In meinem Herzen alles Sieger

Es ist immer noch ein Ereignis – trotz aller Totsagungen wegen anhaltender Skandale – Sportlern bei einer Sportart zuzusehen, die man selbst schnell erlernen und fast ein ganzes Leben lang ausüben kann. Der Giro d’italia ist zusammen mit der Tour de France der Zuschauermagnet des Sommers. Sowohl vor Ort als auch von zuhause aus auf der Couch.

Fabio Genovesi hatte einen Kindheitstraum: Einmal am Giro teilnehmen. Das wurde nichts. Zumindest nicht als Aktiver. 2013 wurde sein Traum gewissermaßen wahr. Als Reporter durfte er die Radrundreise begleiten. „In meinem Herzen alles Sieger“ ist das Ergebnis nicht nur tiefgreifender Recherchen, sondern vor allem ein emotionales Herzstück, das diese Leidenschaft für ein Sportereignis, das nur einmal im Jahr für drei Wochen stattfindet, die Fans fesselt und zu Höchstleistungen der Schreibfeder anstachelt.

Natürlich geht es auch um Sieger und Besiegte in diesem Buch. Massensprints, deren Ergebnis eine ganze Etappe auf den Kopf stellen können. Oder Ausreißversuche, die manchmal gelingen und ein Hurra hervorrufen oder eben zum Scheitern verurteilt sind und nicht mehr als ein „Hab ich’s doch gesagt“ zurücklassen.

Der Reporter Genovesi macht das, was ein Radprofi während des Wettkampfes niemals machen darf. Er bricht zwar aus, aber nicht nach vorn, sondern nach links und rechts. Und da trifft er dann Menschen, die den Giro wirklich zu dem machen, was er ist: Ein Ereignis, das man nie mehr vergisst.

Ein chinesischer Reporter erzählt ihm wie schwierig es ist, in seinem Land ein Radrennen zu verfolgen. Überall Sicherheitskräfte. Als Fan muss man da sehr erfindungsreich sein. In der Nähe von Bari muss die Wegführung verlagert werden, weil die eigentliche Streck zu gefährlich für die Fahrer geworden ist. Zu glatt, weil am Tag zuvor ein fest gefeiert wurde und überall auf der Straße Wachs verteilt liegt.

Das Besondere an diesem Buch ist die Tatsache, dass die Reportagen alle schon im Corriere della Sera erschienen sind. ABER: Für dieses Buch hat Fabio Genovesi sie noch einmal (um-)geschrieben. Soviel Mühe muss man sich erst einmal machen. Und eines ist sicher: Wenn im Sommer der Giro wieder im Fernsehen übertragen wird, liegt die Fernbedienung außer Reichweite des Zuschauers. Dieses Buch hingegen in greifbarer Nähe.

Florenz abseits der Pfade

In einer Stadt wir Florenz braucht man keinen Reiseband. Die ganze Stadt ist ein Museum, das man mit alle Sinnen aufsaugen kann. Mag ja alles seien Richtigkeit haben. Aber, wenn man dann nach einer Reise erfährt, was Andere alles erlebt haben und man selbst dann doch nur den Massen gefolgt ist, setzt ziemlich schnell Ernüchterung ein. Ergo: Man braucht einen Reiseband in dieser zauberhaften Stadt.

Susanne Vukan reist mit dem Leser, dem Besucher durch eine Stadt, die mit ihren Reizen so gar nicht geizt. Ein Wunder, dass die Renaissance nicht nach der Stadt am Arno benannt wurde. Doch sind es eben diese offensichtlichen Reize, die die Sinne schnell überfordern. Permanent muss man staunenden Touristen ausweichen, die unvermittelt mitten im Weg stehen bleiben, weil sie etwas entdeckt haben, was vor ihnen noch nie jemand gesehen hat. Festes Schuhwerk und trainierte Knöchel sind Grundvoraussetzung für die Besichtigung der Stadt.

Wer jedoch dort abbiegt, wo andere treu geradeaus laufen, wird eine Stadt entdecken, die so in nur ganz wenigen Büchern beschrieben wurde – derart kompakt, noch nie zuvor.

Die Autorin lässt beispielsweise Antiquitäten für sich selbst sprechen. Das bisschen Vorbildung, das man sich angeeignet hat, reicht vollkommen aus, um der Stadt ein ums andere Mal ein kleines Geheimnis zu entlocken. Susanne Vukan ist dabei die ideale Reisebegleiterin, die mit dem Finger auf das zeigt, was wirklich wichtig ist.

