Hal Challis – Melbourne

01 - Drachenmann

Weihnachtszeit, ruhige Zeit, mörderische Zeit. In Melbourne läuft bereits alles auf Hochtouren für die Touristensaison. Zur Abkühlung im Revier gibt’s eine Klimaanlage. Nützt alles nichts, Inspector Hal Challis kommt trotzdem ins Schwitzen. Eine junge Frau wurde am Peninsula-Highway ermordet. Wie? Das weiß der Leser schon ab der ersten Seite, Hal Challis muss noch ein wenig warten bis ihm das Band vom Telefonat von Jane Gideon mit dem Automobilclub vorgespielt wird.

Der Fall hat eine Vorgeschichte: Kymbly Abbott. Auch sie wurde ermordet. Durch einen Brief wissen die Ermittler, dass Kymbly Abbott Nummer Eins und Jane Gideon Nummer Zwei waren. Und sie wissen nun auch, dass es bald eine Nummer Drei geben wird.

Hal Challis wohnt ruhig und abgelegen im Peninsula District, ein Halbinsel, die aussieht wie ein Komma. ‘Ne Stunde braucht man, um von oben nach unten zu kommen, zwanzig Minuten reichen für die Strecke von links nach rechts. Wasserknappheit und brütende Hitze sind hier ein Dauerthema. Nicht für Hal Challis. Sooft er kann, schraubt er an seiner Dragon Rapide, einem Flugzeug-Oldtimer. Und jetzt kurz vor Weihnachten … ruft auch noch seine Frau an. Angela sitzt…. im Knast. Hat sich den Falschen geangelt. Hal hält zu ihr. Ein verständnisvolles Raubein, das das Gesetz achtet – so einer ist Hal Challis.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Der Tatort wurde von ein paar Jungens verunreinigt, die Presse veröffentlicht den Brief, der das dritte Opfer ankündigt, zwei Polizisten aus Hals Team sorgen mit ihrer rüden Art für Unmut unter der Bevölkerung. Einer der beiden beginnt sogar ein Affäre mit einer verängstigten Frau, die nicht ganz freiwillig in dieser Gegend wohnt. Das weiß aber Hal Challis anfangs nicht…

Garry Disher lässt seinem Ermittler viel Zeit, um sich dem Täter zu nähern. Der Leser wird derweil mit kleinen Geschichten abgelenkt und in die Umgebung eingeführt. Kleine Zwischenspiele für die Seele. Der Leser lernt Hal Challis‘ Umgebung näher kennen, mit wem er es außerhalb des Dienstes zu tun hat. Anfangs weiß man gar nicht, ob die Vorgestellten direkt mit dem Fall etwas zu tun haben oder ob sie dazu dienen die Gedankenspiele – wer denn nun der Täter sein könnte – für eine kurze Zeit zu unterbrechen. Wohltuend sind sie allemal. Garry Dishers Krimireihe hat nicht nur das Zeug zur unbestrittenen Urlaubslektüre, nein, selbst Polizeiruf-Ermittler bedienen sich seiner Methoden. Hanns von Meuffel, exzellent gespielt von Matthias Brandt, beruft sich auf Dishers Romane.

 

02 - Flugrausch

Ostern am anderen Ende der Welt. Inspector Hal Challis wollte eigentlich mit Tessa wandern gehen. Doch es wurde nicht daraus. Seine Frau noch Jahre im Knast verbringen wird, rief ihn an. Sie könne nicht mehr. Kurze Zeit später unternahm sie einen Selbstmordversuch. Zu viel für Tessa, die sich allein auf die Socken machte. Nun stromert Hal Challis allein durch die Wildnis. Auf der Suche nach Klarheit.

