Archiv der Kategorie: Tu felix austria

Lieblingsstädte

Mal schnell raus. Mal schnell weg. Mal schnell die Welt entdecken. Waren Städte einmal die höchste Entwicklungsstufe, die man sich vorstellen konnte, sind sie als eigenständiges Segment auf dem Reisemarkt nicht mehr wegzudenken. City Trips, Städtereisen – wie auch immer man es nennt: Städte entdecken ist spannend, erholsam und abenteuerlich in Einem. Achtundzwanzig Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen sich in diesem Reiseband von ihren schönsten Seiten.

Das beschauliche Bern hat man bei dem Gedanken an die Schweiz nicht unbedingt auf der ersten Seite der zu besuchenden Orte. Schneevergnügen steht da sicher weiter oben auf der Liste. Doch die Stadt hat mitunter mehr zu bieten als man sich oberflächlich vorstellen kann. Wie zum Beispiel die wohl ungewöhnlichste Stadtrund-„Fahrt“, die man sich vorstellen kann. Vom Wasser aus kann man viele Städte besichtigen. Auch von einem Fluss aus. Aber als eigener Kapitän? Einfach in die Aare springen – das geht an vielen Orten in Bern problemlos. Und sich dann von der Strömung mitreißen lassen. Aber Vorsicht! An einigen Stellen versperren Wehre das Weiterschwimmen. Kurz aus dem kühlen Nasse hüfen und ein paar Meter weiter wieder in die Aare hüpfen, kein Problem. Zur Belohnung gibt’s dann Rösti und ein Eis an einem der zahlreichen wunderschön gestalteten Brunnen.

Goethe, Napoleon, Bach – wo kann man das schon erleben? In Leipzig. Und noch mehr, wenn man die Augen offen hält … oder in diesem Buch blättert. Ganz aktuell mit dem Tipp zum letzten architektonischen Coup von Oscar Niemeyer, einer futuristischen Kugel. Sie ist im alten Industriegebiet der Stadt, das heute zum größten Teil als Ort für Künstler dient, als Kantine einer der wenigen verbliebenen Fabriken. Und sie ist besuchbar. Street art mit ältesten noch erhaltenen Kunstwerk dieser Stilrichtung, Speisen wie im bekanntesten Buch deutscher Sprache („Faust“) oder das größte Gothic-Festival der Welt – Leipzig ist eben nicht nur Messestadt und einer der am schnellsten wachsenden Städte in Deutschland (was ja irgendwie auch mit dem Angebot an Zerstreuung zu tun haben muss, oder?!).

Linz steht in Österreich in keinerlei Wettstreit mit anderen Städten wie Wien oder Salzburg. Die haben ihre Fans. Linz kommt langsam, aber stetig an die Oberfläche und wartet Höhenrausch und Unterwelten gleichermaßen auf. Und als Wegzehrung immer eine Linzer Torte.

Jedes Kapitel beginnt mit dem „perfekten Tag“, gefolgt von zahlreichen Tipps, was man noch sehen muss. Das Buch ist alphabetisch geordnet, was dazu führt, dass man es automatisch bei jedem Trip durch eines der drei Länder in die Hand nimmt. Denn so kompakt und informativ für den kleinen Abstecher zwischendurch wurde man selten verführt. Das Offensichtliche und das Verborgene gehen in diesem Buch eine zufriedenstellende Symbiose sein.

Location Tour – Die schönsten Drehorte Europas

Das sieht ja aus wie im Film! Hat jeder schon mal erlebt. Ein Gebäude, einen Park, eine Szene. Hier muss es gewesen sein. Man lässt im Kopf einen Film ablaufen und sucht nach den Orten, wo der Hauptdarsteller diese eine entscheidende Szene zum Besten gab. Man will wissen, wo die Kamera stand. Viele Orte aus Filmen, die den Zuschauer in ihren Bann zogen sind verschwunden. Wie das zerstörte Wien aus „Der dritte Mann“ – zum Glück. Denn die Trümmer sind einer grandiosen Kulisse gewichen, die bis heute als Filmlocation dienen. Und wer genau hinsieht, erkennt die Tricks der Filmbranche. Denn die Stiftsgasse aus dem Film befindet sich gegenüber der Österreichischen Nationalbibliothek. Und das Haus in der Stiftsgasse ist einem Parkhaus gewichen.