Auf allen Spaziergängen durch Florenz schwingt ein Hauch von Exklusivität mit. Mal ist es auch der Duft von Kaffee und Schokolade. Denn auch lukullische Genüsse dürfen in einem Buch über Florenz nicht fehlen. Immer wieder wird man dieses Buch aufschlagen und die Autorin nach dem Weg zu den versteckten Highlights fragen. Wo die sind? Wie sie heißen? Das muss man schon selber lesen und erkunden. Nur eines sollte man nicht tun: Sie außer Acht lassen! Jedes Wort sitzt, jedes Foto macht Appetit, jeder Absatz eine Offenbarung, jede Seite verspricht Sehnsuchtsorte … und hält jedes Versprechen. Besonders zu empfehlen: Das letzte Kapitel im Buch. „Meine Genuss- und Wohlfühlstrecke“. Caffé, Pasta, gelato zwischen palazzi, giardini und einmaligen Aussichten.

„Florenz abseits der Pfade“ ist ein unerlässlicher Reisebegleiter, den man nicht unterschätzen sollte. Auf rund zweihundert Seiten lernt man eine Stadt kennen, die zu den am meisten besuchten Städten in Europa gehört. Klar, dass man hier und da in die Falle des Offensichtlichen tappen wird. Als eifriger Leser dieses Buches verringert sich diese Gefahr auf die Zahl Null. Man muss nur lesen und der Autorin folgen.

Rom abseits der Pfade

Es gibt Orte, die hat in binnen weniger Stunden durchlaufen und man hat alles gesehen. Dann tauchen Orte vor dem geistigen Auge auf, bei denen man weiß, dass es schon ein paar Tage braucht, um sie vollends erkunden zu können. Und dann gibt es Rom. Die Ewige Stadt (was kein Marketing-Scoop übereifriger Strategen ist, sondern der Wahrheit entspricht). Selbst, wenn man jahrelang in der Stadt lebt, wird man immer wieder etwas entdecken, das man noch nie zuvor gesehen hat. Auch wenn das so manchem Veranstalter von geführten Touren nicht ins Werbekonzept passt.

Elisabetta de Luca hat in der Abseits-Der-Pfade-Reihe schon mit ihrem Napoli-Band (ihrer Geburtsstadt) bewiesen, dass ihre Abstecher in kleine Gassen zum Erfolg führen. Ihre Anekdoten sind unterhaltsame Wegbegleiter. Ihre Tipps treffen stets ins Herz des Besuchers.

Und nun Rom! Eine riesige Stadt, die Historie nicht einfach nur abbildet, sondern sie tagein tagaus lebt. Es ist das sprichwörtliche Paradies auf Erden. So nennt die Autorin auch ihr Kapitel über die giardini di Roma, die Gärten Roms.

Hat man genug von palazzi und mercati, von Bernini und Co., tut ein Tag in ruhigeren Gefilden gut, um den Akku wieder aufzuladen. Geht das überhaupt? Ruhe in Rom? Si, mit endlos vielen I möchte man hinausschreien. Die Gärten waren als Ruheoasen angelegt worden. Und über die Jahrtausende wurde dieses Ansinnen auch gepflegt. Wo eine Mauer, da oft ein Garten. Wo ein schönes Tor, einfach mal vorsichtig reinschauen und die Stille genießen. Das sind die Tipps, die man gern beherzigt, wenn die Autorin sie vorgibt. Wo man diese Mauern und Tore findet, das weiß sie auch ganz genau.

Und wenn nach so viel Erholung der Magen knurrt, macht sie einem auch gleich noch Appetit. Immer wieder lässt sie in ihre Erkundungstouren Rezepte (echt römisch!) einfließen. Appetitmacher im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Mythos Rom wird in diesem Buch nicht entzaubert. Ganz im Gegenteil: Er wird mit jedem Umblättern gesteigert, oft sogar potenziert. Die Abbildungen – von Graffiti bis zu den elegantesten Passagen – machen Lust auf mehr. Mehr Rom. Mehr Geschichte. Mehr Urlaub. Und den steten Drang immer wieder zu kommen, um dem Irrglauben zu erliegen, die Stadt komplett erfassen zu können. Das ist unmöglich. Aber mit diesem Buch kommt man diesem Ziel einen ordentlichen Schritt näher…

Renée Sintenis – Berlin, Bohème und Ringelnatz

Wer über die Autobahn in Berlin einfährt, hat bestimmt schon mal die Plastik mit dem Berliner Bären wahrgenommen. Ab hier ist man nun endlich in Berlin! Doch wohl kaum jemand macht sich die Mühe darüber nachzudenken, wer diese Plastik geschaffen hat. Das ändert sich mit diesem Buch!

