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Mystisches Salzkammergut

Bad Ischl und somit das gesamte Salzkammergut rücken im Jahr 2024 in den internationale Focus, wenn die Kulturhauptstadt Europas sich präsentiert. Drei Bundesländer, acht touristische Regionen – allein, wenn man nur die Zahlen betrachtet, eine nicht zu unterschätzende Wucht an Eindrücken, die auf den Besucher wartet.

Gabriele Hasmann sucht nach den Ursprüngen dessen, was das Salzkammergut zum Salzkammergut macht. Und sie wird fündig. Am Boden des Mondsees, an den Hängen im dichten Wald und in den Geschichten und Traditionen der Bewohner. Wie zum Beispiel das Wappen der Kulturhauptstadt Europas 2024 entstanden ist. Die an einer Esche knabbernde Gämse ist eine dem Zufall zu verdankende Idee, wodurch die Stadt ihr Wappen bekam.

Und wenn man schon vom Salzklammergut redet, drängt es sich auf auch über Salz zu sprechen. Schon vor Ewigkeiten wurde hier Salz gewonnen. Zuerst ganz klassisch mit Hacke und Schaufel, später hat man die Kraft der Sonne für sich genutzt. Kaiser Franz Joseph I. hat sich hier eine Residenz gegönnt – wenn die Frau das Weite sucht, darf der Hausherr ihr in nichts nachstehen. Die Romantiker haben hier ihre Wurzel nicht gesucht, doch aber gefunden. Wer’s nicht glaubt, der sollte das Kulturjahr nutzen, um auf einem der Seen den Blick schweifen zu lassen…

Im Schloss Ort auf der Insel Ort im Traunsee soll’s sogar spuken. Auch hier haben die Habsburger ihre Finger im Spiel. Ebenso in Halstatt, wobei noch heute – bevorzugt zwischen November und Februar, wenn der Ortsteil Echerntal ein unbeweglicher Schatten liegt. Vermischt man dieses Naturphänomen mit den Besuchen der Queen of Crime Agatha Christie in den 60er Jahren kommt man nicht umhin hier einige Gruselmomenten zu genießen.

Kurz und prägnant gibt Gabriele Hasmann dem Leser einen Überblick über das, was man vom Salzkammergut nicht auf den ersten Blick sieht, jedoch nichts anderes ist als die Essenz dieses Landstriches.

Und wenn Bad Ischl mit Pomp und Gloria das Kulturjahr 2024 einläutet – und es wird pompös werden – dann werden bei so manchem die Fragzeichen über den Köpfen vorübergezogen und so manches Rätsel schon von vornherein gelöst sein. Denn jedes einzelne Kapitel ist ein kenntnisreiches Kleinod. Mit viel Hingabe zum Detail wird Salzkammergut aus dem Dornröschenschlaf der Unkenntnis geweckt und führt fortan ein märchenhaftes Leben im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Sisi – Das geheime Leben der Kaiserin

Nicht noch ein Buch über die Sisi! Oh doch, und dieses Mal fernab von haltlosen Gerüchten und beißendem Spott. Jedoch mit dem bitteren Beigeschmack, dass jeder, der mit Sisi in Verbindung kommt, nicht nur Gutes davonträgt. Romy Schneider als Sissi (mit Doppel-S) erholte sich nur langsam vom Image als ewige Prinzessin. Der echte Gatte, Franz Joseph I. soll sich bei ihr angesteckt haben. Und sie selbst war eigentlich eine Dauerkranke – die Krankenkassen von heute hätten sich geweigert sie überhaupt noch zu versichern (aber sie wäre wohl eh privatversichert…).

Kurz nach der Geburt ihrer Kinder, ein paar Jahre nach Eheschließung im Jahr 1854, begann Sisis Kampf gegen Etikette, gegen das gesellschaftliche Korsett und jedwede Einschränkung. Schwindsucht, Tuberkulose diagnostizierte der Hofarzt. Er verschrieb ihr Reisen. Vor allem ans Meer. Sie selbst folgte den Ratschlägen nur allzu gern. Und am besten wollte sie so weit weg wie möglich von Wien, dem Hof und Franz Joseph und ihren Pflichten. Die kannte sie bereits schon vor dem Ja-Wort.