Oft werden Locations, also Drehorte mehrmals benutzt. Das Schloss aus „Highlander“, Schloss Eilaen Donan Castle, diente später als MI-6-Hauptsitz und schon Jahre zuvor in „Der Freibeuter“ als Kulisse.

Schloss Moritzburg erlebt besonders als verschneite Winterlandschaft als Traumziel für alle, die von „Aschenbrödel“ nicht genug bekommen können. Und wer kann schon Schloss Sanssouci in Potsdam besuchen, ohne sich nicht umzusehen, wo Romy Schneider ihren (echten) Tränen freien Lauf ließ?

Wer Rom besucht und sich im Fontana-di-Trevi-Trubel durchaus wohl fühlt, sieht Anita Ekberg im Brunnen herumtollen. Auf der Spanischen Treppe – nur zehn Minuten zu Fuß entfernt – ein Eis essen ist in etwa so unterhaltsam wie „Ein Herz und eine Krone“ mit der unvergessenen Audrey Hepburn, die hier der Welt entrückt genüsslich ihr gelato schleckte. Sie kommt im Buch ein weiteres Mal vor, an ihrem Wohnort am Genfer See erinnert eine Büste an eine der zahlreichen Prominenten, die sich hier niederließen, Chaplin’s World ist nicht minder sehenswert.

Dieser ungewöhnliche Reiseband begeistert, da er zwar Bekanntes zeigt, durch die Fülle jedoch immer neue Reiseideen kreiert. Man kann in dem Buch nach Filmen suchen und die Drehorte finden. Oder man plant für die bereits gebuchte Reise einzelne Ausflüge an Orte, die man von der Leinwand oder aus dem Fernsehen kennt. Es sind Reisebände wie dieser, die eine Reise zu einem echten Erlebnis machen können. Einmal in diesem Buch geblättert und schon lodert die Flamme der Neugier. Von Malta bis Spanien, von Irland bis Kreta erlebt man so manches filmische Highlight noch einmal.

Almost

Vielleicht hat der Eine oder Andere das schon mal erlebt. Um sich weltoffen und kreativ zu geben, gestalten Hotels hier und da ihre Zimmer mehr oder weniger geschickt nach gängigen Images verschiedener Destinationen. In der Miami-Suite ist alles quietsch-bunt, dass man Angst haben muss in die 80er zurückkatapultiert zu werden und Don Johnson auf der Straße eine Vollbremsung hinlegt. In der Almhütte sind die Wände mit allerlei Geweih verziert. Und im Raum Paris prangen überall Herzchen. Das ist klischeehaft und nicht im Ansatz originell.

Wojciech Czaja nutzte die coronabedingte Kreativenge als Sprungbrett für Neues. Er cruiste mit seiner Vespa durch Wien und fand … die Welt. Wie das? Ganz einfach. Augen auf, Kamera an und fertig. Immer noch nicht klar wie man im Lockdown die Welt erkundet? Als Architektur- und Stadtkulturjournalist hat er einen besonderen Blick für seine Stadt. Wien. Er ist weit gereist, als das noch ging. Und die Erinnerungen sind immer noch präsent – so stark ist dann halt doch kein Virus! Punkt für das Erinnern. Immer wieder spielte ihm die Erinnerung, wenn man so will, einen Streich. Er schaute links, er schaute rechts, nach Oben, nach Unten. Und schon waren sie wieder da, die Erinnerungen. So manches Haus, so manche Aussicht erinnerte ihn an San Francisco (jeder, der die Riesenradkabinen im Prater betrachtet, kann die Gemeinsamkeiten mit der Cable Car durchaus erkennen). Oder Tel Aviv in der Wolfganggasse im Zwölften. Die Bauhausarchitektur verleitete ihn im Handumdrehen sich an die israelische Hauptstadt zu denken.