Vor Kurzem wurde eine Leiche aus dem Meer gefischt, befestigt an einem Anker. War kaum noch zu identifizieren. Seine Kollegen haben inzwischen Venn, einen üblen Burschen dingfest gemacht. Der hat sich an Pärchen ran gemacht, sie mit dem Messer bedroht und ausgeraubt. Es ist zum Verrücktwerden. Hal Challis befindet sich in einer Krise – da verkriecht er sich lieber in den Hangar und bastelt an seiner Maschine. Außerdem ist dort Kitty. Sie teilt mit ihm die Leidenschaft fürs Fliegen. Doch insgeheim wünscht er sich, dass sie mehr mit ihm teilen würde. Was so was von illusorisch ist, da Kitty verheiratet ist – und außerdem …

Als Hal an seiner Dragon Rapide arbeitet, hört er plötzlich Reifenquietschen, und zwei Flugzeuge. Letzteres ist normal auf einem Flugplatz. Er kann gerade noch sehen wie ein Auto nur knapp einer Kollision mit Kittys Cessna entgeht. Oder umgedreht, wie das Flugzeug nur knapp dem Auto entkommt. Kitty geht’s gut – ihr Mann holt sie gleich ab. Das trägt auch nicht gerade zur Stimmungsaufhellung von Hal Challis bei.Ziemlich viel Arbeit auf einmal, hier am Ende der Welt. Und wird noch mehr. Weitere Morde.

Garry Disher lässt die einzelnen Fälle, an denen die Polizisten arbeiten nach und nach an einem Punkt zusammenlaufen. Jede einzelne Spur führt letztlich zu einem einzigen Ergebnis. Nur bei Garry Disher wird schnöde Polizeiroutine mit Spannung  gefüllt. Immer wieder streut er Hinweise ein, lässt die Umgebung plastisch erscheinen, zeigt die menschliche Verzweiflung auf beiden Seiten des Gesetzes. Kleine Sorgen und das große Verbrechen verschmelzen hier in der scheinbaren Abgeschiedenheit der Vororte von Melbourne zu einer Melange im Alltag der Menschen. Ewig stichelnde Nachbarn, das Misstrauen gegenüber mutmaßlichen Mördern, getarnte Cannabisfelder, Polizisten, die fast ihre eigenen Regeln missachten, gestohlene Fahrzeuge: Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Wenn irgendwo auf der Welt ein Polizist die Arbeit vor sich herschiebt, muss irgendwo wieder rauskommen. Und das ist am Ende der Welt, bei Hal Challis. Doch der hat mit eigenen Problemen zu kämpfen und versucht das Gleichgewicht Tag für Tag aufrecht zu halten. Er fühlt sich nicht als Held. Er macht einfach nur seine Arbeit.

 

03 - Schnappschuss

Wer die ersten beiden Hal-Challis-Romane schon genießen durfte, weiß, dass der gewissenhafte Ermittler am anderen Ende der Welt nicht ermittelt, weil er einen geruhsamen Arbeitsplatz sucht. Lug und Trug, handfeste Auseinandersetzungen – öfter mal mit tödlichem Ausgang – und auch Zwistigkeiten unter den Kollegen sind für ihn das tägliche Einerlei. Doch jetzt erreicht seine Arbeit eine neue Stufe. Superintendent McQuarrie hat ihn im Visier. Doch Hal Challis hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Vielmehr ist das aktuelle Opfer, das die Polizei in Waterloo beschäftigt, die Schwiegertochter des Paragraphenreiters. Keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche und insgeheim vielleicht sogar entspannte Ermittlungsarbeit.