Denn die Künstlerin, die Mutter dieses Bären ist Renée Sintenis. Nie gehört? Nur für Kunstliebhaber, für Menschen, die sich mit Kunst der 20er Jahre und ihrem –betrieb beschäftigen, hat der Name Sintenis einen wohlklingenden Nachhall. Ein große Künstlerin, nicht, weil sie einen Meter achtzig groß war – nein, weil sie im Berlin der Weimarer Republik einen Namen hatte.

Sie half unter anderem Joachim Ringelnatz durch ihre Verbindungen zu überleben. Durch sie bekam er die Möglichkeit seine Werke – er malte auch – an den Manne oder die Frau zu bringen. Ihre ausdrucksstarken Skulpturen fanden reißenden Absatz. Der Galerist Alfred Flechtheim stellte sie aus.

Doch die Erfolgszeit ist begrenzt. Ihr Mann Emil Rudolf Weiß wurde früh schon als arisch eingestuft. Sintenis Vorfahren hatten jüdische Wurzeln. Weswegen sie aus der Akademie der Künste ausgeschlossen wird. Ihre Antwort auf die Aufforderung zeigt glasklar ihren freien Geist – wenn sie gehen soll, muss man sich ausschließen.

Die Galerie Flechtheim muss ebenfalls schließen. Alex Vömel übernimmt das gesamte Werk, unverdächtig, weil aktives Mitglied im Reigen des neuen Kunstbetriebes. Und seine Galerie ist bis heute die wichtigste Adresse für das Werk Renée Sinetnis’…

Silke Kettelhake rückt eine Künstlerin wieder in den Fokus der Kunstwelt, die bislang nur einem begrenzten Kreis zugängig war. Ihre Biographie über Renée Sintenis ergänzt die blue-note-Reihe um ein wertvolle Künstlerin, die es wieder zu entdecken gilt.

Die Affaire Moro. Ein Roman

„Es hatte keine Bedeutung für mich. Es war nur eine Affaire.“, so klingt es in einem schmalzigen Roman mit happy end. Und wenn man die Geschichte der Entführung von Aldo Moro, des ehemaligen (und zweimaligen) italienischen Ministerpräsidenten im Jahr 1978, unter dieser Phrase betrachtet, schauert es einem.

Im März 1978 entführten die Brigate rosse mit einem gewaltigen Waffenarsenal ausgestattet den Vorsitzenden des Nationalrates der Democrazia Cristiana. Nach 55 Tagen fand man seine Leiche, abgestellt in einem Kleinwagen. Offiziell hatte man alles getan, um Aldo Moro aus den Fängen der Entführer zu befreien – das liest sich gut. Klingt auch glaubwürdig… aber nur auf den ersten Blick. Zu tief waren die Gräben zwischen den Idealen des gläubigen Christen und den Machenschaften seiner Gegenspieler. Italien war in einer der heftigsten Wirtschaftskrisen des Landes. Moro wollte eine Allianz aller Parteien, um dieser Krise Herr zu werden. Er scheute auch nicht mit der Kommunistischen Partei zusammenzuarbeiten. Soweit die nüchternen Fakten. Was aber hinter verschlossenen Türen in den Parteizentralen, den Gremien, im Vatikan, in Ministerien besprochen wurde, ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt.

Schon im Jahr der Entführung schrieb Leonardo Sciascia „Die Affaire Moro. Ein Roman“. Sciascia, eines der Sprachrohre der Intellektuellen Italiens. Der Mahner. Der Wachrüttler. Der Unbeirrbare. Man kann bis heute nicht über die Entführung Moros sprechen ohne dieses Buch gelesen zu haben. Je weiter man sich in dieses Buch vertieft umso abstoßender  wirkt das handeln (bzw. das Nicht-Handeln) derer, die etwas hätten tun können. Eine Verbindung zur Affaire Dreyfus und Zolas „J’accuse“ („Ich klage an“) sind nicht von der Hand zu weisen.