Sisi war über ihr Krankheitsbild – ihre Krankheitsbilder – nicht unglücklich. Bot man ihr doch nun die Möglichkeit die Welt auf Staatskosten zu beschauen.

Madeira schien ihr weit genug entfernt. Ihr Schwager Maximilian, der in Wien unter anderem das Palmenhaus in Schönbrunn mitverantwortete und ein so scheußliches Ende in „seinem Königreich Mexiko“ fand, empfahl ihr die Insel – die Blumenpracht wurde ihr sicherlich taugen. Tat sie! Ebenso Korfu. Auch wenn die Sonne da gnadenlos brennt. Auf hoher See befand sich ihre Entourage fast vollständig in körperlichem Ausnahmezustand. Nur die Sisi war so lebendig und sah so erfrischend aus wie eh und je.

Man zerriss sich natürlich das Maul über die Abstinenz der Kaiserin. Doch sie hatte ja einen Krankenschein! Und da sind einem – wie heute auch noch – einfach die Hände gebunden. Die Kaiserin ist unabkömmlich, basta.

Autorin Katrin Unterreiner, ehemalige Leiterin der Schloss Schönbrunn Ges.m.b.H. und Sisi-Expertin ersten Ranges, hat hartnäckig recherchiert und so manche Ungereimtheit in der Patientenakte Sisi entdeckt. Und vor allem hat sie das Parallelleben, das geheime Leben der Kaiserin unter die Lupe genommen. Heutzutage wäre es Sisi unmöglich derart lange und unerkannt unterzutauchen. Und das nicht nur, weil beispielsweise heuet Madeira und Korfu von Touristen überrannt werden. Eine Influencerin wie Sisi würde überall auf der Welt heute erkannt werden. Mal schnell mit dem Kurschatten eine Pizza essen? Unmöglich! Sisi wäre die potentielle Kandidatin für einen Selbstmord mit Anklage-Abschiedsbrief. Auch über 125 Jahre nach ihrem unfreiwilligen (!) Tod ist der Mythos Sisi nicht verschwunden. Stilikone, Vorkämpferin, Freiheitsapostel – so vieles wurde ihr angedichtet. Schlussendlich bleiben ihre Schönheit – das hilft immer und bei jedem Kampf (Emanzipation hin oder her) – und ihr unbändiger Wille als Privatperson mit allerlei Privilegien das zu tun, was ihr in den Sinn kam. Die Bewertung dessen muss jeder für sich selbst vornehmen. Dieses Buch ist dabei ein Ratgeber und Faktenlieferant, den man unbedingt zu Rate ziehen sollte.

Schaurig-schönes Europa

Wenn der Urlaub etwas ganz Besonderes werden soll, dann sind außergewöhnliche Orte das Salz in der Traumsuppe dieser Erinnerungen. Die Bilder, die man sich selbst in diese Erinnerungen pflanzt, müssen einem ganz bestimmten emotionalen Bild entsprechen. Auch wenn sie nur für den Bruchteil einer Sekunde vor dem Auge erscheinen oder für die Dauer eines Spazierganges existieren. Mit allen Sinnen wird dieser Moment für Ewigkeit festgehalten.

So wird man beispielsweise in Craco in der Basilikata im Süden Italiens, nahe der Felsenstadt Matera, auf einen Ort treffen, aus dem das Leben schon vor einem halben Jahrhundert geflohen ist. Oder besser gesagt, es wurde aufgegeben als Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach einem Erdrutsch es als zu gefährlich angesehen wurde hier weiterhin zu leben. Zuvor lebten hier mehr als tausend Jahre Menschen. Heute erinnern nicht einmal mehr Glasscheiben an eine Zivilisation. Dass hier ein Leben möglich war, ist dennoch nicht wegzudiskutieren. Straßen und Gassen existieren noch. Auch die Raumaufteilung der Häuser ist noch klar erkennbar. Umgestürzte Möbel verweisen auf ihre ehemaligen Bewohner. Und dennoch herrscht hier eine gespenstische Ruhe. Ein verlassener Ort, der einem den Schauer über den Rücken jagen kann.

Brodelnd und voller Leben – dennoch nicht minder lost place – ist der Rio Tinto in Andalusien. So ein Rot in einem Fluss hat man noch nie gesehen. Baden ist nicht ratsam. Der Sauerstoffgehalt ist zu gering, der Säuregehalt hingegen um ein Vielfaches zu hoch. Optisch ist der Fluss ein Augenschmaus und trägt sicher dazu bei sich auch noch Jahre später genau an das meiste zu erinnern.

