Jack Laidlaw – Glasgow

 

Bud Lawson – ein Name wie Donnerhall, und so sieht er auch aus – sucht seine Jennifer. Die 18jährige ist nicht von der Disco nach Hause gekommen. In seinem Kopf malt er sich schon Szenarien aus wie er reagieren wird. Von Sanftheit und Besonnenheit lässt sich bestimmt nicht leiten. Pflichtgemäß, eine Charaktereigenschaft, die ihn so nicht auszeichnet, hat er ihr Verschwinden bei der Polizei gemeldet. Bei Jack Laidlaw, Detective Inspector in Glasgow. Ein Mann, der mit knapp vierzig schon zu viel erlebt hat, als dass ihn noch irgendetwas schnell aus den Latschen kippen lässt. Die Anzeige nimmt er zur Kenntnis, er kennt Bud Lawson. Und Bud Lawson kennt ihn. Laidlaw muss ihm vertrauen, Bud Lawson vertraut niemandem.

Nur kurze Zeit später treffen sich die beiden wieder. Laidlaw hat eine schlimme Nachricht: Jennifer wurde im Kelvingrove Park tot aufgefunden. Nun beginnt die Suche nach dem Täter.

Den Mörder kennen zu diesem Zeitpunkt nur zwei (lebende) Menschen: Harry Rayburn, Nachtclubbesitzer und Tommy, sein Freund. Aber viele Leute sind hinter ihm her. Aus unterschiedlichen Motiven. Der Mörder selbst hat nur einen Verbündeten. Und selbst der kann ihn nicht aus seinem selbstgewählten Asyl herauslocken.

Auch Unterweltgröße John Rhodes ist auf einmal hinter dem Mörder her. Jack Laidlaw hat ihn mehr oder weniger darum gebeten „seine Kontakte spielen zu lassen“. John Rhodes findet Bud Lawson hinter einer Flasche Whiskey. Ruhig wie immer. Was er tun würde, wenn er den Mörder seiner Tochter findet. Die Antwort überrascht ihn nicht. John gibt Bud den Rat – falls er ihm zu dem Mörder führen könnte – Stillschweigen zu bewahren. Nicht nur für die Zeit kurz danach. Sondern für immer! John Rhodes hat keine Angst, dass sich Bud irgendwann mal bei der Polizei verquatschen könne. Vielmehr geht es um Loyalität.

Auch Matt Mason ist irgendwie daran interessiert, dass Jennifer Lawsons Mörder seiner Strafe zugeführt wird. Der Buchmacher hat so ziemlich in jeder Gaunerei der Stadt seine klebrigen Finger im Spiel.

Jack Laidlaw und sein neuer Partner Harkness wissen, dass sie nicht die Einzigen sind, die den Mörder des Teenagers suchen. Doch sie wissen, dass sie die Ersten sein müssen, die ihn dingfest machen. Fangen ihn die Anderen vor ihnen, sieht’s schlecht aus.

Bei all der Jagd, der Hatz nach dem Mörder kommt bei William McIlvanney niemals Hektik auf. Ruhig und besonnen ermittelt Jack Laidlaw in diesem besonderen Fall. Die blumige, teils zynische Sprache, die er seine Protagonisten sprechen lässt, ziehen den Leser in ihren Bann. Das Glasgow von Jack Laidlaw ist grau, verschroben, eigenbrötlerisch und … mörderisch.

 

Jede Stadt hat so ein Original. Glasgow hat Eck Adamson. Der liegt im Sterben und lässt Jack Laidlaw, Detective Inspector Jack Laidlaw, an sein Krankenbett kommen. Er kannte Eck, doch nicht so gut, dass als Vertrauter durchgehen könnte. In den Habseligkeiten des Verstorbenen findet Jack Laidlaw einen Zettel. Ziemlich schwülstige Zeilen, die und die niedergeschriebene Adresse erregen seine Aufmerksamkeit. Zusammen mit Harkness macht er sich auf die Suche nach dem Geheimnis um den Tod von Eck Adamson. Denn so viel steht fest: Auch wenn Eck oft mehr Alkohol im Blut als umgekehrt hatte, wurde er vergiftet.

Auch Paddy Collins starb im Krankenhaus. Seine Familie – allesamt Gangster ersten Ranges – will wissen warum ihm jemand mit einem Messer so durchlöchert hat. Aus Birmingham ist Mickey Ballater zurückgekehrt. Er sollte eigentlich von Paddy vom Bahnhof abgeholt werden. Warum er nicht kam, ist ihm nun klar.