Man stelle sich nur einmal vor, Derartiges würde heutzutage passieren. Mit den Möglichkeiten der sozialen Medien wäre das Wirrwarr der Wahrheiten um ein Vielfaches größer als noch vor fünfundvierzig Jahren. Straßensperren, gestammelte Statements aus der ersten Reihe bis hin zu den Hinterbänklern und denen, die nach vorne drängen. Politische Gegner, die im politischen Kalkül jedweden Respekt verlieren. Das Leid der Betroffenen würde durch den medialen Druck noch verstärkt werden. Die Täter – ebenso unter einem gesteigerten Druck – würden mehr Kraft aufwenden müssen, um einen klaren Kopf zu behalten. Und das Opfer? Abgeschnitten von der Außenwelt. In ständiger Ungewissheit. So wie damals.

Noch immer gibt es kein Rezept gegen derartige Terrorakte gegen den Staat. Es wird sie niemals geben. Auch wenn man sich noch sehr bemüht oder es zumindest vorgibt. Die Lehren aus diesem Buch, aus der Affaire Moro, sind immer noch nicht gezogen worden. Und das ist die traurige Erkenntnis, die Leonardo Sciascia auch vorhergesehen hat. Auch deswegen ist dieses Buch immer noch wichtig und lesenswert. Der neuen Ausgabe ist ein Essay des (ebenso wie Sciascia) sizilianischen Schriftstellers Fabio Stassi angefügt. Selbst nach Jahrzehnten lässt auch ihn die Affaire Moro keine Ruhe. Das unterscheidet sie von so vielen Affairen aus rührseligen Romanen.

Den Teufel im Leib

Mit nicht einmal zwanzig Jahren einen Skandalroman zu veröffentlichen, sich in Künstlerkreisen „herumzutreiben“ und eine gewichtige Zeitschrift zu gründen … macht sich immer gut im Lebenslauf. Auch wenn es, wie im Fall von Raymond Radiguet nur zwei Jahrzehnte dauert.

Gleich sein erster Roman – dieser hier – „Den Teufel im Leib“ schlug ein wie eine Bombe. Ein moralischer, moralisierter, moralisierender Aufschrei. Wie kann er nur?! Ein Fünfzehnjähriger verliebt sich in eine ein paar Jahre ältere Frau. An sich nicht weiter verwerflich. Doch der junge Bengel hält mit seinen Gefühlen nicht hinterm Berg.

François hat sich vom ersten Moment an in Marthe verliebt. Und Erfahrungen als Don Juan – wie ihn sein Lehrer einst mahnend nannte – hatte er schon früher. Und irgendwann ist auch Marthe dem Werben unterlegen. Und das obwohl ihr Verlobter im Feld für die Ehre Frankreichs kämpft. Es ist die Zeit der Grabenkämpfe und der ersten perfiden Versuche mit Giftgas das gegnerische Soldatenvolk zu schädigen. Und schon bald schleicht sich François aus dem elterlichen Haus, um nicht nur eine Nacht bei seiner Marthe zu verbringen. Die Notlüge mit der Wanderung zusammen mit seinem Freund platzt alsbald. Die Mutter ist entrüstet, der Vater schmunzelt nicht mit einem gewissen Stolz auf den Lippen.

François und Marthe sind kein Paar. Sie sind zwar zusammen, doch in der ländlichen Idylle sind derartige Liaisons schändlich. Wenn nicht sogar teuflisch! Aber vor allem nicht ohne Folgen…

Das Buch ist tatsächlich schon einhundert Jahre alt. Und erscheint nun in deutscher Sprache, in der Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel. Den kennen einige sicher als sprachbegabten Wortwisser der Sendung Karambolage auf arte. Mit Verve verleiht er dem Jubilar einen modernen Anstrich. In übermoralisierten Zeiten, in denen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt zu werden scheint, kommen so manchem Moralapostel und leichtgläubigem Mitläufer einige Zeilen tatsächlich immer noch skandalös vor. Auch der Fortschritt hat eine Vergangenheit, auf die er gern zurückschaut…

Jean Cocteau zählte Raymond Radiguet zu seinen Freunden. Auszüge aus einigen Briefen und vor allem die typischen Cocteauzeichnungen vervollständigen zusammen mit Gedichten von Radiguet die Komplexität dieses Buches. Rasch liest man das Buch. Mit offenem Mund frisst man sich durch den Anhang. Mit weit aufgerissenen Augen staunt man über das kurze, ereignisreiche Leben des Autors. Und dann fängt man von vorn an. Immer wieder und wieder und wieder…

