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Nordspanien

Durch den Norden den Süden im Süden genießen. Klingt konfus. Wird aber nachvollziehbar, wenn man diesen Reiseband liest. Der Süden, das ist Meer, Sonne, Genuss, Erholung. So soll es sein, so ist es auch. Und Spanien, als Synonym für den Süden kann darüber hinaus noch mit dem eigenen Norden punkten.

Vor allem, wenn man sich lukullisch „weiterbilden“ will. San Sebastian, das Baskenland im Allgemeinen, ist eine Hochburg der genussreichen Küche. Die Kochclubs der Stadt, in der schon die Sisi viele ihrer Sommerfrischen verbrachte, sind mehr als nur ein Experimentierfeld des Bauchstreichelns.

Nordspanien – das ist auch der Jakobsweg, das letzte Teilstück. Das ist auch Rioja – eine Region, die dem Wein ihren Namen gibt. Das ist Bilbao mit dem Guggenheim-Museum – ikonisches Highlight und Must-Do in der Baskenmetropole, die in den vergangenen zwei Jahrzehnt wie kaum eine andere Stadt ihr Aussehen (zum Besseren) verändert hat. Und sonst?

Dafür nimmt sich Autor Thomas Schröder knapp sechshundert Seiten Platz. So erfährt man von abgelegenen Orten, die tatsächlich noch so etwas wie Geheimtippcharakter in sich bergen. Wie Laxe, ein kleiner galizischer Ort mit einem reizvollen weißen Dünenstrand. Hier rollt man nicht den üblichen roten Teppich für die Gäste aus, die Landschaft ist einladend genug. Ein bisschen muss man sich selbst einbringen, um Laxe zu finden, aber das Ergebnis entschädigt wohl für so manches Links-Und-Rechts-Schauen.

Auch die weniger bekannte Region Kantabrien sollte man im Vorfeld im Buch schon einmal besuchen. Über fast alle Grenzen hinweg ist der Santander. Dass hinter der Marke eine zauberhafte Stadt steht, die nach einem verheerenden Brand vor achtzig Jahren wieder komplett aufgebaut wurde, wissen nur wenige. Heute strahlt sie mit der Sonne um die Wette und bietet weitaus mehr als einladende Strände. Die Architektur lädt zum Bummeln ein, das Kunstmuseum ist ein Augenschmaus, innen wie außen.

Nordspanien mausert sich zu einer Region, die immer mehr Gäste anzieht. Hier ist es nicht ganz so heiß wie in Andalusien, kulturell muss man sich hier hinter keiner anderen spanischen Region verstecken. Der Terror der ETA, was sicherlich viele Gäste viele Jahre lang abgeschreckt hat hier die schönste Zeit des Jahres zu verbringen, ist vorbei. Asturien, Galicien, Baskenland, Kantabrien, Navarra, La Rioja und Kastilien sind auch dank dieses Reisebandes immer öfter mehr als nur erfragenswerte Antworten in diversen Quizshows, sondern liebevoll ans Herz gelegte Reiseziele.

Liparische Inseln

Inseln haben ihre eigene Faszination. Egal wie man steht, der Horizont ist immer das Wasser. Ein kleiner Kosmos, der auf dem Wasser treibt. Bei Inselgruppen kann es jedoch schon mal passieren, dass schnell das „Kennste-Eine-Kennste-Alle“-Gefühl aufkommt. Doch es gibt Ausnahmen. Wie die Liparischen Inseln.

Urgewaltig aus dem Leib der Erde wuchtig emporgestiegen, sind sie die Schönheitsflecken im Gesicht des Mittelmeeres. Feurig-brodelnd wie Stromboli. Wohlduftend und lieblich, so dass der Geldadel keine andere Wahl, um sich hier, auf Panarea niederzulassen. Exquisite Genusskultur auf Salina. Scharfe Einsichten auf Lipari. Jedes Vorurteil, ob des Namens bestätigend wie auf Vulcano. Entschleunigen auf Alicudi oder einfach nur in der Vergangenheit graben auf Filicudi. Sieben Inseln – sieben unterschiedliche Erlebniswelten. Auch wenn der Horizont …