Über glasklares Wasser schwebt man förmlich im Höhlensee von Tapolca, nördlich des Balatons. Auch hier fühlt man sich wie in einer fremden Welt. Prächtige Farbenspiele, gespenstische Ruhe und alles unter der Erde. Das Höhlensystem ist vulkanischen Ursprungs und kann heute recht gemütlich bereist werden.

„Schaurig-schönes Europa“ ist ein Reiseband, der bei jedem Umblättern das Reisefieber steigen lässt. Stimmungsvoll in Szene gesetzt und mit verheißungsvollen Texten gespickt, macht dieses Buch Appetit auf echte Abenteuer.

Am Fenster klebt noch eine Feder

Jetzt schreibt sie auch noch … so ist es nun wirklich nicht. Maria Lassnig, gefeierte Künstlerin und Trägerin prestigeträchtiger Auszeichnungen, ist ein feste Größe, mancherorts der Standard im Kunstbetrieb. Ihr Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof zieht schon wegen der Optik zahlreiche Besucher an. Noch mehr jedoch sind ihre Bilder Pilgerstätten ihrer Jünger.

Und dann passierte das, was so manchem Künstler nachträglich noch einmal einen Schub verpasst. Ein Dachbodenfund – im übertragenen Sinne – brachte eine Seite der Künstlerin ans Tageslicht, die man vermuten konnte, aber nie zu hoffen wagte. Ihr Wegbegleiter Peter Handke, Literaturnobelpreisträger 2019, sah in den Texten, Wortfetzen, nicht wenigen Zeilen ein literarisches Juwel und zugleich das Potential Maria Lassnig noch umfassender zu würdigen.

Es sind meist kurze Texte in diesem Büchlein, die wie ein Gruß aus der Künstlerküche wirken – schmackhaft, verheißungsvoll, anregend, süchtig machend. Da kommt noch mehr. Denn Maria Lassnig, hat in ihrem Künstlerleben immer wieder ihre Gedanken und Eindrücke nicht nur mit dem Pinsel, sondern auch mit der Feder festgehalten. Dass dieser Schatz erst jetzt gehoben wurde, verwundert. Denn ihr Netzwerk zu Lebzeiten war derart umfangreich, dass man eigentlich vermuten könnte, dass nach ihrem Tod 2014 ein gewaltiger Ausverkauf hätte stattfinden müssen. Hat er aber nicht! Was ein Glück!

Denn nur so werden die Texte in ein Licht gestellt, das noch lange strahlen wird. Voller Poesie, Zartheit, aber auch voller brachialer Kraft dringt die Biennale-Preisträgerin von Venedig (2013) noch immer in die Gedanken ihrer Fans ein. Und dank dieses Büchleins erschließt die Künstlerin neue Interessenten ihrer Kunst. Verleger Lojze Wieser spricht von einer Sensation. Kuratorin Barbara Maier liest voller Erfurcht und Ergriffenheit aus dem Buch. Und selbst Kulturzeit-Moderatoren-Urgestein Ernst Grandits (der auf der Leipziger Buchmesse 2023) die Premiere des Buches moderierte, finden nur Superlative für diesen „Dachbodenfund“.

Lassnigs Werk ohne dieses Buch zu genießen, ist das Eine. Es im Zusammenspiel mit den Texten noch einmal zu betrachten, eine Offenbarung.

Theater laden ein

Tosca auf der Couch. Norma im flauschigen Lesesessel. Aida vor der Glotze. Mit dem entsprechenden technischen Equipment sicher ein Ohrenschmaus. Oberflächlich gesehen. Doch in einem echten Theater, mit der entsprechenden Akustik, auf rotem Samt sitzend, schmachtend den Tönen auf der reich geschmückten Bühne, in einem opulenten Bühnenbild – das ist dann doch eine ganz andere Liga. Eine Liga darüber!

So geht es auch Ulrike Rauh. Die Autorin ist eine Kunstgenießerin, eine Opernliebhaberin, und sie liebt das Theater. Und die Theater dieser Welt. Ihre Spaziergänge zwischen Lüstern und Büsten berühmter Künstler, zwischen Stuhlreihen und Tanzreigen sind ein ziemlich großer  Appetitmacher.