Man sagt immer so leicht dahin, die eigenen Kinder sterben zu lassen, sei das Schlimmste. Für McQuarrie ist es ernste Realität. Und das Schicksal setzt noch einen drauf. Denn seine Enkelin musste mit ansehen wie ihrer Mutter das Lebenslicht ausgelöscht wurde. Janine McQuarrie war an diesem Tag mit ihrer Tochter Georgia unterwegs. Das aufgeweckte Mädchen ahnte nichts von den Gedanken, die seiner geduldigen Mutter durch den Kopf gingen. Tage zuvor war sie wieder einmal (anfangs aus Liebe zu Ihrem Mann Robert, später aus eigenem Antrieb, aber immer zusammen mit Robert) auf einer Party für Erwachsene. Verschlungene Körper, zwangsloses triebgesteuertes Verlangen, das den familiären Zusammenhang stärken könnte. Mehr nicht. Die ehrenwerte Gesellschaft unter sich, untereinander und miteinander in Einem. Und nun war sie auf dem Weg zu … ja zu wem eigentlich? Niemand weiß es. Außer Vyner und Gent. Der Eine wird ihr Mörder sein, der Andere den gestohlenen Wagen steuern. Und Hal Challis soll nun aus diesem Geheimnis-Knäuel einen roten Faden spinnen! Unter erschwerten Bedingungen, denn Budget-Kürzungen machen es ihm nicht leicht zu ermitteln. Und Superintendent McQuarrie steht auch nicht gerade auf der Einladungsliste, die Challis zu einem gemütlichen Beisammensein heranziehen würde…

Von den Sexparties hatte auch die Presse schon Wind bekommen. Tessa Kane hatte unter anderem einen Artikel darüber verfasst. Tessa. Tessa und Hal – das war einmal.

Das Wichtigste bei einer Mordermittlung ist die rasche Befragung von Tatzeugen. Und die wichtigste Zeugin im Mord an Janine McQuarrie ist Georgia McQuarrie. Doch die ist als Challis am Tatort eintrifft schon von ihrem Opa Superintendent McQuarrie in Sicherheit gebracht – oder sollte er besser sagen vereinnahmt? – worden. Keine besonders günstige Ausgangslage, um einen Mord aufzuklären.

Janine und Robert McQuarrie gehören (in Janines Fall gehörten) nicht zu den beliebtesten Menschen auf der Welt. Er als Troubleshooter gegen alles, was seine konservativen Werte in Frage stellt. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin, nahm ihre Verantwortung selten aber als selbige wahr. Genug, um eine Menge Feinde anzuhäufen. Oder war alles nur ein Versehen und der Killer hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht und die Falsche erschossen?

„Schnappschuss“ bietet nicht nur erstklassige Krimiunterhaltung, sondern auch einen ergiebigen Einblick in das Seelenheil des Ermittlers. In „Drachenmann“ und „Flugrausch“ war immer die Rede von Angela Challis, Hals Ehefrau. Die nahm sich im Gefängnis das Leben. Doch warum sie einsaß, war bisher ein Geheimnis. In „Schnappschuss“ wird es gelüftet. Die Beziehung zu Tessa Kane ist Geschichte, doch sein Liebesleben hat eine Zukunft. Wer es sein wird, das werden die weiteren Romane zeigen …

 

04 - Beweiskette

Eine Beweiskette ist eine geordnete, logische Folge von Argumenten und Fakten für einen Beweis. Klingt doch gar nicht so schwierig. Leider hält das Leben immer wieder Sachen parat, die mit Haken und Ösen kämpfen, damit diese Ordnung durcheinander gerät. Das muss auch Hal Challis feststellen, als er ans andere Ende vom Ende der Welt gerufen wird. Sein Vater bedarf dringend seiner Hilfe. Ellen Destry soll ihn so lang vertreten.

Die zehnjährige Katie Blasko ist verschwunden. Gleich eine echte Bewährungsprobe für Ellen. Die Kleine ist schon öfter mal ausgebüchst, weswegen die Mutter und ihr Freund sich auch relativ unbesorgt zeigen. Katie sollte bei einer Freundin übernachten, wo sie nie ankam. Auch bei ihrer Oma, wo sie sich gern mal versteckte, ist sie nicht. Ellen Destry wird misstrauisch. Gewalt in der Familie? Nee, bei denen doch nicht! Mutter und Freund geben sich als fürsorgliches Paar. Nur das Verschwinden der Kleinen melden sie erst einen Tag später.

Die Medien stürzen sich auf den Fall Katie Blasko. Irgendeiner im Revier muss sich verplappert oder gequatscht haben. Was Superintendent McQuarrie auf die Palme treibt. Außerdem macht – zum Glück erstmal nur unter den Kollegen – unter das Gerücht die Runde, dass es einen Pädophilenring in der unmittelbaren Nachbarschaft geben soll. Und dann ist auch noch der Rummel für kurze Zeit in der Stadt.