Toskana

Gibt es eigentlich ein Klischee über Italien, das die Toskana nicht erfüllt? Wahrscheinlich nicht. Elegant, wild, grazil – voller Abenteuer, in jeder Hinsicht. Autor und Verleger war sicher mehr als zwanzig Mal in der Toskana. Und bei jeder Reise hat er etwas mitgebracht, um etwas seinen Reisebuchkoffer zu packen. Dieses Mal – zum zwanzigsten Mal – sind es 800 Seiten prall gefüllter Lebenslust, die den Leser, Reisenden, Italienfan weit aufgerissene Augen und ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern.

Der Norden ist mit Florenz und Siena ein an Kostbarkeiten und Augenschmaus übervoll gesegnetes Areal, das man eigentlich kaum noch vorstellen muss. Und trotzdem wird so mancher Toskana-Fraktionär sich eines Staunens nicht erwehren können. Beispielsweise, wenn man die zahlreichen farbig unterlegten Kästen liest. Da erfährt man so allerlei, wie über die Wahlen früher in Lucca abgehalten wurden. Vielleicht nicht unbedingt nachahmenswert, aber wenn man schon mal in der Gegend ist, sollte man doch ein wenig Geschichtswissen schon im Handgepäck mit sich führen.

Die Mitte ist ein fest für Auge, Ohren, Magen und all die anderen Sinne, die nach Erfüllung lechzen. Certaldo – kennt doch kein Mensch! Ha, von wegen! Hier wurde Boccaccio geboren, und sein Wohnhaus kann wieder besucht werden. Wenn man sich die idyllischen Bilder im Buch anschaut, rückt dieser Hotspot schon fast in den Hintergrund.

Der Süden wirbt mit klangvollen Orten wie Montepulciano und Grosseto. Wein und Berge, Legenden und Ruinen, Freiluft-Therme und edelste Baumaterialien. Das ist ’ne Mischung?! Da fällt es einem wirklich schwer sich zu entscheiden.

Aber dafür gibt es ja diesen Reiseband. 20. Auflage, 800 Seiten. Wenn man pro Tag sich nur zwei Seiten als Reiseplan vornimmt, kommt man ein reichliches Jahr hin, um im Urlaub komplett abschalten zu können. Das muss man nur noch dem Chef erklären. Sicherlich sind 800 Seiten kein Leichtgewicht, das man gern mit sich herumträgt. Die Mühe ist es aber wert. Immer wieder blättert man ein wenig zurück, um voranzukommen. Auch wenn die Toskana live um ein Vielfaches anregender ist als ein Buch, so braucht man bei Ausschöpfen des Füllhorns der Möglichkeiten einen allwissenden Wegbegleiter. Und den hat man zweifelsohne in diesem Reiseband.

Ob per pedes, per Rad, automobil, auf dem Schienenstrang oder mit dem Schiff (irgendwie muss man ja auch nach Elba kommen, wenn’s der Autor einem so sehr ans Herz legt…) – hier bleibt kein Wunsch offen. Und wem das Gewicht dann doch zu schaffen macht, der kann sich das Buch auch als App (Buch und mmtravel App sind gleichzeitig erhältlich) auf seinen mobilen Reisebegleiter runterladen. Der Toskana-Reiseband ist einer der Klassiker aus dem Michael-Müller-Verlag. Nun auch im modernen gewand der App. Ob als Traditionalist mit dem Buch in der Hand oder als moderner Reisender mit dem Smartphone oder Tablet – wohl genährt in jeder Hinsicht kommt man immer ans Ziel.

Theater laden ein

Tosca auf der Couch. Norma im flauschigen Lesesessel. Aida vor der Glotze. Mit dem entsprechenden technischen Equipment sicher ein Ohrenschmaus. Oberflächlich gesehen. Doch in einem echten Theater, mit der entsprechenden Akustik, auf rotem Samt sitzend, schmachtend den Tönen auf der reich geschmückten Bühne, in einem opulenten Bühnenbild – das ist dann doch eine ganz andere Liga. Eine Liga darüber!