Wie immer in ihren Reiseberichten hat sie sich akribisch auf ihre Geschichten und Anekdoten vorbereitet. Und so wird ein Besuch in der Mailänder Scala zu einer Geschichtsstunde mit den Augen einer wachen Autorin, die sich ihre Neugier bewahrt hat. Denn die Geschichte eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt steckt voller Überraschungen. Und die Liste derer, die die Bühne ausfüllten und vom Dirigentenpult die Zuschauermassen begeisterten ist endlos. Und alle so elegant. Kaum vorstellbar, dass hier einst geredet, geschmaust und gefeiert wurde während auf der Bühne Höchstleistungen vollbracht wurden.

Wer sich einmal eine Führung im Teatro San Carlo in Neapel gegönnt hat – der Eintritt ist im Vergleich zur Pracht in dem Haus mit sechs Etagen, in denen die Logen untergebracht sind, lächerlich preiswert – weiß warum die Autorin so fasziniert von der Architektur der Schallhallen ist. Wie auf rohen Eiern möchte man sich fortbewegen, um bloß nichts mit Abnutzungserscheinungen zu beschädigen. Ein Blick hinter verschlossene Türen lohnt immer. Und Ulrike Rauh ist sehr neugierig…

Von Bayreuth bis Santiago de Chile, vom berühmten Teatro Amazons in Manaus (Kenner wissen um die charakterstarke Darstellung von Klaus Kinski in „Fitzcaraldo“, in dem dieses Theater eine zentrale Rolle spielt) bis in die Gänge des Theaters in der Josefstadt in Wien, von der Arena in Verona bis in die wuchtigen Mauern der Semperoper reist Ulrike Rauh mit dem Leser mit schwergewichtigen Melodien um die Welt. Dass sie dabei leichtfüßig durch Jahrhunderte schlendert, ist das große Verdienst ihrer Leidenschaft. Auf alle Fälle bereichert dieses Buch jeden Besuch in Städten, die ein Konzerthaus oder eine Oper ihr eigen nennen dürfen.

Radetzkymarsch

Es gibt keinen Zweifel daran, dass dieser Klassiker nicht den Zweiflern anheim fallen wird, und den Weg in eine ungewisse Zukunft anzutreten hat. Wenn hier und da Klassiker, die jeden Jugendlichen schlussendlich zum Lesen antreibt, verteufelt werden, wird „Radetzkymarsch“ immer noch im kollektiven Gedankengut der Leserschar verwurzelt sein.

Das liegt zum Einen an der ungeheuren Wortvielfalt und ihrer eingängigen Anwendung. Zum Anderen eignet sich der Stoff immer noch dazu, um darzulegen, dass Ruhm und Ehre (und Zweifel und falsches Heldentum und und und) wie jede medaille zwei Seiten haben.

Joseph Roth gibt der Familie Trotta den ihr zustehenden Raum. Im Krieg fällt einem Trotta die Ehre zu ein Auge zu verlieren. Und da man sich im Habsburgerreich des 19. Jahrhunderts um seine Versehrten kümmert, darf er als Parkwächter das Schloss Laxenburg betreuen. Sein Sohn Joseph rückt im Ansehen noch einen Schritt höher als er dem Kaiser das Leben rettet. Aufstieg inklusive. Hauptmann Joseph Trott von Sipolje. Doch das Leben hat anderes mit der Familie vor.

Denn sein Sohn, der Sohn des Helden, wird – und da ist sich sein Vater sicher – immer der Sohn des Helden bleiben. Back to the roots – würde man den heroischen Schritt des Vaters heutzutage nennen. Denn er verlässt das Militär, wird wie seien Vorfahren wieder Bauer. Franz Freiherr von Trotta und Sipolje, sein Sohn, durfte nach dem Willen des Vaters (Joseph) nicht zum Militär, steigt aber zum Bezirkshauptmann auf. Da hatte der Kaiser seine Finger im Spiel.