Eine Frontseite eines durchaus präsentablen Hauses in Neubau lässt Washington an der Donau erstehen.

Einhundert solcher Flashbacks hatte Wojciech Dzaja. Er holte sein Telefon raus und fotografierte (man stelle sich vor, dieser Satz wäre schon vor dreißig Jahren geschrieben worden – hätte kein Mensch verstanden. Aber Corona ist ja bis heute auch noch nicht bei jedem angekommen…). Kurz und knapp das Wo geklärt, Bild hinzugefügt und fertig ist das ungewöhnlichste Wienbuch, das während der Corona-Pandemie entstanden ist.

Das Besondere daran ist, dass hier kein Homeofficer vom Schreibtisch aus die Stadt immer wieder neu entdeckt. Der Autor ist rausgefahren, durch die Straßen und Gassen einer der lebenswertesten Städte der Welt. Und er fand Letztere an Orten, die viele Touristen nicht entdecken werden. Wie die ehemalige Tabaksfabrik in der Nusswaldgasse in Döbling. In einer Seitenstraße liegt dieses Kleinod. Reichverziert wie ein Märchenpalast aus Tausendundeiner Nacht. Oder aus Isfahan, der iranischen Metropole, die mit ihrem Naqsch-e-Dschahan-Platz und den ihn umgebenden Gebäuden auf Immer und Ewig faszinieren wird.

Doch es ist eben alles nur fast, almost, Quito, Zürich, Helsinki, Gera. Dennoch, oder gerade deswegen ist dieses Buch mehr als nur ein lesens- und betrachtungswürdiges Druckerzeugnis. Es ist nicht das erste Corona-Buch „der Saison“, aber mit Abstand und für sehr lange Zeit das Beste! Ein sehr persönliches Buch, das jeden sofort anstecken wird, mit Reisefieber! Das tut nicht weh, und braucht auch kein Impfmittel.

Die kranken Habsburger

Welch wohlklingender Name: Habsburg. Europas Geschichte ohne einen Habsburger zu erzählen, wäre wie über das Jahr 2020 zu berichten, ohne dabei das Wort Corona in den Mund zu nehmen. Einfach unmöglich. Mit einem Trick, genauer gesagt mit einer Fälschung haben sich die Habsburger in den europäischen Hochadel gemogelt. Sie stellten quer über den Kontinent (und sogar darüber hinaus) Fürsten, Prinzen, Könige, Königinnen(!) und Kaiser. Durch geschickte Heiratspolitik hatte man in fast jedem Königshaus Europas seine Nachkommen untergebracht. Das erhielt den Frieden, meistens. So viel zur Geschichte, die jeder nachvollziehen kann.

Hans Bankl reichte das nicht. Der promovierte Pathologe hat – ganz im Sinne seines Fachgebietes – die Habsburger unter die Lupe genommen. Von der offensichtlichen herabhängenden Unterlippe, die berühmte Habsburger-Lippe, nach der oft in Quizshows gefragt wird, bis hin zu Krankheiten, die der Familienlinie nicht immer zu Gute kam, widmet er sich den kleinen Familiengeheimnissen dieser Dynastie.

Siebenhundert Jahre gab es kein Entrinnen vor den Habsburgern. Die waren einfach überall. Am spanischen Königshof, in Frankreich, Ungarn, Österreich (natürlich), Bayern, Lothringen, sogar in Mexiko. Das war aber eher ein Zwischenspiel, denn Kaiser Maximilian wurde nach wenigen Jahren der Regentschaft, die auch nur auf den „Wunsch“ Frankreichs zustande kam, erschossen.

Der unbändige Drang die Geschicke Europas zu steuern hatte aber auch einen gravierenden Nachteil. Irgendwann stirbt jede Linie einmal aus. Denn als Prinz wurde man automatisch Erbfolger. Als Mädchen war man Handelsgut, um an die Höfe Europas verschachert zu werden. Und genauso irgendwann hat man den Überblick verloren, wer wann wen heiratete. Ein heilloses Durcheinander war die Folge, so dass es nicht selten vorkam, dass gleiches Blut mit gleichem Blut die Ehe einging. Inzucht war die logische Folge, und mit ihr die bekannten Folgen.