So geht es auch Ulrike Rauh. Die Autorin ist eine Kunstgenießerin, eine Opernliebhaberin, und sie liebt das Theater. Und die Theater dieser Welt. Ihre Spaziergänge zwischen Lüstern und Büsten berühmter Künstler, zwischen Stuhlreihen und Tanzreigen sind ein ziemlich großer  Appetitmacher.

Wie immer in ihren Reiseberichten hat sie sich akribisch auf ihre Geschichten und Anekdoten vorbereitet. Und so wird ein Besuch in der Mailänder Scala zu einer Geschichtsstunde mit den Augen einer wachen Autorin, die sich ihre Neugier bewahrt hat. Denn die Geschichte eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt steckt voller Überraschungen. Und die Liste derer, die die Bühne ausfüllten und vom Dirigentenpult die Zuschauermassen begeisterten ist endlos. Und alle so elegant. Kaum vorstellbar, dass hier einst geredet, geschmaust und gefeiert wurde während auf der Bühne Höchstleistungen vollbracht wurden.

Wer sich einmal eine Führung im Teatro San Carlo in Neapel gegönnt hat – der Eintritt ist im Vergleich zur Pracht in dem Haus mit sechs Etagen, in denen die Logen untergebracht sind, lächerlich preiswert – weiß warum die Autorin so fasziniert von der Architektur der Schallhallen ist. Wie auf rohen Eiern möchte man sich fortbewegen, um bloß nichts mit Abnutzungserscheinungen zu beschädigen. Ein Blick hinter verschlossene Türen lohnt immer. Und Ulrike Rauh ist sehr neugierig…

Von Bayreuth bis Santiago de Chile, vom berühmten Teatro Amazons in Manaus (Kenner wissen um die charakterstarke Darstellung von Klaus Kinski in „Fitzcaraldo“, in dem dieses Theater eine zentrale Rolle spielt) bis in die Gänge des Theaters in der Josefstadt in Wien, von der Arena in Verona bis in die wuchtigen Mauern der Semperoper reist Ulrike Rauh mit dem Leser mit schwergewichtigen Melodien um die Welt. Dass sie dabei leichtfüßig durch Jahrhunderte schlendert, ist das große Verdienst ihrer Leidenschaft. Auf alle Fälle bereichert dieses Buch jeden Besuch in Städten, die ein Konzerthaus oder eine Oper ihr eigen nennen dürfen.

Liparische Inseln

Stromboli kennt man aus dem gleichnamigen Film. Vulcanco – da ist klar, was einen erwartet. Lipari… schon mal gehört … da gibt es doch … genau: Die Liparischen Inseln. Aber es gehören nicht nur die drei Genannten zum Archipel. Da sind noch Alicudi, Filicudi, Salina und Panarea. Diese vier Inseln sind weitgehend unbekannt. Und eine Reise wert! Das weiß auch Reisebuchautor Peter Amann und macht mit seinem Wanderreiseband die Entscheidung welche Insel man besuchen sollte einfach und schwer zugleich. Schwer, weil die Vielfalt der Inseln so unfassbar riesig ist. Einfach, weil die Entscheidung alle Inseln zu besuchen mit diesem Buch die Richtige ist.

Ausführlich wird jede einzelne Insel beschrieben. Denn obwohl die sieben Schwestern des großen Ätna auf Sizilien auf den ersten blick gleich erscheinen, hat jede ihre eigenen Reize. Und so findet sich immer ein Grund, warum gerade die und nicht die Andere für einen Ausflug, einen Urlaub, eine Wanderung auserkoren wird.

Alicudi besticht durch ihre Autofreiheit – was nicht bedeutet, dass man hier wie ein wilder Stier herumrasen kann. Ganz im Gegenteil: Autos findet man hier nicht. Dafür aber Esel. Und Treppen, die einem zu den schönsten Ausflugsplätzen führen.

Lipari ist das Partyzentrum der Inselgruppe. Aber nicht falsch verstehen, denn nur im Vergleich mit ihren sechs Schwestern ist Lipari eindeutig die lebendigste Insel. Tauchen, Schlemmen, Wandern, Erholen – hier ist der Urlaub am vielfältigsten.

Salina rühmt sich mit Stille. Und das obwohl sie schon als Filmkulisse diente, so dass während der Dreharbeiten zu „Il postino“ (mit Philippe Noiret als Pablo Neruda) wohl das Wort Ruhe mehr Sehnsucht als Realität war.