Thomas Schröder widmet sich jeder dieser einzigartigen Inseln mit Hingabe. Schnell bekommt das das Gefühl hier zuhause sein zu können. Der Horizont als Limit? Nein, als Startpunkt für die nächsten Abenteuer! Immer wieder tauchen neue Abenteuer auf, die man unbedingt erleben muss. Ob nun zu Fuß rund um die Insel, was auf den Kleineren wie Alicudi und Filicudi deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt als auf Lipari. Oder mit dem Boot einmal einer der Inseln umrunden. Bergklettern. Ein Tipp im Voraus: Wer Inselhopping betreiben will, sollte Vulcano ans Ende seiner Reise setzen. Oder ganz sicher sein, dass am nächsten Ort rund um die Uhr eine Waschmaschine zur Verfügung steht. Denn hier brodelt nicht nur die Erde und dampft es an vielen Stellen, hier steigt einem unvermeidbar Schwefelgeruch nicht nur in die Nase, sondern vor allem in die Klamotten. Die Folgen kann man sich selber ausmalen.

Die Liparische Inseln sind das Zuckerli auf einer Reise durch den Süden Italiens. Kleinode im Meer, die sich bewusst auf Besucher einrichten und doch eine gehörige Portion Eigenwilligkeit in sich tragen. Und immer die Anreise berücksichtigen – auch dafür ist dieses Buch der ideale Unterstützer.

Ein Buch – sieben Inseln, alles drin, mehr braucht man nicht. Für schönes Wetter ist hier eh gesorgt. Die Reisevorbereitungen werden mit diesem Buch ein Klacks. Dann kann’s ja losgehen. Nicht vergessen: Die farbigen Kästen im Buch sind das Salz in der Inselsuppe und erleichtern hier und das sicher den Gesprächseinstieg. Denn so mancher Insulaner wird über das ausgeprägte Wissen der Gäste ins Staunen geraten… Garantiert!

Costiera amalfitana – Geschichte einer Landschaft

Eigentlich würde man die Region an der Küste bei Amalfi gar nicht erforschen. Zu steile Felsen, kaum Wege und Straßen. Und vor zweihundert Jahren gab’s nicht mal Übernachtungsmöglichkeiten. Olle Goethe hat deswegen diesen Landstrich mehr oder weniger mit Missachtung gestraft. Ha! Der arme Tropf! Reist nach Italien und schaut sich nicht einmal die Amalfiküste an! Das ist ja wie … Paris ohne Eiffelturm, San Francisco ohne zerrissene Jeans oder Barcelona ohne Tapas.

Dieter Richter – so steht es im Pressetext zum Buch – hat diese Region studiert. Ja, studiert. Die Amalfiküste – wenn man Traumjob googelt, muss das wohl dabei rauskommen.

Nun ja, es gibt viele Orte und Regionen, wo Italien am italienischsten ist. Meist hängt diese Bewertung vom eigenen gusto und Wissensstand ab. Und die costiera amalfitana ist sicherlich von Italienern überflutet, aber eben auch von so manchen sehnsüchtig nach Italien hechelnden Fremden, der, wenn er denn einmal einen Sitzplatz im ristorante am Meer ergattert hat, diesen nicht mehr hergeben will. Und somit zwar die Aussicht genießen kann, aber eben auch den Rest (die größere „Hälfte“) verpassen wird.

Dieses Wissensvakuum wird durch dieses kleine rote Büchlein gehörig mit Fakten, Analysen, Deutungen in hingebungsvollen Worten gefüllt, doch selber anschauen ist um Einiges mehr wert. So unwirtlich diese Gegend erscheinen mag – stramme Waden sind das Mindeste, was man erhält, nimmt man die Fußwege der Region – so sehr beeindrucket sie von jeher ihre Besucher. Hier versteckten sich Piraten, hier entstand die älteste Seerepublik Italiens, hier berauschten sich Künstler an ihrer Schönheit.

Eine Rundreise mit Dieter Richter ist ein Wissensflash der obersten Kategorie. Es gibt wohl kaum einer Zeile auf dieser Welt, die der Autor nicht vorher gelesen hat, um seinem Kompendium die nötige Fülle verleihen zu können. Von der regionalen Küche über römische Villen (und ihre durchaus pikanten bis geheimnisvollen Geschichten) bis hin zum touristischen Overkill der Gegenwart lässt er keinen Aspekt einer „natürlichen Entwicklung“ der costiera amalfitana aus.

Wer die Amalfiküste besucht, muss sich im Klaren sein, dass er niemals, oder nur sehr selten, allein sein wird. Man muss die Stille wirklich suchen – dafür gibt es Reisebände. Wer die Region verstehen, sie mit allen Sinnen aufsaugen will, der kommt um dieses Buch nicht herum. Das Standardwerk über eine der schönsten Landschaften der Erde!