Hat man sich erst einmal mit den oftmals gleichen Namen und den Jahreszahlen bekanntgemacht – als Nichtösterreicher und Nichthistoriker kann man bei den vielen Doppelungen der Namen schon mal durcheinander kommen – liest sich diese außergewöhnliche Familienchronik wie ein süffisanter Abriss der europäischen Adelsgeschichte. Man merkt Autor Hans Bankl des Öfteren das Schmunzeln an, das er beim Schreiben gehabt haben muss. Die Habsburger jedoch nur als inzestgeplagte Brut mit dem Hang zur Machtgier und oft ungeschickter Handlungsweise zu sehen, wäre fatal. Die Habsburger haben sicher mehr für die Einigung Europas getan, als man ihnen zugestehen möchte. Die Wahl der Mittel ist ohne Zweifel fraglich. Ihre Hinterlassenschaften sind es nicht. Man stelle sich beispielsweise Wien ohne Naturhistorisches und Kunsthistorisches Museum vor. Ganz zu schweigen von der Sissi-Industrie, die seit über einem Jahrhundert vom Glanz der schillerndsten Habsburgerin unzählige Familien ernährt und noch viel mehr Familien in Verzückung versetzt.

Der amüsante Schreibstil, das Detailwissen und das rasante Tempo des Buches begeistern bei jedem Lesen.

Wachau, Waldviertel, Weinviertel

Kaum vorstellbar, aber es gibt Menschen, die Wien überdrüssig sind und ihren Erlebnishorizont erweitern wollen. Und es vor allem auch können. Denn vor den Toren der Donaumetropole liegen – ganz ohne W, wie Wien, geht es doch nicht – die Wachau, das Wald- und das Weinviertel. Und von einem Viertel Erlebnis ist man hier meilenweit entfernt. Das volle Programm erwartet einen hier.

Selbst kleine Erhebungen von nicht einmal dreißig Metern schaffen ein Erlebnis, das man sonst lange suchen muss. Wie die Aubergwarte bei Zwettl im Kamptal im mittleren Waldviertel. Ein Aussichtsturm, der schon von Unten eine Augenweide ist. Ein gigantischer Holzturm, von dessen Aussichtsplattform man nach 130 Stufen einen umfassenden Rundumblick genießen kann.

Dürnstein in der Wachau gehört zu den Must-Dos der Region. Der einmalige blaue Kirchturm prägt jede Erinnerung an den nicht einmal tausend Einwohner zählenden Ort. Ob Richard Löwenherz sich ebenso verträumt an den Ort erinnert, darf bezweifelt werden. Er saß im Kerker oberhalb und hätte sicher gern auf diese Aussicht verzichtet. Damit ist er wohl der einzige Besucher des Ortes, der keine schönen Erinnerungen hat.

Beim Weinviertel hat jeder Genussmensch sofort nur einen Gedanken: Hoffentlich bleibt’s nicht dabei. Ein Viertele ist zu wenig. Und setzt man den ersten Schritt ins Weinviertel ist man jeder Sorge entledigt. Auf Schritt und Tritt begegnet man dem, was man noch in Jahren im Kopf herumschwirren hat. Die wuchtige Burg Kreuzenstein, die futuristische Turmschnecke in Stetten oder eine Kanufahrt in den Stockauer Donau-Auen. Man muss im Buch nur einmal umblättern und hat schon Ideen für mehrere Tage Erlebnisreisen.

Um sich zurechtzufinden in der Fülle an Erlebnistouren, die man hier erleben kann, ist der Reiseband exzellent gegliedert. Die Lotsenseiten geben einen raschen Überblick über die kommenden Seiten. So wird die Tagesplanung für die nächsten Tag ein Kinderspiel. Selbst wer nicht so viel planen möchte, kommt schon beim bloßen Lesen und Durchblättern in Zeitnot. Und für das Quäntchen Zusatzwissen sorgen die einmaligen farbig angesetzten Infokästen, die mit Anekdoten die kleinen grauen Zellen zum Schwingen bringen.

