufstellen, dass jeder Erdenbewohner Paris mindestens einmal schon gesehen hat. Und die Orte klingen wie eine süße Verführung: Moulin Rouge, Pigalle, Sacrè-Cœur, Jardin du Luxembourg, Arc de Triomphe … ach man kann sich einfach nicht sattsehen an den Drehorten.

Noch einmal zurück zu Jean-Paul Belmondo. Die Rue Campagne Première ist nicht abgesperrt. Ein Kollege grüßt den Star der Nouvelle Vague. Belmondo schickt ihn weg mit den Worten „ich sterbe gerade“. Nur eine ganz normale Straße. Einer der außergewöhnlichsten Abschlüsse eines Films. Eine Szene, die kultisch verehrt wird. Und dennoch ist hier nur eine Straße. Die man aber gesehen haben muss, wenn man der Anziehungskraft des Mediums Film erlegen ist.

Einmal durch Paris wandeln, und die (Film-)Welt noch einmal bereisen. Gespickt mit Anekdoten und detailreich führen einundzwanzig Spaziergänge durch die Stadt der Liebe, des Lichts und des Films. Vieles kennt und erkennt man auf Anhieb, wie Pont Neuf. Manch anderes muss man suchen. Und findet es auf Anhieb dank dieses einzigartigen Kulturreisebandes.

Stadtabenteuer Paris

Ja, Paris ist eine Reise wert! Ja, Paris ist eine Weltmetropole! Ja, Paris muss man gesehen haben! ABER: Jede Wette, dass achtzig Prozent der Besucher dasselbe gesehen haben. Was auf den ersten Blick auch nicht verwerflich ist. ABER: Schöner wär’s doch Paris, die Weltmetropole so zu erleben wie nur ganz Wenige. Es so sehen zu können wie es vielleicht sogar die Pariser nicht einmal erleben. ABER: Wie?

Augen auf beim Reisebuchkauf! Denn es gibt nur ein Buch mit wirklichen Abenteuern. Dieses hier! Birgit Holzer ist mit offenen Augen durch die Stadt der Liebe und der Lichter gewandert und hat das gefunden, was einen unvergessenen Paris-Trip auch wirklich unvergessen macht.

Ein Croissant auf den Stufen vor Sacré Cœur genießen, ein Genuss. Aber zur Mittagszeit oder kurz vor dem bzw. rechtzeitig zum Sonnenuntergang die Stadt aus exklusiver Höhe bestaunen und sich dabei den Gaumen kitzeln lassen – da muss man schon lange suchen, um fündig zu werden. Oder man schaut in die Stadtabenteuer Paris, Seite Quarante.

Auch ein Besuch auf dem Prominentenfriedhof Pere Lachaise mit Abstecher zu Edith Piaf und Jim Morrison lohnt sich. Man bekommt einen Plan zu den Promi-Gräbern und dackelt besonders in der Ferienzeit den Massen hinterher. Zweifelsohne ein besonderes Erlebnis. Dennoch ist es doch um einiges Nachhaltiger einmal in einem echten Klassiker herumzustromern. Hier liegt kein Schreibfehler vor. Ja, in einem echten Klassiker herumstromern. Und man darf sich sogar unterhalten, ohne dass der Maestro einem ein „Silence!“ entgegenschmettert. Man wandelt soeben durch ein Kino der besonderen Art. Eine ehemalige Fabrik wurde in ein lebendiges Museum verwandelt. Um einen herum schweben (besser man wandelt durch) Gemälde von Claude Monet, Auguste Renoir oder Henri Matisse. Man ist Teil der impressionistischen Revolution und Werke. Alles so lebendig… und das in Paris, der Stadt der Lieb und Lichter.

Es ist ein Privileg mit diesem Stadtabenteuer-Reisebuch durch Paris zu staunen. Dass es hier immer wieder was zu entdecken gibt, steht außer Frage. Doch wo suchen, wo beginnen, wo aufhören? Die Antworten lauten in umgekehrter Reihenfolge: Niemals, und zweimal in diesem Buch.

Wer das Wort Abenteuer allzu wörtlich nimmt und ein wenig zögert, dem sei versprochen, dass Abenteuer nicht automatisch mit Säbelrasseln gleichzusetzen ist. Es ist vielmehr das exotische Kribbeln auf der Haut, das man empfindet, wenn man etwas erlebt, was viele andere eben nicht erleben, weil sie schon an der Frage nach dem Wo scheitern. In der Reihe Stadtabenteuer sticht dieser Band besonders heraus. Denn sowohl Paris-Neulinge wie auch Experten werden große Augen machen.

In fremden Händen

Noch einen Kaffee, und einen Whiskey … bitte! So geht das schon seit Längerem. Durch Paris streifen – nach dem Plan von Estelle. Flugblätter verteilen – nach Estelles Plan. Auf den Flugblättern ist das Gesicht von Jennifer abgebildet. Seiner Tochter. Jons Tochter. Jons und Estelles Tochter. Seit einer gefühlten Ewigkeit ist die Kleine verschwunden.

Jede Metrostation wird zu der Zeit besucht, zu der die meisten Menschen dort sind. So erhöht sich die Trefferquote, theoretisch. Zuhause hält Estelle Telefonwache. Falls Marceau, der ermittelnde Beamte, falls irgendjemand  anruft, der Jennifer gesehen hat.

