Bei Mannschaftssportarten ist es ganz einfach: Alle, die das gleiche Trikot wie man selbst übergestreift haben, kann man vertrauen. Sie alle haben das gleiche Ziel. In diesem Roman, in dieser Trilogie ist nichts wie es scheint. Da ist Michael Wild, Arzt aus Deutschland, lebt in den USA. Von einem Tag auf den anderen – so scheint es – wechselt er das Trikot und wird Journalist. Eine Auszeit soll es sein. Er will recherchieren, zu Transhumanismus. Das ist die menschgeschaffene Evolution. Ein Wissenschaftszweig, der technischen Fortschritt mit der Weiterentwicklung des Menschen, des menschlichen Körpers vereint. Das ewige Leben schwebt über diesem Wissenschaftszweig wie ein Damokles Schwert.
Michael besucht auf dem Weg zu einer Konferenz seine Eltern. Mutter Julia fiebert dem Wiedersehen mit einer gehörigen Portion Zweifel, Angst, aber auch Vorfreude entgegen. Henry, der Mann an Julias Seite, ist nicht minder aufgeregt. Denn zwischen Mutter und Sohn kriselt es schon seit einiger Zeit. Als Michael sich jedoch entgegen seiner Angewohnheit nicht wieder bei ihr meldet, wird Julia skeptisch. Mutterinstinkt vs. besonnener Zurückhaltung. Es siegt der Mutterinstinkt!
Ihr ist das Thema Transhumanismus nicht geläufig. Dass ihr Sohn seine Karrierepläne erstmal auf Eis gelegt hat und bei diesem Thema eine Bissigkeit an den Tag legt, macht sie mehr als neugierig. Mit Hilfe von einer Kollegin Henrys lässt sie Michael Email-Konto entschlüsseln und sich auf geheimen Wegen diese zukommen. Denn Julia hat eine Vergangenheit. Mehr als nur ein dunkles Geheimnis. Den Kopf einziehen – das kennt sie. Schon lange und … immer noch! Auch wenn so mancher Interviewpartner Michaels und somit in Julias Fokus geratener Gesprächspartner scheinbar das gleiche Trikot trägt wie sie, ist sie vorsichtig. Man weiß ja nie, wer welche Ziele verfolgt. Und nicht erst als ihr die Tragweite ihrer Suche und das immense Interesse ihres Sohnes an menschlicher Optimierung bewusst wird, merkt sie, dass sie in einem Strudel herumwirbelt, dem sie nach (normalem) menschlichem Ermessen nur nachgeben kann. Doch nachgeben oder gar aufgeben war noch nie eine Option für sie. Schon gar nicht als sie auf eine Nachricht vom anderen Ende der Welt (geographisch wie ideologisch) stößt: Andrej ist tot. Millionär, der sein Geld in einer Branche verdient(e), die sensible Technologien herstellt… Julia ist schockiert, am Boden und vor allem … überrascht!
Petra Ivanov, die mit ihrer Krimireihe um die Züricher Staatsanwältin Regina Flint und ihren Freund Bruno Cavalli mit ihrer peniblen Recherchearbeit das Krimigenre auf eine neue Ebene gehoben hat, gelingt dem ewigen Zweifeln an Fortschrittsgedanken im Menschsein wiedermals eine entscheidende Richtungsänderung. Statt permanent wilde Zweifel populistisch zu schüren, gibt sie den Blick frei für die tatsächliche Tragweite der Forschung um künstliche Intelligenz und dem Traum vom ewigen Leben. Grenzüberschreitungen in jedweder Hinsicht sind für sie und ihre Helden üblich wie das routinemäßige Weckerklingeln eines Schichtarbeiters. Doch hier endet die Routine. Bis in kleinste Detail führt Petra Ivanov den Leser in eine Welt, die sonst nur in Magazinen und Nachrichten oberflächenbehandelt wird. Und das Beste kommt ja noch: „Kryo – Die Verheißung“ ist nur der Auftakt zu weiteren Büchern. Zwei, um genau zu sein.