Moderne Architektur, traditionelle pittoreske Fassaden im gebrauchsfertigen Gewand lassen diesen Reiseband nicht oft im Rucksack verschwinden. Er schmiegt sich fest in die Hand und sein Inhalt setzt sich im Kopf fest, so dass die drei Viertel im Norden Wiens schon bald zum festen Ausflugsprogramm gehören werden. Auch ohne Wienabstecher gehören Wachau, Waldviertel und Weinviertel zu den unumstrittenen Höhepunkten.

Den Autoren Barbara Reiter und Michael Wistuba wurde es sicher leicht gemacht ihre Reisetipps zusammenzutragen. Sie in handhabbarer Form zu präsentieren ist ein Kunst, die die beiden exzellent beherrschen.

Wo Dein sanfter Flügel weilt

Philip Mason ist ein Glückspilz. Der Musikstudent bekommt ein Stipendium für seine Arbeit über die „Verbindungen der zwischen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Wiener Klassik“, um seine Forschungen an der Donau voranzutreiben. Im heimatlichen Amerika kann er schon erhebliche Erfolge vorweisen, doch in der Geburtsstadt seiner Mutter, wo Beethoven, Schubert, Mahler, Mozart zuhause waren, sind die Archive praller gefüllt als anderswo.

Um sich an die Stadt zu gewöhnen und sich einzuleben, eignet sich ein Konzert in dieser von Musikgeschichte durchtränkten Stadt vorzüglich. Doch das Klangerlebnis wird bald schon zu einer Obsession. Schuberts letzte Sinfonie, die in C-Dur, weist erstaunlich viele Parallelen zu Beethovens Neunter auf. Auch bei „Don Giovanni“ von Mozart scheint sich Franz Schubert bedient zu haben. Auf den ersten Blick – für den ungeübten Leser – ein klarer Fall von Plagiat. Aber wen soll man denn heute noch belangen? Schubert selbst? Der ist 1828 im Wiener Stadtteil Hietzing gestorben.

Als Musiktheoretiker wird in Phil Mason dem Forscherdrang Nahrung gegeben. Ihn wundert’s, dass es so wenig Literatur über das Offensichtliche (zumindest für Wissenschaftler wie ihn) gibt. Eine Arbeit allerdings gibt es schon. Verschlossen. Nur mit Erlaubnis der Autorin zu lesen. Die muss er erstmal finden? Gar nicht so einfach. Zumal auch dieses Dame inzwischen verstorben ist. Hat sich erhangen, wie ihre Mitbewohnerin und Jugendfreundin voller Bedauern auf Phils Drängen hin ihm mitteilt. Wem bis hierhin nicht klar sein sollte, worum es in diesem Buch geht, wird von nun auf der Klaviatur des Bösen eine harte Wendung nach der Anderen entgegen geschmettert.

Das legendäre Moskauer Sonderarchiv – Phil ist mittlerweile derart von der Idee besessen, dass in Schuberts Sinfonie ein Geheimnis lauert, das nur darauf wartet ans Tageslicht gezerrt zu werden – dringt Phil in Dimensionen vor, die er niemals zu erforschen wagte. Bis nach Südamerika treibt es ihn. Ihm wird schlussendlich klar, dass er nicht nur in ein Wespennest gestochen hat, sondern dass die Wespen schon einige Male zu gestochen und ebenso Larven hinterlassen haben…

Wie ein Doctor Jones der Musiktheorie wird aus dem wissbegierigen Musiktheoretiker Phil der sich jeder Gefahr stellende Abenteurer Mason. Man muss kein Schubertianer, Beethoven-Fanatiker oder Mozartienser sein, um sich in den Stoff hineinzudenken. Ein gesundes Maß an Krimispaß und das natürliche Gespür für Klassik reichen aus, um Sebastian Themessls Roman folgen zu können. Die möglichen Wissenslücken füllt er mit Präzision und Detailreichtum auf.