Noch einen Kaffee, und einen Whiskey … und wissen Sie wer dieses Plakat da gemalt hat? Jon ist gebannt vom Detailreichtum des Bildes. Alles an diesem Bild scheint nur einem Ziel zu dienen: Die abgebildete Person in ihrer ganzen Vielfalt darzustellen. Ohne, dass es ihm bewusst ist, fühlt er, dass er die Künstlerin kennenlernen muss. Vielleicht kann sie ihm helfen.

Das Plakat, das sie zeichnet, scheint Erfolg zu versprechen. Die neuen Flyer zeigen eine Jennifer, die so unverwechselbar ist, dass man sie auf Anhieb erkennt. Die Saat für eine gelungene Ernte ist in den Boden gebracht.

Und dennoch sprießen aus dem Boden nur welke, zarte Pflänzchen. Denn alles hat sich von Grund auf geändert. Estelle ist es leid. Sie kann immer noch nicht in Jennifers Zimmer gehen, aus dem nach und nach ihr Geruch verschwindet. Jon hat sich verändert. Das Zusammentreffen mit der Künstlerin hat weiter reichende Folgen als man planen kann. Die Melancholie ist weg. Selbst Marceau ist mit einem Mal zuversichtlich. Nur die vermisste Tochter ist immer noch wie vom Erdboden verschluckt.

Michael Farris Smith wühlt tief in der Seele zweier Menschen, die sich niemals suchten. Als sie sich fanden, konnten sie ihr Glück nicht fassen. Nun wurde ihnen das Wichtigste genommen, das ihnen je passiert ist. Zu keiner Zeit driftet er in den Schlund des Kitsches ab. Niemals rühren Tränen den Leser derart, dass er losrennen und Jennifer selbst suchen möchte. Als Leser ist man Unbeteiligter, und das ist ausnahmsweise etwas Gutes. Man beobachtet wie zwei Menschen sich immer weiter voneinander entfernen, ohne jemals loszulassen. Estelle und Jon sind wie entfernte Freunde, deren selbst auferlegtes Schicksal man nicht teilen möchte. Und sie um Himmels Willen nicht stören möchte. Hier sind zwei Menschen am Werk, die sich niemals mit dem zufrieden geben werden, was ihnen angeboten wird. Sie verschließen sich der Welt und entfernen sich voneinander, um im Moment des Sieges alle und alles in den Arm zu nehmen. Der Weg ist steinig, dornig und voller Fallen. Michael Farris Smith lindert mit faszinierenden Gedankenspielen die Schmerzen.

Location Tour – Die schönsten Drehorte Europas

Das sieht ja aus wie im Film! Hat jeder schon mal erlebt. Ein Gebäude, einen Park, eine Szene. Hier muss es gewesen sein. Man lässt im Kopf einen Film ablaufen und sucht nach den Orten, wo der Hauptdarsteller diese eine entscheidende Szene zum Besten gab. Man will wissen, wo die Kamera stand. Viele Orte aus Filmen, die den Zuschauer in ihren Bann zogen sind verschwunden. Wie das zerstörte Wien aus „Der dritte Mann“ – zum Glück. Denn die Trümmer sind einer grandiosen Kulisse gewichen, die bis heute als Filmlocation dienen. Und wer genau hinsieht, erkennt die Tricks der Filmbranche. Denn die Stiftsgasse aus dem Film befindet sich gegenüber der Österreichischen Nationalbibliothek. Und das Haus in der Stiftsgasse ist einem Parkhaus gewichen.

Oft werden Locations, also Drehorte mehrmals benutzt. Das Schloss aus „Highlander“, Schloss Eilaen Donan Castle, diente später als MI-6-Hauptsitz und schon Jahre zuvor in „Der Freibeuter“ als Kulisse.

Schloss Moritzburg erlebt besonders als verschneite Winterlandschaft als Traumziel für alle, die von „Aschenbrödel“ nicht genug bekommen können. Und wer kann schon Schloss Sanssouci in Potsdam besuchen, ohne sich nicht umzusehen, wo Romy Schneider ihren (echten) Tränen freien Lauf ließ?

Wer Rom besucht und sich im Fontana-di-Trevi-Trubel durchaus wohl fühlt, sieht Anita Ekberg im Brunnen herumtollen. Auf der Spanischen Treppe – nur zehn Minuten zu Fuß entfernt – ein Eis essen ist in etwa so unterhaltsam wie „Ein Herz und eine Krone“ mit der unvergessenen Audrey Hepburn, die hier der Welt entrückt genüsslich ihr gelato schleckte. Sie kommt im Buch ein weiteres Mal vor, an ihrem Wohnort am Genfer See erinnert eine Büste an eine der zahlreichen Prominenten, die sich hier niederließen, Chaplin’s World ist nicht minder sehenswert.

Dieser ungewöhnliche Reiseband begeistert, da er zwar Bekanntes zeigt, durch die Fülle jedoch immer neue Reiseideen kreiert. Man kann in dem Buch nach Filmen suchen und die Drehorte finden. Oder man plant für die bereits gebuchte Reise einzelne Ausflüge an Orte, die man von der Leinwand oder aus dem Fernsehen kennt. Es sind Reisebände wie dieser, die eine Reise zu einem echten Erlebnis machen können. Einmal in diesem Buch geblättert und schon lodert die Flamme der Neugier. Von Malta bis Spanien, von Irland bis Kreta erlebt man so manches filmische Highlight noch einmal.