Ein schwarzer Flügel in Florenz

Was für eine Reise! Ulrike Rauh ist einmal mehr in ihrem geliebten Italien. Und wie immer, wenn sie „nur“ mit Gepäck unterwegs ist, reist sie niemals allein. Ihre Neugier treibt sie förmlich in die Arme von Menschen und Kultur. Und was wäre Italien ohne Musik?!

Immer wieder lässt sie sich von Tönen, Harmonien, Melodien verführen innezuhalten oder vom eingeschlagenen abzuschweifen. Und immer trifft sie die richtigen Entscheidungen. In Florenz hat sie sich für zwei Monate eine Unterkunft gesucht, um einen Sprachkurs zu belegen. Doch schon der schwarze Flügel im Appartement der Gastgeberin weist ihr den Weg für die kommende Zeit.

Es sind die kleinen Geschichten in diesem außergewöhnlichen – ja fast schon einzigartigen – Reisebericht, die das Lesen zu einem rasanten Vergnügen machen.

Ulrike Rauh ist bei ihren Erkundungen bei so mancher Berühmtheit zu Gast. Sie lauscht den großen ihrer Zunft und entdeckt dabei so manches Talent. Was alle Geschichten vereint, ist die Tatsache, dass Musik ein verbindendes Element ist. Wer Musik liebt, kommt sich schnell einander nahe. Das spürt man in jedem Satz, den die Autorin dem Leser zwanglos anbietet. Man schwebt zwischen Dur und Moll, gleitet über die Tastatur der Klaviere und sie lernt dabei noch so manches neue Instrument kennen. Von einem Lyra-Klavier hatte sie noch nie gehört.

Die Leichtigkeit der Texte ist die Partitur, die Ulrike Rauh in wohlklingende Wort verwandelt. Auf Reisen kann dieses Büchlein der Trompetenstoß zum Eintauchen in die Welt der Musik sein.

Norddalmatien

Schon das Titelbild lädt zum Verlieben ein. Eine herzförmige Insel – Insel Galešnjak – lächelt dem Leser entgegen und macht Lust auf noch mehr Entdeckungen. Wie wäre es mit einer Klettertour in der Velika-Peklenica-Schlucht? Oder einfach nur die Seele baumeln lassen auf einer der zahlreichen Inseln in der Adria? Oder mal unter der Erde verschwinden wie einst Matthias Sandorf in dem gleichnamigen Roman von Jules Verne? Ist alles möglich in Norddalmatien.

Lore Marr-Bieger schient wirklich jede noch so kleine Insel zu kennen. Inselhopping bekommt in diesem Buch eine völlig neue Bedeutung. Selbst Einheimische scheinen hier noch etwas Neues entdecken zu können. Und für alle, die Angst haben mal einen Namen nicht ordnungsgemäß aussprechen zu können – die Konsonantendichte im Kroatischen ist teilweise zungenbrechend – für den sind die Inseln Pag, Olib oder Silba angstfreie Zone…

Die Region ist schon seit Ewigkeiten besiedelt. Umso erstaunlicher ist es wie gut erhalten so manches Kleinod noch ist. Zečevo ist so ein Kleinod. Eine klitzekleine Insel – aber mit großer Geschichte. Hier steht die kleinste Kathedrale der Christenheit. Und im Mai und im August, jeweils am Fünften, gibt es hier ein besonderes Schauspiel zu beobachten. Welches, das steht in einem der zahlreichen farbigen Infokästen, die jeden Ausflug zu einem besonderen Erlebnis machen.

Große, von Menschenmassen überlaufene Städte sucht man hier vergebens. Wer sich für Norddalmatien entscheidet, sucht (und bekommt) das komplette Erholungspaket. Und für alle, die dann doch ein wenig Action brauchen, wird ebenso gesorgt.

Es gibt keinen anderen Reiseband, der so umfänglich und detailliert die Region Norddalmatien abbildet und dem Leser/Gast ein derartiges Programm anbieten kann. Von versunkenen Schätzen bis hin zu versteckten Burganlagen in romantischen Bergen wie beispielsweise Ključica bleibt kein Wunsch nach Erholung und Abenteuer ungenannt. Immer wieder stößt man beim bloßen Durchblättern auf das eine oder andere „Das muss ich unbedingt auch machen“. Und selbst wer einfach nur sein Wohnmobil abstellen und das klare Wasser der Adria genießen will, bekommt hier die Tipps für die besten Badestellen.