Die Monarchie geht den Bach runter. Und auch das Leben der Trottas – mittlerweile mit Adelstitel – kennt nur eine Richtung. Und die ist nicht gen Himmel gerichtet. Denn die letzte Generation, der Enkel des Helden, muss zum Militär. Er will aber nicht. Das zarte Herz des Enkels des Helden von Sipolje ertrinkt im Alkohol und hört im Kugelhagel des Weltkrieges – da wusste noch niemand, dass es bald schon einen Folgekrieg geben wird – auf zu schlagen. Fast zeitgleich mit der Monarchie des einstig ruhmreichen Österreichs…

Eigentlich doch genug Stoff, um Zweiflern, Lautschreiern und Ewiggestrigen ein Signal zu geben „Radetzkymarsch“ den Marsch zu blasen und in die ewigen Jagdgründe zu schicken.

ABER: Der Autor heißt Joseph Roth. Den verteufelt man nicht einfach mal so im Vorbeigehen! Feingefühl, Wortgewalt und analytisches Schreiben kennzeichnen dieses Buch, das seit neunzig Jahren nicht lange in den Regalen der Buchhändler steht. Wer sich in der verklärten Vergangenheit des ruhmreichen Kaiserreiches des Habsburger tummeln will, kommt hier genauso auf seine Kosten wie diejenigen, denen zweifelhafte Heldenverehrung ein Dorn im Auge ist. Die Familiensaga des Trottas kommt niemals aus der Mode, weil die Strukturen, die Aufstieg und Fall einer Familie bis heute existieren – Parallelen zu aktuellen Emporkömmlingen sind offen sichtbar. Allein der Wille zur Macht ist berechenbar. Genauso wie das Ende einer Dynastie.

Hans Becker O5

Eine geradlinige Biographie sieht anders aus: Am Ende des 19. Jahrhunderts in eine österreichische Adelsfamilie (allerdings ohne Pomp und Glanz) an der adriatischen Küste geboren. Royalist. Jurist. Künstler. Journalist. Wissenschaftler. Propagandaleiter für die Vaterländische Front. Einer der Ersten, die ins KZ deportiert wurden, nachdem die Nazis Österreich annektierten. Wieder in Freiheit beharrlicher Kampf gegen die Besatzer. Diplomatendienst in Südamerika. Ermordung. In Vergessenheit geraten.

Wer das nächste Mal Wien besucht, schaut am Stephansdom mal ganz genau hin. Neben dem Eingangsportal sieht man noch das O5 in einen der Steine geritzt. Wenn man es nicht sucht, findet man es auch nicht. Die 5 in O5 steht für den fünften Buchstaben im Alphabet, das E. Zusammen OE, ein Symbol für die Befreiung Österreichs vom braunen Terror. Im Gegensatz zum Rest der Welt, der unter dem Hassregime litt, erinnert aber nichts mehr an Hans Becker, der eine Woche vor Heiligabend im Jahr 1948 durch die Waffe in der Hand eines ukrainischstämmigen Querulanten ums Leben kam.

Der Journalist Erhard Stackl macht sich in seinem Buch auf Spurensuche. Diese Suche führte ihn nicht nur in Archive und zur Familie Beckers, sondern bis ans gegenüberliegende Ende der Welt. Seine Recherchen zur Person Hans Beckers sind von einer langen Suche und ausführlichen Ergebnissen geprägt. Sie führen den Leser in eine Zeit über die schon viel geschrieben wurde. Die Leben vieler führender Köpfe sind wie ein offenes Buch. Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube an Neuentdeckungen.

Die Widerstandgruppe O5 war ein Sammelbecken für den Widerstand gegen Hitler. Hier engagierten sich Konservative, Linke, Künstler, Intellektuelle beseelt vom Kampf für ein freies Österreich. Ihr wichtigster Kopf – Hans Becker – ereilte das Schicksal, das so manch einer teilen musste: Er geriet in Vergessenheit.

Doch das ist nun Vergangenheit. Dank der vierhundert Seiten starken Biographie fällt das Licht der Erinnerung nun auf den Mann, der im Untergrund, teils im Hintergrund, Strippen zog, Aktionen plante, niemals aufgab. Die Jahre im Konzentrationslager konnten ihn nicht brechen. Im Gegenteil: Hier knüpfte er Kontakte und fand die Kraft, die ihm in der Zeit in relativer Freiheit die Hoffnung niemals verlieren ließ.

Immer wieder stößt man in den Kapiteln auf Menschen, denen bis heute ihrer Strahlkraft nicht entrissen wurde. Doch es sind diejenigen, die im Schatten kämpften, die dieses Sachbuch zu einem Abenteuerbuch machen, das man erst beiseite legt, wenn die letzte Seite gelesen ist.