Klagenfurt – Was der Tourist sehen sollte

Wer Österreich besuchen will, schreit sicher nicht als Erstes, dass er in Klagenfurt sein Haupt betten wird. Wien und Salzburg haben in den meisten Fällen den Vorzug. Wer sich – nicht trotzdem oder dennoch – entschließt der Hauptstadt Kärntens eine Visite abzustatten, darf sich auf ein Fest einstellen. Voraussetzung ist allerdings, dass er oder sie dieses Buch zumindest einmal schon gelesen hat. Mit Zahlen kommt man Klagenfurt nicht auf die Spur. Hunderttausend Einwohner – mal mehr mal weniger, hier ist schon das erste Fest im Gange, wenn man den launigen Ausführungen Egyd Gstättners zur Einwohnerzahl Klagenfurts folgt – aber was sagt das schon aus. Vierhunderttausend Übernachutngen bei einhunderttausend Einwohnern, das Vierfache. Immerhin. Belgrad hat fünfzehnmal mehr Einwohner, verzeichnet aber nur nicht einmal eine Übernachtung pro Einwohner. Zahlen sind Schall und Rauch.

Egyd Gstättner ist Kärtner, gebürtiger Klagenfurter. Und er ist für zweihundert Seiten der Reiseführer, den man nirgendwo anders buchen kann. Der Friedhof könnte mit Berühmtheiten der Stadt belegt sein. Doch die zogen es vor außerhalb ihrer Geburtsstadt das Zeitliche zu segnen: Udo Jürgen und Maria Lassnig liegen (sich gegenüber) auf dem Zentralfriedhof in Wien. Nur Ingeborg Bachmann hat hier ein Grab. Und die wollte bestimmt nicht zurück – sie starb im römischen Feuer.

Vom Eishockeyclub bis zur Bäckerei, vom Verleger bis zu verschwundenen Friseurladen kennt Gstättner hier jedes Staubkorn und seine Geschichte. Wie ein Papa seinen Flilius an die Hand nimmt, leitet er den Besucher durch seine Stadt. Bald ist man vertraut – man duzt sich – und erkennt, dass das, was vermeintlich fehlt durch Anekdoten wieder den Platz einnehmen darf, der bisher leer geblieben war.

Ohne Unterlass wird man in und durch eine Stadt gezogen, die man ohne Egyd Gstättner sicherlich der Vergessenheit anheimfallen ließe. Sie steckt voller Histörchen, die einen ab und an schmunzeln lassen, öfter ein „oho“ entlocken, aber ganz sicher lange in Erinnerung bleiben wird.

Die Welt wird nicht besser, wenn man dieses Buch gelesen hat. Sie wird aber auch nicht schlechter. Die eigene Welt wird durch das Buch und den unweigerlich folgenden Besuch der Stadt um einiges reicher. Zum Glück hegt Egyd Gstättner keine Ambitionen den Posten des Tourismusmanagers der Stadt zu ergattern. Wäre eh vergebens, da es so scheint als sitze hier ein Buch auf diesem Posten.

Laaanges Wochenende

Die Zeit zwischen zwei Urlauben ist die härteste für alle, die nicht zwischen den eigenen vier Wänden festwachsen wollen. Ein Kurztrip übers Wochenende – oder noch besser das Wochenende ein wenig verlängern – ist der immer mehr in den Fokus der Tourismusmanager rückende Kurzurlaub. Mal ein, zwei, drei Tage raus aus dem Trott und schauen, wo auf der Welt es was zu entdecken gibt. Ob nun einfach mal die Seele baumeln lassen oder auf eine knackige Entdeckertour gehen – in der Kürze liegt die Würze. Nur ein paar Stunden entfernt von Zuhause sieht die Welt oft schon ganz anders aus. Die Auswahl ist riesengroß. Vom irischen Galway bis in die alte polnische Königsstadt Krakow, vom idyllischen Oslo bis ins quirlige Palma de Mallorca, auch mal ohne Komasaufen: Dieser Band wird ein redseliger Ratgeber sein für alle, die dem Grau des Alltags das Bunte der Welt entgegensetzen wollen.