Drei Schalen

Das Spannendste an einer Geschichte sind immer ihre Wendungen und wie die Protagonisten damit umgehen. Eine Geschichte ihre Wendung ist in den meisten Fällen langweilig bis belanglos. Hier nun der ultimative Beweis, dass Wendungen das Nonplusultra einer guten Geschichte sind. Und das gleich mehrfach.

Die sardische Autorin Michela Murgia lässt in einer Reihe von Geschichten das Leben der Akteure aus den Fugen geraten, es umdrehen, das Leben noch einmal neu beginnen. Jede Geschichte steht für sich allein und doch ergeben sie in Summe ein zusammenhängendes Bild.

Zum Hintergrund: Im Frühjahr machte Michela Murgia ihre Krebserkrankung öffentlich. Dankenswerterweise nicht so exzessiv wie so mancher Influencer, sondern bedacht und mit Würde. Kurze Zeit später verstarb sie. „Drei Schalen“ ist ihr Vermächtnis aus dieser Zeit. Und so wird gleich die erste Geschichte des Buches zu einer Reise ins Innere der Autorin. Eine Frau bekommt die Diagnose Krebs – Punkt! Doch wie damit umgehen. Und vor allem wie es den Anderen sagen. Mitleid erhaschen liegt ihr nicht. Vielleicht dem Umstand einen Namen geben? Der dottore, der ihr die Nachricht überbringt, ist am Ende seines Lateins. Die klaren Worte und Gedanken verwundern. Denn Krebs ist eine endgültige Diagnose, auch wenn es Ausnahmen gibt. So eine Wendung kann niemand erahnen. Vermuten schon, aber sie dann wirklich zu erhalten, ist ein anderes Kaliber. Es ist ein Leseschmaus, ihren Gedanken zu folgen. Auch wenn man das Ende – weil man die Autorin und ihre Bücher schon länger – kennt.

Und wie geht der Körper mit einer Wendung im Leben um? Eine Frau trennt sich von ihrem Freund. Mit einem Mal dreht sich ihr Magen um. Jeden Tag – das geht schon vorbei, denkt sie sich. Doch der Reflux bleibt hartnäckig Bestandteil ihres nun einsamen Lebens. Esseneinladungen sagt sie dankend ab – sie weiß nie, wann der Magen wieder einmal rebelliert. Auch hier wieder eine gefühlvolle Sprache, die gänzlich ohne anstößige Direktheit auskommt.

Fast erscheint es einem so als ob nur Michela Murgia sich diesem Thema widmen kann, ja sogar darf. Unbeirrbar und sanft analysiert sie Szenen von unglaublicher Tragweite mit der Leichtigkeit der Schreibfeder. Bei ihr haben Resignation und Trübsal keine Chance. Oft hat man schnell mit dem Begriff „Mutmacher“ zur Hand. Doch dieses Mal trifft es den Kern wirklich und mitten ins Zentrum.

Wenn das Schicksal gnadenlos zuschlägt, muss man gewappnet sein. Dieses Buch ist mehr als ein Schild gegen die Verzweiflung und Ausweglosigkeit einer unerwarteten Situation. Es ist ein stiller Wegbegleiter, der immer dann zur Stelle ist, wenn man ihn in seinen Händen hält.

Stadtluft Dresden, Nr. 8

Ein Stadtmagazin ins Leben zu rufen – es am Leben zu halten – „in diesen Zeiten – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Exklusive Tipps über die ultimativen Hotspots (die keiner kennt) bekommt man im Bruchteil einer Sekunde aufs Smartphone. Wohl deswegen dachten sich die Macher von Stadtluft, dass ein Bookzin wohl die bessere Lösung ist, um Dresdnern und Besuchern die Stadt näherzubringen bzw. schmackhaft zu machen. Es funktioniert!, so viel kann man schon mal verraten. Und das schon zum achten Mal.

Und das nicht nur wegen des Gewichtes: Mit Anderthalb Pfund Lesegewicht in der Hand kann man sich nötigenfalls auch mal den Weg durch pöbelnde Massen erkämpfen. Nein, das Bookzin Stadtluft besticht durch sein gedrucktes Schwergewicht auf 150 Seiten.

