Algier-Trilogie: Morituri – Doppelweiß – Herbst der Chimären

Morituri - Doppelweiß - Herbst der Chimären

Morituri

Kommissar Brahim Llob ist ein Schnüffler wie man ihn sich wünscht, wenn man Hilfe braucht. Er ist der ärgste Feind, wenn er einen am Beinkleid zerrt. Der Freund, auf den man immer zählen kann, mit dem man auch mal etwas derbere Scherze macht. Der Feind, den man nicht einschätzen kann, der aufmüpfig ist, die Meinung (manchmal auch die Faust) ungefiltert entgegen schleudert. Korruption überlässt er generös den Anderen.

Und nun soll ausgerechnet dieser Mann, dem Anbiedern ein Graus ist, dem großen Ghoul Malik, einer Ikone der Vetternwirtschaft Algiers und ganz Algeriens, zu Diensten sein? Dessen Tochter Sabrine ist seit Wochen verschwunden. Der Ruf als exzellente Spürnase eilt Llob voraus. Nun ja, es ist sein Job Leute wieder aufzuspüren. Doch bitte schön, auf seine Art.

Doch das ist nicht der einzige Fall, an dem er arbeitet. Ein Komiker, der erpresst wird, fällt genauso einem Anschlag zum Opfer wie einige andere Verdächtige. Ein Club, der sich als Bordell herausstellt. Eine mögliche Verbündete segnet das Zeitliche. Und mittendrin Brahim Llob.Die Mörder machen auch vor der Polizei nicht halt. Ein Teammitglied wird ermordet.

Die Mächtigen des Landes haben überall ihre Finger im Spiel. Sie berufen sich auf ihre Ruhmestaten während des Befreiungskrieges, geiseln aber ihre Heimat, um die sie einst kämpften (zumindest gaben sie es vor), wie es nie zuvor der Fall war. Dass er aufpassen muss, weiß Llob seit Jahren. Er ist der Bulle. Viele würden ihn lieber heute als morgen tot sehen. So ist jeder Tag ein Geschenk für ihn. Schmeicheleien perlen an ihm ab. Einflussnahme riecht er schon lange bevor sie sein Ohr erreicht. Sarkasmus lässt ihn die auferlegte Untätigkeit und die Korruption im Lande ertragen.

Kommissar Llob schlägt sich durchs Leben. Nicht mal mehr oder weniger gut, sondern immer wieder, tagein, tagaus. Er verzweifelt nicht an den oft so aussichtslosen Situationen. Er sucht sich dann eben ein Schlupfloch, durch das er entschwinden kann, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Dass er dazu auch manchmal über die Stränge schlägt, macht ihn sympathisch. Und letzten Endes findet er, was er sucht. Die Auflösung des Falles ist in „Morituri“ ein gelungenes Happy end für den Leser und Genugtuung für den schreibenden Kommissar.

 

 

Doppelweiß

Das Schreiben ist für Brahim Llob mehr als nur ein bloßer Zeitvertreib. Seine Bücher werden ja schließlich auch gelesen. Unter anderem von Ben Ouda. Der arbeitete sich einst vom armen Bauernjungen zum erfolgreichen Diplomaten hoch. Er war so erfolgreich, dass man ihm einst mit übler Nachrede das Leben mehr als schwer machte. Damals, da war Kommissar Llob noch nicht Kommissar. Irgendwo im Nirgendwo versah er seinen Dienst. Und er hielt große Stücke auf Ben Ouda. Denn der Intellektuelle schien die richtigen Ideen für die Entwicklung Algeriens parat zu halten. Doch dann trennten sich ihre Wege. Llob ging nach Algier, wurde Kommissar. Ouda stieg immer weiter auf und wurde … am auffälligsten … fett. Doch seine Ideen keimten immer noch. Die beiden treffen sich. Ouda kann sich beim besten Willen nicht an den jungen Llob erinnern und schon gar nicht an dessen Heldentaten. So philosophieren die beiden. Bis Ouda endlich mit der Sprache rausrückt und dem sich fragenden Llob den Grund ihres Zusammentreffens mitteilt. Er will mit Llobs Hilfe ein Buch schreiben, in er große gesellschaftliche Veränderungen vorstellen möchte. Auch hat er geheime Papiere. Llob will es sich überlegen.