Wie es der Zufall will, laufen alle Fäden bei einem Tony Veitch zusammen. Er hinterließ geheimnisvolle Zeilen bei Eck Adamson und schuldete Anderen einen Haufen Geld. Nun sind sie hinter ihm her. Jack Laidlaw, weil er Antworten haben möchte. Cam, Mickey, Dave und die anderen Ganoven, weil sie hoffen von ihm Geld zu erhalten. Doch wo ist Tony Veitch?

Tony Veitch ist Student. Kurz vor dem Examen hat er sich aus dem Staub gemacht. Tonys Mitbewohner Gus beschreibt ihn als naiven Sonderling, der sich wohl nie in der Welt zurechtfinden wird. Tony Veitchs Welt war überschaubar. Und undurchdringlich.

Jack Laidlaw reist wieder durch Glasgow auf der Suche nach einem Mann, dessen Aktionsradius eigentlich überschaubar war. Und doch ist Tony Veitch nicht aufzutreiben! Selbst die Methoden der Gangster führen nicht zum Erfolg. Was Laidlaw beruhigen sollte. Doch dann wird Tony doch noch gefunden…

Teil Zwei der Reihe um Detective Inspector Jack Laidlaw. War Glasgow in „Laidlaw“ noch die graue Stadt, in raue Gesellen ihr Unwesen trieben, ist die Stadt am Clyde nun ein düsteres Wirrwarr aus Lügen, falsch verstandener Treue und voller untrennbar miteinander verwobener Geheimisse. Akribische Detektivarbeit, Zwischen-den-Zeilen-Lesen und Unnachgiebigkeit führen den zynischen Ermittler letzten Endes ans Ziel. Doch das Ergebnis stellt kaum jemanden zufrieden.

 

Ist das noch Jack Laidlaw? Dicker Kopf, mit beißendem Zynismus auf der Zunge, am Boden zerstört. Ersteres ist neu, das Zweite wohlbekannt … doch Drittens ist so unerwartet. Das war für ihn auch die Nachricht vom Tod seines Bruders Scott. Betrunken vom Auto angefahren. Jacks einziger Verbündeter in dieser Welt ist nicht mehr. Die beiden standen sich näher als jemand anderes sonst. Das soll nun alles vorbei sein? Er will nach Graithnock, wo Scott gelebt hat. Will sich umschauen. Reisen wie er es oft in Glasgow tat. Nur für ein paar Tage, um alles verstehen.

Scott war Lehrer, in seiner Freizeit hat er gemalt. Ein umgänglicher Kerl, doch Jack hört auch andere Stimmen. Anna, Scotts Frau, ist Jack gegenüber abweisend. Die Beziehung war am Ende. Scott hatte sogar eine Affäre, von der kaum jemand wusste. Ellie Mabon hieß sie, war eine Kollegin, die, um Schaden von beiden abzuhalten, aber Schluss machte. Jacks Reise in Scotts Leben gerät immer mehr zu einer Sinnkrise.

Halt findet in den kurzen Telefonaten mit Brian. Sein Kollege hält derweil in Glasgow die Stellung. Einen Toten gab’s. Meece Rooney, ein Kleinkrimineller, der seinem eigenen Stoff zu sehr zugetan war. Doch eines der Telefonate dient auch einem anderen Grund: Scott soll sich im Pub heftig mit Frankie White gestritten haben. Fast Frankie White – den kennt Jack Laidlaw. Einer seiner Klienten. Kurz bevor Scott vom Auto überfahren wurde, fielen einige unschöne Worte. Klangen fast wie Drohungen. Jacks Jagdinstinkt beginnt sich zu rühren.

Annas Verhalten ist mehr als merkwürdig. Ein Eisblock ist gegen sie eine Hitzewelle. Sie verkriecht sich in Edinburgh. Als Jack sie, seine Schwägerin, die Frau, bei deren Hochzeit er Trauzeuge war, die Frau seines toten Bruders über ihn befragen will, bekommt er nur kurzatmige Antworten. Carla, eine Freundin, die unbedingt bei dem Treffen dabei sein muss, scheint ihr näher zu stehen als der Bruder ihres verstorbenen Mannes.