Die Artikel sind keine Appetithäppchen, die man zwischen zwei Haltestellen mal schnell liest und dann meist wieder vergisst. Es sind seitenlange Texte, Geschichten, Geschichte, Gedankenspiele, Erinnerungen und Visionen, die im Kopf haften bleiben.

Dresden wird sich niemals seiner Geschichte erwehren können. Der 13. Februar 1945 setzte ein Wundmal, das niemals vergessen wird. Kaum vorstellbar, dass in diesem gigantischen Bombenhagel (heutzutage werden derartige Vergeltungsmaßnahmen ganz anders eingeordnet) Menschen das (dunkle) Licht der Welt erblickten. Kaum zu glauben, dass die ersten Erinnerungen eines Menschen die an Trümmerhaufen und deren Beseitigung sind. Kein leichter Stoff für ein Bookzin, aber dennoch mehr als notwendig und eine Wohltat den Zeilen des Autors zu folgen.

Dann wiederum kommt eine Geschichte im Bookzin über eine Leidenschaft, die wenige mit echter Leidenschaft beseelt, die meisten mit Sammlertrieb gleichsetzen. Eine Bummel über den Flohmarkt. Gerd Püschel gehört seit Jahrzehnten zur ersten Gattung. Er ist leidenschaftlicher Sammler, und Kenner. Der Elbeflohmarkt an der Albertbrücke rühmt sich der älteste in Dresden zu sein. Hier ist Gerd Püschel in seinem Element. Wie ein Spürhund stöbert er, frohlockt, wird skeptisch und saugt die Anmerkungen der Besucher wie ein Staubsauger auf. Und bläst sie wie kleine amuse gueule über seinen Gedankenteppich. Mal zum Schmunzeln, mal echte Wortschätze. Und im Handumdrehen liest man sich in einen Rausch und weiß, dass der nächste Dresdenbesuch früh am Morgen beginnen muss, wenn die Händler ihre Gabentische aufbauen. Das schafft kein Stadtmagazin. Dazu bedarf es eines Bookzins.

Und am Abend geht es ins Konzert – vielleicht sogar zu Sven Helbig. Er arbeitete mit Rammstein und den Pet Shop Boys (die haben ja auch eine innige Verbindung zur sächsischen Landeshauptstadt). Das Interview mit ihm ist ebenso ein Festschmaus für Kulturkenner wie Neuentdeckung für alle, die Helbig noch nicht kannten.

Stadtluft, Nummer Acht ist gerade erschienen und in ausgewählten Buchhandlungen erhältlich, ist ein Magazin, das man lange bei sich behält. Bricht man es auf normales Buchformat runter, so hat man ein echt dickes Stück Lesevorrat bei sich. Der Appetit kommt bekanntlich beim Essen. Hier beginnt er schon beim optisch einmaligen und ausführlichen Inhaltsverzeichnis. Ein Magazin, das auch Leipziger (die sich mit den Dresdnern nicht automatisch gut verstehen – ähnlich der Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf) und andere Auswärtige mit Genuss einverleiben können, da die Stadtwerbung wegen ihrer Unaufdringlichkeit so nachhaltig wirkt.

Görlitz

Görlitz ist vielleicht eine der unterschätztesten Städte, nicht nur im Osten, sondern deutschland-, wenn nicht sogar europaweit. Seit fast eintausend Jahren ist auf den Landkarten verzeichnet, dennoch erinnert man sich in jüngster Zeit eigentlich nur an die Stadt, wenn es um Hollywood-Filme geht. Die Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt“ und „Grand Hotel“ sind die prominentesten Beispiele dafür. Doch schon in den 50er Jahren wurden hier in historischen Kulissen Filme gedreht.

Doch hier ist nicht einfach nur Kulisse. Seit fast dreißig Jahren erhält eine Stiftung für die Erhaltung des einmaligen architektonischen Ensembles einen mittleren sechsstelligen Betrag – von anonymer Seite. Viele rühmen sich den Namen zu kennen – aber pssst, niemand verrät ihn. Das Ergebnis ist schlussendlich ja auch das, was zählt.

Dass Görlitz zusammen mit der Bruderstadt Zgorzelec auch Europastadt ist, ist darüber hinaus auch nur wenigen bekannt. Grund genug die Stadt an der Neiße gründlich unter die Lupe zu nehmen. André Micklitza macht das in diesem Fall. Und zwar auf beeindruckende Art und Weise. Der erste Blick auf die blanken Zahlen lässt erst einmal nur Nüchternheit hervorluken. 55500 Einwohner, 30 Quadratkilometer Fläche sprechen nicht gerade für ein Füllhorn an Attraktionen. Wenn man immer nur auf die Highlights schaut, mag man da auch teilweise richtig liegen.

