Meine Freundin Lo

Paris zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts – Belle Époque. Es herrscht Frieden. Die, die sich regelmäßig treffen, kennen den Krieg nur aus Erzählungen. Eine Schauspielerin, besagte Lo, ein Journalist, eine Theaterdirektor, ein Dichter und ein Politiker. Sie frotzeln, sie diskutieren, reden ohne Unterlass und genießen das Leben. Zwei von ihnen werden ein Paar, genießen den Sommer. Am Ende verlässt sie ihn, um mit einem der Anderen davonzugehen. Kurz und knapp ist diese Geschichte zusammengefasst. Nicht weniger, aber viel mehr!  René Schickele, der Autor dieses kleinen, faszinierenden Büchleins schreibt – ob bewusst oder unbewusst – eine Gesellschaft, die sich seit einiger Zeit wiederholt. Heute nennt man sie die Generation Y. Zur damaligen Zeit – der Roman erschien 1910 – steckten sie allerdings schon in der Diskussion mit Themen, die heute die Generation Z bewegt: Freiheit, Zwanglosigkeit, Regellosigkeit. War man vor reichlich elf Jahrzehnten reifer als heutzutage?

Die Parallelen zur Gegenwart – denkt man sich den ganzen technischen Schnickschnack weg, den man heutzutage unbedingt braucht – sind unübersehbar. Lo, die Schauspielerin, ist ein Star. Wie viele Follower sie wohl heute hätte? Wie oft sie wohl in Boulevard-Magazinen auftreten würde? Ihr liegen die Männer zu Füßen. Sie genießt das. Es ist aber nicht ihr Lebenselixier ihre Verehrer mit falsch verstandener Emanzipation vor den Kopf zu stoßen. Sie hat ihren eigenen Kopf, und mit dem will sie durch die Wand. Kopfschmerzen bei sich selbst nimmt sie gern in Kauf.

Erst im Nachwort treten die Hintergründe der Geschichte klar zu Tage. Der Dichter ist einfach in mehr las nur groben Zügen als der Autor des Buches selbst zu erkennen. Die Schauspielerin ebenso. „Meine Freundin Lo“ als rein autobiographischen Roman zu sehen, wäre dann aber doch überzogen. Schickele gibt sich selbst mehr Raum, um der Schmach der Abfuhr zu entgehen. Dennoch liest sich das Nachwort wie eine Bestätigung dessen, was man da eben auf mehr als hundert Seiten gelesen hat. Nur wer es selbst erlebt, kann so schreiben. Und doch eine Erkenntnis zeigt sich erst ganz am Ende. Das erste Kapitel steht hier nicht am Beginn des Buches, sondern als süßer Abschluss. René Schickele fand es nicht als passend. Also ließ er es einfach weg. Nun sind beide wiedervereint. Zwar nicht in der eigentlichen Reihenfolge, dennoch untrennbar miteinander verknüpft.

Wenn ein Buch das Prädikat „unbegrenzt haltbar“ verdient – so der Name der Bücherreihe, zu der dieses Buch wie die Faust aufs Auge passt – dann dieses!