Verführerisch, weil hier Mutter Natur sich selbst ein Denkmal setzt, kommt Panarea daher. Üppige Blütenpracht zieht auch die Schickeria an. Wer sich also gern ein Auge an weltlicher Machtfülle holen kann, wird staunen.

Apropos Staunen. Ein Naturspektakel rund um die Uhr – besonders nachts – bietet Stromboli. Wenn der Himmel glutrot erleuchtet, weil der Vulkan Lava spukt, ist die Speicherkarte schnell voll.

Die Nase voll hat man in (nicht von!) Vulcano. Voller Gerüche. Auch wenn man sich an so manchen erstmal gewöhnen muss. Der Schwefelgeruch ist relativ rasch ständiger Begleiter. Auch in den Klamotten. Vielleicht nicht gleich zu Beginn der Inselreise einen Abstecher hierher planen?!

Dieser Reiseband bietet das Rundum-Sorglos-Paket. Wo wohnen, wo wandern, wo innehalten, wo rasten – strukturiert und stets hilfreich in jeder Lage: Laufen, Wandern, Erholen. Seite für Seite ein Erlebnis, schon bevor die Wanderschuhe geschnürt sind.

Tessin

Wer einmal im Tessin war, ist im Handumdrehen infiziert. Und dieses Mal ist es ein gutes Virus. Ganz ohne Ziffern. Und es gibt auch kein Gegenmittel. Warum auch?! Marcus X. Schmid nimmt den Leser – ja, diesen Reiseband liest man, wie ein richtiges Buch, ist ja auch eines – auf eine Reise, die er nie vergessen wird. Denn zwischen erhabenen Gipfeln und glasklaren Seen gibt es so viel zu sehen, dass man staunt, dass tatsächlich alles auf 280 Seiten aufgeschrieben werden kann.

Hier spricht man italienisch. Nicht nur, aber überwiegend. Das hat zur Folge, dass Ortsnamen wie Comologno und Acquarossa oder das Val Lavizzara schon wie Urlaub klingen.

Ganz behutsam führt Marcus X. Schmid den Leser in jedes Kapitel, jede Region, jede Stadt ein. Fast schon plaudernd, ohne das kleinste Detail aus dem Auge zu lassen, nimmt er den Leser an die Hand, um – man kann schon fast sagen – „Sein“ Tessin in die Welt zu tragen. Immer wieder lockern die farbigen Kästen das Informationssammelsurium auf. Kleine Anekdoten abseits der Lesepfade lassen einen die müden Leseknochen auflockern. Um dann sofort weiter zu stapfen durch eine der landschaftlich reizvollsten Gegenden der Welt.

Idyllische Wasserfälle, pittoreske Kirchen, verschlafene Orte, exzellente Kulinarik und immer wieder Geschichte und Geschichten, die man nur hier finden kann. Der Reiseband ist immer einen Schritt voraus. Und fordert es geradezu ein, dass man sich links und rechts der Strecke mindestens genauso neugierig umschaut.

Der Autor hat es auf alle Fälle getan. Denn so viel Wissen häuft man nicht in Telefonaten und beim Prospekte wälzen an. Man merkt auf jeder Seite, dass hier ein echter Fachmann seine Erlebnisse und Erkundungstouren niedergeschrieben hat.

So zum Beispiel der Lago Maggiore. Der nördliche Teil gehört zur Schweiz, zum Tessin. Locarno ist sicher der bekannteste Ort. Selbst dem kann Schmid noch etwas entlocken, das man vielleicht noch gar nicht kannte. Wer verbindet Leonardo da Vinci schon mit Locarno? Die Antwort: Jeder, der den farbigen Kasten auf Seite 69 gelesen hat.

Wer erst einmal wissen möchte, wo man im Tessin erstklassig (was sonst?!) speist (ohne sich dabei auf das gängige „na überall“ zu verlassen), nächtigt oder dem Portemonnaie eine gehörige Blitzdiät verpasst, blättert im Nu zu den farbigen Seiten am Ende des Buches, die auch im selten geschlossenen Zustand des Buches leicht zu finden sind. Hier sind alle (!) Infos dazu übersichtlich aufgelistet. Und wer Bücher für antiquiert hält und lieber mit dem Smartphone sich seine Infos vor Augen hält, der wird erfreut sein, dass alle Infos auch in der gleichzeitig erschienen App zur Verfügung stehen.