 

Kaffeehäuser erzählen

 

Wenn diese Wände reden könnten, oft gehört nie so richtig ernst gemeint. Und wenn wir bei diesem Sprachbild bleiben, so hat Ulrike Rauh die spitzesten Ohren der Welt. Sie reiste von Chile bis zum Vesuv, von der Adria bis zur südamerikanischen Pazifikküste. Und hier und da rastete sie in einem Kaffeehaus und lauschte den Geschichten, die die Wände ihr erzählten. Sie ließ sich inspirieren, setzte sich in die Bücherregale der Cafés, verschwand nicht hinter, sondern im Vorhang und beobachtete. Und diese Erkundungstouren feiern in diesem außergewöhnlichen Buch ihre Zusammenkunft.

Wien ohne Kaffeehauskultur ist wie Paris ohne den Eiffelturm, Florenz ohne die Renaissance oder Venedig ohne das Wasser – einfach nicht einmal die Hälfte wert. Ulrike Rauh hat nicht alle Kaffeehäuser besucht. Aber, die sie besucht hat, bekommen durch ihre Geschichten noch einmal einen besonderen Touch von Exklusivität. Im Café Central in Wien beobachtet sie eine Dame, die hier ihr tägliches Ritual vollzieht. Sie liest wie einst Stefan Zweig, der die riesige Auswahl an Magazinen so mochte. Nach dem ersten Kaffee – es gibt soooo viele Arten der Zubereitung, vom Einspänner über den Verlängerten, dem Fiaker …. – gibt’s Kuchen, Malakofftorte und den zweiten Kaffee. Die Dame ist Schriftstellerin, das verbindet Beobachtete und Beobachterin.

Mal erzählen die eleganten, schweren Vorhänge vom Geschehen an den Tischen, mal sitzt die Erzählerin zwischen Bücherrücken und schaut neugierig auf die Szenerie. Histörchen gibt es allemal zu erzählen. Ulrike Rauh liebt es den Dingen auf den Grund zu gehen. Und so verwandelt sich die manchmal melancholische Erzählweise in eine Exkursion in längst vergangene Zeiten. Wer hat wann wen bedient? Wessen Bilder hängen (immer noch) an den Wänden? Welcher Freigeist konnte und kann sich hier den Weg bahnen?

Berühmte Cafés wie das Florian in Venedig bekommen dieselbe Aufmerksamkeit wie scheinbar in den Hintergrund getretene Wohltempel wie das Hawelka in Wien, dessen Ruf nur leiser als der des Sacher oder Mozart erscheint. Hier trinkt man nicht einfach nur eine Mischung aus gemahlenen, zuvor erhitzten Bohnen, die im gekochten HaZweiOh kredenzt werden. Hier zelebriert man das Leben. Hier lässt man die Seele baumeln. Hier ist man Mensch.

Kalender 2022 Österreichische Geschichte

Franz-Josef, Rudolf, Maria Theresia und natürlich Sisi – Österreichs Geschichte verbindet man oft mit Namen, den Namen gekrönter Häupter. Doch die Alpenrepublik auf ein paar Namen zu reduzieren, wäre fatal. Auch wenn die Hinterlassenschaften der Adligen bis heute sichtbare und wahre Besuchermagnete sind. Wenngleich man zugeben muss, dass 2022 mit vielen Berühmtheiten einhergehen wird.

So begeht man 2022 den 150. Todestag von Franz Grillparzer, dem österreichischen Nationaldichter, feiert den 225. Geburtstag von Franz Schubert und erinnert sich am 4. September an ein einhundertfünf Jahre zurückliegendes Ereignis, dessen Entstehung man oftmals den Beatles zuspricht. Alexander Moissi war ein Schauspieler. An diesem 4. September im Jahr 1917 – in Europa wütete unerbitterlich der Krieg – stand er auf der Bühne der Volksbühne Wien. Sein Spiel, vor allem aber sicher sein Aussehen ließ die Massen an Mädchen und jungen Frauen anschließend die Orchesterreihen stürmen. Massenhysterie. Ein Fall für Freud und Schnitzler, der übrigens am 15. Mai seinen 160. Geburtstag feiern würde.