Die Rätsel um Scotts Tod nehmen nicht ab. Aber sie bekommen Konturen. Wer ist der mysteriöse Mann im grünen Mantel, von dem Jack im Pub hörte? Annas einzige halbwegs menschliche Reaktion, die Jack vernehmen konnte, war bei der Frage nach eben diesem Typen. Er scheint das Licht zu sein, das den Nebel der Verschleierung durchschneiden kann. Ein Ausflug raus aus Glasgow, in die Vergangenheit sollte es werden. Nun ist es eine Ermittlung, die ihn wieder dahin bringt wo er herkam…

Es ist das Schicksal der Denker, immer auf das zu stoßen, was sie nicht zu treffen wagten. Sie erwarten es, und sind dann doch davon überrascht. Jack Laidlaw dafür zu rügen, wäre fatal. Auch wenn es manchmal scheint, als ob sich der Ermittler im eigenen Selbstmitleid, in seinen Selbstzweifeln ertränken würde, so sind es doch genau diese Ausflüge ins scheinbare Nirgendwo, die ihn menschlich machen.

 

Im Jahr 2015 starb mit William McIlvanney auch die Hoffnung, dass aus der Laidlaw-Trilogie vielleicht doch eines Tages mal eine Tetralogie werden könnte. Doch der Meister des Glasgow-Krimis hatte in seinem Nachlass noch ein Manuskript liegen, das die Hoffnung nicht komplett versiegen ließ. Und kein Geringerer als Ian Rankin, legitimer Nachfolger bzw. schon zu Lebzeiten McIlvanneys ebenbürtiger Schritthalter in Sachen Glasgows Unterwelt überließ man die ehrenvolle Aufgabe dieses Manuskript in einen Roman zu verwandeln, der den Vorgängern in nichts nachstehen soll. Yes mate, he did it!

Jack Laidlaw ist der Typ Bulle, den man sich als Angehöriger von Opfern wünscht. Und als Täter nur das Schlechteste an den Hals wünscht. Ein mürrischer Einzelgänger, dem das Elend der Kriminalität in seiner Stadt Glasgow nur ankotzt. Er kennt jeden Stein, und weiß, wer sich darunter verbirgt.

In einer Gasse hinter dem Pub von Conn Feeney liegt der leblose Körper von Bobby Carter. Anwalt. Auch und vor allem für die falschen Leute. Der Pub gehört in der Endkonsequenz John Rhodes, einer Größe in Glasgow. Eine Unterweltgröße. Und weil eben dieser Bobby Carter nun den letzten Atemzug getätigt hat, droht nach Ansicht vieler bald schon ein erbitterter Krieg. Denn Bobby Carter gehörte zu Cam Colvin, einer weiteren Unterweltgröße. Es liegt also ein Mann von Cam Colvin reglos in einer Pfütze im Revier von John Rhodes. Es könnte bald schon ziemlich ungemütlich werden. Und das nicht nur im Oktober 1972 in Glasgow, Schottland.

Jack Laidlaw ist nun Mitglied der Glasgow Crime Squad. Und seine Chefs kennen seinen Ruf als Eigenbrödler. Sie behalten ihm im Auge. Mehr als den Fall des toten Anwalts Bobby Carter. Doch Laidlaw ist ein ausgefuchster Schnüffler, in dessen Oberstübchen mehr los ist als beim Old Firm Derby. Dass seine Gedankengänge mit denen seiner Vorgesetzten nicht immer einhergehen, weiß er. Es stört ihn aber nicht. Und so macht er sich auf Spurensuche. Nach den Hintermännern und den Folgen der Tat. Dabei begibt er sich ständig in Gefahr. Allein gegen eine Horde Gangster, die kein Gewissen haben – Laidlaw bietet ihnen nicht nur die Stirn. Er knallt ihnen Dinge an den Kopf, die sie nicht mal buchstabieren können. Und zum Abschied einen Luftkuss. Die Methode wirkt. Während andere noch im Trüben fischen, weiß Laidlaw genau wonach er Ausschau halten muss. Er sagt’s bloß keinem.

Wieviel darf man im Vorfeld über einen Krimi noir verraten? Eigentlich nichts. Hier nimm! – Buch – McIlvanney – Rankin – Lesen! Eingefleischten Krimifans reicht das als Aufforderung zur Unterhaltung. Diejenigen, die Laidlaw noch nicht kennen, werden ihn lieben. Bleibt nur noch die Frage offen, ob „Das Dunkle bleibt“ ein echter Rankin oder ein McIlvanney ist. Diese Frage muss nicht abschließend beantwortet werden. Beide Schriftsteller verkörpern Glasgow. Beide holen das Dunkle der Stadt in ihren Büchern hervor. Beide sind Ikonen. Und was gibt es Besseres als wenn die Schnittmenge beider nun endlich einmal in den Vordergrund tritt? Fakt ist (und bleibt), dass hier das Beste aus zwei Krimiwelten aufeinandertrifft und mit brachialer Sprachgewalt das Genre um das Nonplusultra ergänzt.