Die Bemühungen, die Überstunden, das Nichtlockerlassen lohnen sich: Katie Blasko wird gefunden. Doch sie hat Schlimmes mitmachen müssen. Bei den Ermittlungen über die Hintermänner muss Ellen Destry Geduld und Einfühlungsvermögen beweisen: Das Verbrechen hätte verhindert werden können, wären ihre Männer schon früher einmal sensibler vorgegangen…

Währenddessen ist Hal bei seinem Vater angekommen. Meg, seine Schwester begrüßt ihn. Vater liege im Sterben. Hart für ihn, hart für sie. Beide hatten erst vor einem Jahr ihre Mutter begraben. Megs Ehemann ist vor fünf Jahren verschwunden, was den Vater insgeheim freute, Meg bis heute nicht ganz verwunden hat. Sie habe sogar Anzeichen dafür, dass Gavin noch am Leben sei… Hal Challis ist nicht nur zur Pflege hier. Wann immer es die Zeit zulässt, macht er sich auf die Suche nach Gavin, Meg ist immer noch überzeugt, dass Gavin noch am Leben ist.

Doch dann wird Gavins Leiche gefunden. Und so manch Schlechtes über Gavin kommt ans Tageslicht. Als fanatischer Tierschützer hatte er sich eine Menge Feinde gemacht. Seine Stimmungsschwankungen blieben auch seiner Familie nicht verborgen. Eine Menge Tatverdächtiger treibt sich in Halsalter Heimat rum, sogar in seiner unmittelbaren Umgebung.

Hal Challis bei seiner richtigen Familie, Ellen Destry bei seiner beruflichen. Schritt für Schritt kommen sie einzeln und im Team der Lösung ihrer Fälle immer ein Stück näher. Bis alle Fakten keine Gegenargumente mehr zulassen.

 

05 - Rostmond

Drei Wochen ist es her, da hatte Ellen Destry das Haus von ihrem Chef Hal Challis gehütet als er sich bei seinem Vater befunden hat, als der im Sterben lag. Nun liegt sie neben ihm, hat sich eingerichtet und Hal Challis ist das, was man den glücklichsten Mann auf Erden nennt. Ein bisschen befremdlich ist die Situation schon: Er, ihr Chef und sie, seine Geliebte. Doch auf Peninsula im Süden Australiens nimmt das Verbrechen keine Rücksicht auf verliebte Pärchen. Schließlich steht die „Schoolie Week“ an. Eine Art Springbreak, bei die Schulabgänger es noch einmal so richtig krachen lassen, bevor der Ernst des Lebens beginnt.

Ein Anruf reißt Hal und Ellen aus dem morgendlichen Techtelmechtel. Lachlan Roe wurde zusammengeschlagen. Er war Kaplan an einer sündhaft teuren Privatschule. Der Tatort sieht fürchterlich aus, überall Blut. Sein Bruder Dirk ist noch anwesend, obwohl Lachlan Roe schon ins Krankenhaus gebracht wurde. Er ist bei Ollie Hindmarsh, einem ehrgeizigen Politiker angestellt. Der will so schnell wie möglich nach oben. Seiner Ansicht nach arbeitet die Polizei schlampig, nicht effektiv genug. Das macht er Hal Challis auch gleich klar. Druck von der Politik? Hal Challis zeigt sich äußerlich unbeeindruckt. Innerlich weiß er, dass bei diesem Fall alles mehr als korrekt ablaufen muss.

Auf dem Rechner des Opfers findet er Mails von Dirk Roe. Rassistischer Schwachsinn. Lachlan sollte sie weiterverbreiten. Auch ein Constable aus Hals Truppe hatte eine der Mails bekommen. So viel zum Thema „alles muss mehr als korrekt ablaufen“. Und dann ist da noch die eigentlich nicht gern gesehene Beziehung unter den Kollegen Challis und Destry.