In Görlitz ist die Summe der scheinbaren Kleinigkeiten entscheidend. Ohne den üblichen Kitsch wandelt man durch eine Stadt, die sich ihrem Charme hart zurückerobert hat. Nach und nach sind seit der Wende Häuser, Straßenzüge, ganze Viertel wieder in ein Licht gerückt worden, das so hell strahlt, dass sich so manches Kleinod von Portland bis Kerala, von Helsinki bis Montevideo warm anziehen müssen. Das beginnt beim allseits eingangs erwähnten Görliwood und hört noch lange nicht auf, wenn man die Jahrhunderte alten Gebäude mit steifem Nacken in voller Gänze erblicken will. Wer einmal die Nikolaivorstadt nicht nur als Wiege der Stadt verstanden hat, sondern ihrem Reiz mit dem ersten Schritt erlegen ist, wird nicht mehr aufhören von Görlitz zu schwärmen.

Doch der Streifzug durch Görlitz mit André Micklitza endet nicht vor so manchem romantischen Ort, er geht weiter, wenn man die Oder überquert. Zgorzelec am östlichen Ufer der Neiße steht dem Pendant im Westen (wo früher einmal der Osten für viele endete) in Nichts nach. Erst seit 1945 gehört es zu Polen, war einmal die Neißevorstadt. Wenn nicht die vielen Straßenschilder, die Werbung in den Auslagen in einer anderen Sprache – Polnisch – geschrieben wären, man würde den Grenzübertritt kaum bemerken. Ein einzigartiges Phänomen europäischer Kultur. Und selbst, wenn man sich auch durch dieses Kapitel des Buches voller Vorfreude gelesen hat, ist die Reise noch nicht zu Ende. Bis ins Berzdorfer Seengebiet, bis Ostritz und Niesky sowie die Königshainer Berge (für LKW-Fahrer der A14 durchaus mit häufiger auftretendem Grausen verbunden) bekommen die Anerkennung, die ihnen zusteht. Görlitz wird dank dieses Reisebuches so manchem von der Couch oder aus dem Lesesessel aufspringen lassen. Und sei es nur das bisher Unfassbare zu erleben.

66-Seen-Wanderung

Sechsundsechzig Seen, rund um Berlin, vierhundertfünfundzwanzig Kilometer – klar, dass man da ein wenig Hilfe braucht, um nicht das Eine oder Andere zu verpassen. Manfred Reschke und Andreas Sternfeldt kennen jede seit 2003 erfasste und ausgeschilderte Route aus dem FF. Was an sich schon mehr als genug ist. Doch in ihrem Reiseband machen sie so manchen Abstecher nach Links und Rechts – erlaubterweise, denn Teile der Route sind Naturschutzgebiet, wo Abstecher nicht so gern gesehen, oft sogar verboten sind. Zu Fuß, auf dem Rad, allein oder in Familie – diese Routen überfordern keinen Wandersmann und keine Wandersfrau übermaßen. Berge sind hier Hügel, und Aussichten stoßen erst am weit entfernten Horizont an ihre Grenzen.

Die für dieses Buch erstellten Wanderkarten sind exakt und ohne Einschränkungen zu benutzen. Und jede Strecke wird vollumfänglich beschrieben, so dass es beim allabendlichen Rückblick keine Wissenslücken gibt. Eine der berühmtesten – und sicher auch eine der am meisten begangenen Routen ist die auf den Spuren von Theodor Fontane. Pflichtlektüre im Handgepäck, dieses Reiseband immer in Griffweite und schon wird der sandige Boden Brandenburgs zur trittfesten Unterlage für jeden, der in Spuckweite der Weltstadt Berlin Grün, Ruhe und Erholung, gepaart mit Forscherdrang und Abenteuerlust sucht.