Hält man das Buch erstmalig in den Händen, ist man auf Anhieb fasziniert von der Auswahl der vorgestellten Destinationen. Von Strasbourg über Portofino, von Porto bis Brno sind die Ziele wohlbekannt, doch oft dem Schnellzugriff bei der Urlaubsortfindung entzogen. Weniger bekannte Orte wie Pointe du Raz, der westlichste Punkt Frankreichs, ist von nun an ein Sehnsuchtsort, den man gesehen haben muss. Wenn man vorsichtig an den Klippen wandert und den Blick nach unten schweifen lässt, wird man Zeuge der Urgewalt des Meeres. Wer nur ein wenig nordöstlich reist, landet unweigerlich auf einer der Kanalinseln wie Jersey, die seit ein paar Jahren wieder verstärkt um die Gunst der Besucher buhlt.

In Luzern über die Kapellbrücke schlendern, in Dubrovnik auf der Stadtmauer auf Meer und Altstadt schauen oder originelles Windowshopping im Stockholmer Stadtteil Södermalm – hier wird jeder fündig. Bei jedem Umblättern steigt der Puls und die Zeit bis zu den nächsten freien Tagen wird unerträglich lang. Jetzt hat man aber zumindest ein Ziel vor Augen, beziehungsweise sind es gleich zweiundvierzig in fünfzehn europäischen Ländern.

Salzburg Salzkammergut

Das ist mal gutes Tourismusmarketing: Salzburg an der Salzach, zu Füßen des Salzkammerguts. Klingt nach einem würzigen Erlebnis. Und als Highlight eine der süßesten Verführungen.

Bleiben wir doch gleich bei den süßen Verführungen. Noch bevor man Festspiele sagen kann oder die eine oder andere Sonate von Mozart gehört hat, bringt jeder von klein auf Salzburg mit den Mozartkugeln in Verbindung. Doch Vorsicht! Es gibt tonnenweise Fälschungen! Die Echten Mozartkugeln sind in Silberfolie mit blauem Aufdruck versehen. Da der Markenname nicht geschützt ist, darf jeder ein bisschen Marzipan mit Schokolade überziehen und diese Kugeln dann Mozartkugeln nennen. Original sind selbst in Salzburg nur wenige. Wo es sie gibt, das wissen natürlich die Autoren Barbara Reiter und Michael Wistuba.

Hat man dieses Must Have hinter bzw. in sich, kann man sich auf die Socken machen und Salzburg genauer unter die Lupe zu nehmen. Gestärkt ist man schließlich. Und wer meint, dass mit Mozart, dem Schloss Mirabell und der Burg da oben auf dem Berg (Festung Hohensalzburg) der Stadt Genüge getan ist, irrt sich mächtig. Salzburg hat mehr zu bieten als nur einen Tag in dieser Stadt gehaltvoll zu verbringen. Es dauert allein schon ein paar Stunden, um alles zu erlesen, was man staunend erlaufen und laufend bestaunen kann. Das reicht von den Katakomben, vermutlich Gebetsräume, die in den Fels gehauen wurden, mehr als anderthalb Jahrtausende alt. Und es zieht sich durch ganz Salzburg wie der Almkanal, der wenn er das Tageslicht erreicht architektonisch ein Hingucker ist. Den Brückenschlag in die Moderne vollendet dann das gleichnamige Museum auf dem Mönchsberg. Der Glanz vergangener Tage scheint in Salzburg immer noch taghell, selbst wenn einmal Wolken den Blick nach Oben verschleiern sollten. Und wer das Wasser scheut, also das von Oben, für den haben die Autoren mindestens genauso viel Tipps die Zeit sinnvoll herumzubekommen, wie für alle, denen ein paar Regentropfen nichts ausmachen.