Ollie Hindmarsh ist nicht nur der Boss von Dirk Roe, sondern als Schulbeiratsmitglied dafür verantwortlich, dass der unbeliebte Lachlan Roe Schulkaplan wurde. Seine Ansichten, die er mit aller Macht durch seine Sekte vertrat, brachten ihm oft ein müdes Lächeln ein. Selbst unter den Kollegen war er nicht sonderlich beliebt. Nach seinen gewaltsamen Tod – Lachlan Roe erliegt im Krankenhaus seinen Verletzungen – kommen die Ermittlungen richtig in Fahrt. Dann taucht eine zweite Leiche auf: Ludmilla Wishart, die beim Bauamt arbeitet und sich dort stark für den Erhalt historischer Gebäude einsetzt, wurde ermordet. Ihr Gatte ist die Nummer Eins auf der Verdächtigenliste. Carmen, die Freundin des Opfers weiß nichts Gutes über ihren Gatten zu berichten. Adrian Wishart, Architekt und ein Korinthenkacker, Geizkragen und Kotrollfreak vor dem Herren hatte sich nicht immer unter Kontrolle. Das letzte Objekt, dass Ludmilla Wishart betreute, war ein altes Fischerhaus. Das bringt einen weiteren Fall ans Tageslicht…

 

Tage zum Vergessen. Hal Challis ist zufrieden. Er wohnt mit Ellen Destry endlich zusammen im gemeinsamen Haus. Der verfrühte Lunch an diesem Tag schmeckt allerdings ein wenig bitter. Denn Ellen verreist für ganze acht Wochen nach London. Dort lernt sie – sicherlich nicht weniger traurig als Hal – den richtigen Umgang mit Vergewaltigungsopfern. Pam Murphy, Hals Kollegin, könnte das erlernte Wissen jetzt schon gebrauchen. Denn eine junge Frau, Chloe, wurde geschlagen, erniedrigt und mehrmals vergewaltigt. Und so wie es aussieht von einem Polizisten. Zumindest jedoch von einem Mann in Polizeiuniform. Der sich darüber hinaus auch noch ganz gut mit den Gepflogenheiten der Gesetzeshüter auskennt. Chloe musste nach der Tat, den Taten, auch noch eine ausgedehnte Reinigung ihres geschundenen Körpers über sich ergehen lassen. Die Spurensuche dürfte sich mehr als schwierig gestalten.

Ständige Budgetkürzungen lassen die Kosten sinken, die Verbrechensrate jedoch unverhältnismäßig steigen. Davon bekommt auch die Presse in Gestalt von Jack Porteous Wind. Hal hat also einen richtig beschissenen Start in den Tag!

Hal Challis‘ Gegner sind von einer ganz besonderen Art: Ein Vergewaltiger, der auf dem ersten und zweiten Blick als Gesetzeswächter durchgeht und eine akribisch arbeitende Diebesbande oder Einzelperson, die bei ihrer Arbeit pedantisch darauf achten keine Spuren zu hinterlassen. Doch Challis ja auch nicht gerade vom Eukalyptusbaum geschüttelt worden. Klein-Klein wird von großem Erfolg gekrönt werden. Soll heißen, Detektivarbeit bringt auf lange Sicht hin mehr als sofortige Anfangserfolge.

Nach und nach kristallisiert sich ein Geflecht aus Erpressung, Korruption und Gier heraus. Der uniformverliebte Triebtäter wird schnell dingfest gemacht. Mit der Diebin – so viel haben die Ermittlungen bereits ergeben – wird Challis allerdings so seine Mühe haben. Ebenso mit – wieder mal – seinem Vorgesetzten. Die Zeit rennt, denn die Diebin scheint in ernsten Schwierigkeiten zu sein. Sie selbst ist nicht nur Täterin, sondern auch Opfer eines skrupellosen Ex-Polizisten, das sich im Netz des Kunstmarktes und seiner Schattenseiten verfangen hat. Gewürzt mit einer persönlichen Note. Und Hal Challis geht ebenfalls die Zeit aus … Was das alles mit einem leisen Tod zu tun hat? Hier gelingt Garry Disher der ganz große Wurf. Wer Hal Challis schon ein bisschen kennt, weiß um seine Affinität zu Flugzeugen, Mehr wird nicht verraten.