Jede einzelne Wanderung – siebzehn Etappen – beginnt mit einem kurzen Überblick, was den Forschungsreisenden erwartet. Die Beschaffenheit des Weges ist mindestens genauso wichtig die die zurückzulegende Strecke. Ebenso Tipps wo man mal schnell ins kühle Nasse springen kann. Schließlich ist man ja auf der Pirsche zwischen Seen und Flüssen. Und wenn man sich vor lauter Glücksgefühl mal die Zeit vergessen hat, und man ganz schnell die Orientierung wieder finden muss, ist jede Etappe mit GPS-Daten zum Runterladen versehen. Es kann also nichts passieren. Außer eine einzigartige Erholung auf einzigartigen Wegen, vorbei an einzigartiger Natur.

Die einzige Schwierigkeit besteht darin, die 240 Seiten ohne freudiges Füßetrappeln zu überstehen. Denn schon mit den ersten Kapiteln steigt die Ungeduld endlich mal wandern zu gehen (besonders ausgeprägt bei noch nicht bekehrten Wandermuffeln).

Im Reigen der Wanderführer – auch über Brandenburg – nimmt dieser Reiseband eine besondere Stellung ein. Noch nie wurde in eine Region so anschaulich eingeladen. Und zwar komplett frei von der Angst etwas Einzigartiges durch massenhaften Besuch zu zerstören. Wer im Berliner Umland von See zu See wandern möchte, kommt um dieses Buch nicht herum. Von Stausberg bis Potsdam, von Leuenberg bis Leibsch, von Bad Saarow bis Seddin findet man das, was Erholung ausmacht, nur in diesem Buch.

Oben in der Villa

Man kann getrost davon ausgehen, dass sich Mary ihr Leben anders vorgestellt hatte. Reich heiraten und glücklich sein mit dem Mann, der sie so behandelt wie es sich gehört. Anfang Zwanzig ist sie gerade einmal. Und schon Witwe. Ihr Mann hatte das Vermögen mit vollen Händen rausgeschmissen, die Gläubiger stehen bei ihr Schlange. Ein befreundetes Paar bietet ihr an in ihrer Villa mit herrlichem Blick auf Florenz die Zeit zu verbringen bis die Zeiten wieder besser sind.

Für Edgar hingegen bahnen sich verheißungsvolle Zeiten an. Wenn alles klappt, ist er bald schon Gouverneur von Bengalen. Eine respektvolle Position. Die man allerdings am besten mit einer Dame an der Seite bewältigen sollte. Und diese Dame soll … Mary sein. Beide sind sich des Altersunterschiedes bewusst. Und Mary will Edgar bei Weitem nicht heiraten, weil sie verliebt ist. Nein. Sie weiß auch gar nicht, ob Edgar eine Option für sie wäre. Wenn er zurückkommt – vielleicht oder hoffentlich mit dem Job in der Tasche – dann will sie ihm bereitwillig Antwort geben.

Bis dahin sind es aber ein paar Tage…

Ein wenig Zerstreuung tut ihr gut. Eine Gesellschaft, wie sie sie schon so oft erlebt hat, soll sie von der Frage Edgars ablenken. Doch es ist wie immer das Gleiche. Alle Männer scharwenzeln um sie herum, preisen ihre Schönheit, ihre Anmut und … wollen doch alle nur das Eine. Mary weiß das alles. Sie ist siech ihrer Schönheit und der daraus resultierenden Wirkung auf Männer mehr als bewusst. Und so kann sie sich ganz ungeniert der Avancen erwehren. In der Hinterhand hat sie schließlich den vielleicht baldigen Vizekönig von Indien!

Im garten trifft sie auf einen Mann, sie kennt ihn. Kein verwöhnter Schnösel, wie die zahlreichen Männer auf der Party. Charmant und ein Stück weit ehrlicher als alles, was sie bis jetzt an diesem Abend erleben durfte / musste. Doch der Liebreiz des lauen Abends schlägt fast ohne Vorwarnung in einen heftigen Orkan um. Nur gut, dass Edgar darauf drängt, das sie den Revolver mit sich nahm. War das wirklich eine so gute Idee?! Schon bald muss Mary um Hilfe bitten bei einem Menschen, den sie kurz zuvor noch gewaltig vor den Kopf gestoßen hat.

William Somerset Maugham schafft eine Szenerie, in der das Böse einfach keinen Platz haben darf. Eleganz und Sorgenlosigkeit sind der Nährboden auf dem Mary ihr neues Leben aufbauen soll. Doch es wird ein Hort unendlichen Leids und voller Zweifel. Wo eben noch die jugendliche Leichtigkeit den Sieg über jedweden Zweifel feierte, herrschen mit einem Mal Verunsicherung und schreckliche Angst.