2022 wird für viele ein besonderes Jahr werden. Irgendwann einmal wird es vielleicht das Jahr sein, in dem man die Pandemie mit dem allzu plakativen Wort Covid-19, das eher an eine militärische Spezialeinheit erinnert als an eine weltumspannende Angst, in den Griff bekam.

Österreichs Geschichte in Bildern: Jede Woche ein Jubiläum, das man feiert, sofern man sich erinnert, oder zumindest ein erinnerungswürdiges Ereignis, das man dank dieses Kalenders mindestens für sieben Tage (man kann diese beiden Worte auch ohne das derzeit anschließende „Inzidenz“ verwenden, tatsächlich!) im Kopf behält.

Die Bandbreite ist enorm. Vom Jubiläum der Vierschanzen-Tournee und der „Schande von Gijón“ über Eroberungen von Festungen wie der von Belgrad bis hin zur Geburtsstunde der österreichischen Eisenbahn findet jeder etwas, um näher an den Kalender heranzurücken und sich der Geschichte bewusst zu werden. Denn eines ist sicher: Geschichte wird niemals enden!

Lieblingsstädte

Mal schnell raus. Mal schnell weg. Mal schnell die Welt entdecken. Waren Städte einmal die höchste Entwicklungsstufe, die man sich vorstellen konnte, sind sie als eigenständiges Segment auf dem Reisemarkt nicht mehr wegzudenken. City Trips, Städtereisen – wie auch immer man es nennt: Städte entdecken ist spannend, erholsam und abenteuerlich in Einem. Achtundzwanzig Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen sich in diesem Reiseband von ihren schönsten Seiten.

Das beschauliche Bern hat man bei dem Gedanken an die Schweiz nicht unbedingt auf der ersten Seite der zu besuchenden Orte. Schneevergnügen steht da sicher weiter oben auf der Liste. Doch die Stadt hat mitunter mehr zu bieten als man sich oberflächlich vorstellen kann. Wie zum Beispiel die wohl ungewöhnlichste Stadtrund-„Fahrt“, die man sich vorstellen kann. Vom Wasser aus kann man viele Städte besichtigen. Auch von einem Fluss aus. Aber als eigener Kapitän? Einfach in die Aare springen – das geht an vielen Orten in Bern problemlos. Und sich dann von der Strömung mitreißen lassen. Aber Vorsicht! An einigen Stellen versperren Wehre das Weiterschwimmen. Kurz aus dem kühlen Nasse hüfen und ein paar Meter weiter wieder in die Aare hüpfen, kein Problem. Zur Belohnung gibt’s dann Rösti und ein Eis an einem der zahlreichen wunderschön gestalteten Brunnen.

Goethe, Napoleon, Bach – wo kann man das schon erleben? In Leipzig. Und noch mehr, wenn man die Augen offen hält … oder in diesem Buch blättert. Ganz aktuell mit dem Tipp zum letzten architektonischen Coup von Oscar Niemeyer, einer futuristischen Kugel. Sie ist im alten Industriegebiet der Stadt, das heute zum größten Teil als Ort für Künstler dient, als Kantine einer der wenigen verbliebenen Fabriken. Und sie ist besuchbar. Street art mit ältesten noch erhaltenen Kunstwerk dieser Stilrichtung, Speisen wie im bekanntesten Buch deutscher Sprache („Faust“) oder das größte Gothic-Festival der Welt – Leipzig ist eben nicht nur Messestadt und einer der am schnellsten wachsenden Städte in Deutschland (was ja irgendwie auch mit dem Angebot an Zerstreuung zu tun haben muss, oder?!).

Linz steht in Österreich in keinerlei Wettstreit mit anderen Städten wie Wien oder Salzburg. Die haben ihre Fans. Linz kommt langsam, aber stetig an die Oberfläche und wartet Höhenrausch und Unterwelten gleichermaßen auf. Und als Wegzehrung immer eine Linzer Torte.

Jedes Kapitel beginnt mit dem „perfekten Tag“, gefolgt von zahlreichen Tipps, was man noch sehen muss. Das Buch ist alphabetisch geordnet, was dazu führt, dass man es automatisch bei jedem Trip durch eines der drei Länder in die Hand nimmt. Denn so kompakt und informativ für den kleinen Abstecher zwischendurch wurde man selten verführt. Das Offensichtliche und das Verborgene gehen in diesem Buch eine zufriedenstellende Symbiose sein.