Doch zu lange. Denn schon bald ist Ouda tot. Nachdem das Team um einen Ermittler dezimiert wurde, kommt eine echte Verstärkung zu Llob und seinem Leutnant Lino: Ewegh Seddig, ein Hüne, ein Schrank von einem Kerl. Und er weiß um seine (Schlag-)Wirkung… das Trio ermittelt und stößt relativ schnell auf den Namen Dahmane Faïd. Der hat es geschafft in all den Jahren nach der Befreiung Geld und Macht im Überfluss anzuhäufen. Der schienbare Sozialismus Algeriens kam ihm dabei anfangs entgegen, später musste er sich Verbündete suchen. Faïd gehört zu der Sorte Menschen, mit denen sich Llob besonders gern anlegt. Typen, die meinen alles und jeden kaufen zu können. Leider gibt ihnen die Realität oft genug recht. Doch Llob ist da anders.

Günstlingswirtschaft und Bereicherung am Reichtum des Volkes – stehen im Fokus von „Doppelweiß“. Das alles scheint so weit weg, in einem Land, das so gut wie gar nicht in den Medien auftaucht. Doch schon beim Lesen tauchen erste Parallelen zur Gegenwart auf. Machtgierige Geier, die sich allen Richtungswechseln zum Trotz mehr als lebensnotwendig über Wasser gehalten haben und immer und überall ihre Finger im Spiel haben. Ein perfider Plan zum Umsturz der Gesellschaft ohne Folgen für diejenigen, die daran so gar kein Interesse haben, bildet den Auftakt zu einer Mordserie, bei der es letztendlich keinen Gewinner gibt. Aber Einen, der das Rätsel löst.

 

Herbst der Chimären

Man hätte es ahnen können, vielleicht sogar müssen: Ein schreibender Kommissar, der die Missstände im Land anprangert – das kann nicht lange gutgehen. Und wird ihm, Brahim Llob, eines seiner Werke zum Verhängnis und der Gang zum obersten Chef zu seinem Letzten. Die Dienstmarke ist futsch. Aus und vorbei der ewige Kampf um Ordnung auf den Straßen Algiers. Vorbei der Kampf für die Gerechtigkeit. Haben die Oberen gesiegt? Die Schlacht vielleicht…

Beim Besuch seines Freundes Arezki Naït-Wali, einem Intellektuellen, wird es ihm klar: Die, die sich Gedanken machen, sind Fluch und Segen zugleich. Ein Segen für jedes Land und jede Gesellschaft, die sie analysieren und verbessern wollen. Fluch für diejenigen, die das zu verhindern wissen. Denn Veränderungen ohne deren Einflussnahme ist keine gute Veränderung. So einfach ist die Welt!

„Herbst der Chimären“ gerät zu einer Art Abrechnung und Abgesang auf die Hoffnung für ein friedliches und lebenswertes Algerien. Die religiösen Fanatiker sind zum Spielball von denen geworden, denen sie nützlich sind: Finanz-Mafia, -Haie, -Jongleure wie auch immer man sie nennen mag.

Wem es nicht schon zuvor aufgefallen war: Brahim Llob ist Yasmina Khadra und die / der ist Mohammed Moulessehoul. Als hoher Offizier in der algerischen Armee hatte er schon Bücher in seinem Heimatland veröffentlicht. Doch mit der Algier Trilogie konnte er unmöglich in Algerien unter seinem eigenen Namen in Erscheinung treten. Seine Frau (Llobs Ehefrau heißt Mina) stellte ihm ihren Namen zur Verfügung, um der Nachwelt ein Zeugnis über den Bürgerkrieg in Algerien in der 1990er Jahren hinterlassen zu können. Ihr und ihrem Mann ist es zu verdanken, dass man heute so detailliert über diesen Krieg, der mehr als einhunderttausend Opfer forderte, Bescheid weiß.