„Leiser Tod“ ist kein leiser Krimi. Hal Challis’ Gesicht wird trüber und trüber, weil ihm von allen Seiten die Giftpfeile um die Ohren fliegen. Ellen ist weit weg, steht im per Videochat aber immer zur Seite und bestärkt ihn nicht aufzugeben. Das offene Ende – schmeißt er hin oder lassen ihn Marke und Berufung die negativen Seiten des Polizeijobs vergessen machen – lässt viel Raum für Spekulationen.

 

Ein Waldbrand in Hal Chalis’ Revier – soweit nichts Besonderes. Mittendrin ein Drogenlabor, Meth, die übelste Droge der Gegenwart. Bei einem Vortrag werden den Revierpolizisten die Folgen, die möglichen Gefahren eindringlich vor Augen geführt. Und zwar von einer Konsumentin, die die Kurve gekriegt hat und einer Mutter, die einen Sohn an Meth verloren hat, einen zweiten, der wahrscheinlich schon bald verloren gehen wird – die Eindringlichkeit, mit der Garry Disher dieses Phänomen beschreibt ist so anschaulich, dass einem schon am Beginn des neuen Hal-Challis-Krimi das Blut in den Adern gefriert. Und mittendrin in diesem Buschfeuer ein Drogenlabor. Und um Hal Challis herum ist Senior Seargant Coolidge von der Drogenfahndung. Sie macht ihm unmissverständlich klar, dass ihre Abetilung hier jetzt erstmal übernimmt, um der Meth-Schwemme Einhalt zu gebieten.

Zwei Leichen in der glimmenden Flora allerdings lassen Challis keine Ruhe. Er muss ermitteln, und wenn es sein muss auf eigene Faust. Die frage wie das Buschfeuer entfacht wurde ist erst einmal nebensächlich. Es kann eine achtlos weggeschnippte Kippe sein, die Grashalm für Grashalm erfasste und deren Feuer dann um sich griff. Es kann aber auch Mutwillen sein, um Größeres zu vertuschen. Methköche bleiben nie lang an einem Ort. Das weiß Hal Challis – auch, aber nicht erst seit dem Vortrag.

Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass zwei Auftragskiller in der Gegend unterwegs waren – der Leser kennt sie schon ein bisschen länger als die Ermittler. Denn sie eröffnen den schaurigen Krimireigen „Funkloch“.

Pam Murphy, Hals treue Kollegin, die ihn immer unterstützte, ist ebenfalls einer heißen Spur aufgesessen. Sie sucht einen Typen, der einem ortsbekannten Säufer ordentlich verprügelt hat. Der jedoch will plötzlich keine Anzeige mehr erstatten. Der Angreifer stand allem Anschein nach unter Drogeneinfluss, Meth – da ist die Verbindung, die der Leser braucht, um auf den folgenden dreihundert Seiten eine Odyssee der schlechten Manieren, des brutalsten Geschäftsgebarens und der widerwärtigsten Kreaturen zu erlesen.

Garry Disher hat sich Zeit gelassen bis er Hal Challis wieder auf Verbrecherjagd schickte. Das Warten hat sich gelohnt. Mit gewohnt brillanter Beobachtungsgabe zeichnet er ein gnadenloses Bild einer Gesellschaft, die von Borniertheit und Missgunst geprägt ist. Das Gemeinwohl im Süden Australiens ist tot. Es herrschen Aggression und Perversion.

Fast scheint es einem so als ob nur ein einziger Ermittler hier – durch Aufklärung – noch etwas bewirken könne: Der Autor Garry Disher. So detailliert wie er schreibt kein Autor. Das immense Wissen um Kriminelle treibt selbst erfahrenen Ermittlern die Schamesröte ins Gesicht.