Das Salzkammergut erstreckt sich östlich bis südöstlich von Salzburg. Attersee und Wolfgangsee (der mit dem Weißen Rössl) sind sicherlich die bekanntesten Orte. Dachstein und Totes Gebirge sind für Wanderer und Bergsteiger ein Begriff. In Bad Ischl muss man am Traunufer flanieren wie einst die Habsburger. In Obertraun, genauer um die Koppenbrüllerhöhle herum, laufen einem die Augen über. Reißende Gewässer, wie gemalte Brücken, saftige Natur – was braucht man mehr? Darauf gibt es nur eine Antwort: Diese Reiseband. Mit viel Liebe zum Detail, einem enormen Erfahrungsschatz und dem Willen dem Leser eine Region schmackhaft zu machen, die allzu oft hinter anderen Regionen Österreichs zurückstecken muss. Salzburg als Ausgangspunkt ins Salzkammergut ist kein schlechter Anfang, um diese Region zu erkunden. Und alles ist so einfach, wenn man sich die Zeit nimmt dieses Buch als vollwertigen Reiseguide anzunehmen.

Linz abseits der Pfade

Als Donaumetropole steht Linz in direkter Konkurrenz zu Wien. Da verwundert es wenig, dass Linz immer ein wenig belächelt wird. Oft verschmäht. Der große Thomas Bernhard und der nicht minder kolossale Helmut Qualtinger machten ihren Unmut über die Stadt Luft. Vor dreißig, vierzig Jahren musste sich Linz noch unter einer Smogglocke verstecken. Seit 2009 – dem Jahr, in dem Linz sich als Kulturhauptstadt Europas ein Jahr lang präsentieren durfte – hat sich das Bild und auch das Image der Stadt gewaltig verändert. Und trotzdem: Linz bringen die meisten immer noch allein mit der gleichnamigen Torte in Verbindung. Und deren Image, dass sie staubtrocken sei.

Georg Schwarzbach räumt mit so manchem Vorurteil über die Stadt auf. Als pulsierende Metropole kann man Linz sicher immer noch nicht bezeichnen. Etwas mehr als zweihunderttausend Einwohner sehen das vielleicht anders. Auf geradem Wege erkennt man die Helligkeit der Stadt auf den ersten Blick. Doch wer links und rechts des Pfades ein Auge riskiert, wird viel mehr erkennen als das, was eh schon jeder aus dem Internet und der einen oder anderen Reportage kennt. Allerorten laden kleine Cafés zum Verweilen ein. Wer Glück hat, bekommt aufstrebende Bands zu Gesicht. Vor fast dreißig Jahren gastierte hier eine Band, die mit ihren schrammelnden Gitarren einmal die Welt erobern sollte: Nirvana. Auch David Bowie bevorzugte im Sommer 1990 Linz statt Wien.

Ein Kunstmuseum hat man sich vor zehn Jahren als Kulturhauptstadt Europas gegönnt. Besonders des Nachts ein leuchtendes Spektakel, das einen innehalten lässt. Doch dafür benötigt man nicht diesen Reiseband. Es sind die kleinen Läden, Clubs und Restaurants und deren Geschichten, die einen Aufenthalt in Linz so besonders machen. Kennt man sie nicht, weil dieses Buch im Reisegepäck fehlt, beschleicht einen doch schnell das Gefühl etwas verpasst zu haben. Denn dann ist Linz in zwei Tagen ausreichend erkundet.

Georg Schwarzbach beweist, dass man durchaus ein paar Tage mehr hier verbringen kann. Die Donau flussab- oder aufwärts, beiderseitig findet man das, was allgemein als Geheimtipp betitelt wird. Bruckner- und Stifterhaus gehören zum Rundgang dazu wie die Erinnerung an Warmer Hans, wo man Kafka verspreisen konnte. Klingt ziemlich irre. Kennt man die Hintergründe könnte man sich fast schon als Linzer fühlen.

Dieses kleine Büchlein tut mehr für Stadt Linz als so mancher Tourismusmanager. Es zeigt eine Stadt, die viele nicht auf dem Plan haben. Mal ein Abstecher, dafür ist Linz immer gut. Doch in die Stadt eintauchen, zwischen Klischee und Realität den Charakter der Stadt erschnuppern, erlaufen, aufsaugen – da reichen nun mal keine bunten Prospekte und Apps. Da braucht es ein Buch wie dieses.