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Erzähl mir von Ladakh

Erzähl mir von Ladakh

Wer sich auf dem Drahtesel über Pässe quält, die sechstausend Meter über dem Meeresspiegel auf dem indischen Subkontinent liegen, muss einfach seine Impressionen niederschreiben. Nicht, weil die Reise irgendwie finanziert werden muss. Nein, weil er nach dem Urlaub in geselliger Runde wohl kaum jemanden finden wird, der das gleiche Schicksal, die gleichen Eindrücke wiedergeben kann. So einen Urlaub macht man meist nur einmal.

Adi Traar hat schon mehrere solcher Reisen unternommen. Er kennt sich aus. Doch diese Reise wird auch ihn verblüffen. Die einzelnen Kapitel haben keine blumigen Überschriften – sie sind nach Höhenmetern unterteilt. So nüchtern das klingen mag, so farbenfroh sind die Reisebeschreibungen. Poetry slam im höchsten Gebirge der Welt. Adi Traar trifft in echt echte Typen, die man nicht überall auf der Welt als Reisegefährten sieht. Und alle sind genauestens informiert. Nicht über das Vorhaben des verrückten, der mit dem Rad in gebirgige Höhen aufsteigen will. Nein, das Schicksal Michael Jacksons ist ihr Tages- bzw. Wochen- bzw. Monatsthema. Alle sprechen ihn darauf an. Die Reise fand kurz nach dem Tod des Kings of Pop statt.

Den Autor plagen derweil andere Probleme. Hält die Technik, zum Beispiel? Um es vorweg zu nehmen: Nein, zumindest nicht immer. Antriebslos wird er deswegen nicht. Improvisieren in tausenden Metern Höhe. Auch ein Abenteuer, das nicht jeder erleben darf. Oder die durchaus als besonders zu bezeichnende Befriedigung ein echtes Bett unter dem geschundenen Körper spüren zu können. Die seltsame Küche Indiens und der Bergregionen zu genießen. Adi Traar genießt wirklich jeden Tag, jede Stunde, jede Minute in den Bergen. So manchen Abschnitt vielleicht auch erst im Nachhinein. Doch Genuss ist der ständige Begleiter des radelnden Reporters.

Egon Erwin Kisch dichtete man die Aufforderung „Schreiben Sie das auf, Kisch!“ an. Adi Traar möchte man zurufen: „Pack die Sachen, verreise und schreib alles auf!“. Mit Verve und lockerer Schreibe setzt er der seit Kurzem einsetzenden Himalaya-Bilderflut ein wortgewaltiges, fast unscheinbares Büchlein entgegen. Jeder Satz sitzt, jedes Wort ein Volltreffer, das den Leser die Strapazen einer solchen Reise vergessen lässt. Die Leichtigkeit seiner Worte steht im krassen Kontrast zu den Anstrengungen im Gebirge im Wiegeschritt voranzukommen. Oft muss man Schmunzeln, oft gerät man ins Grübeln. Doch immer unterliegt man dem Charme des Autoren und der unbeschreiblichen Landschaft.

Wieder einmal wird ein weißer Fleck auf der Landkarte der Abenteurer durch ein kleines Büchlein in ein Farbenmeer an Impressionen ersetzt.

Himalaya

Himalaya

Wer hoch hinaus will, muss unten anfangen, könnte ein asiatisches Sprichwort lauten. Ist aber eher eine Adaption. Oder auch der Leitspruch eines jeden Alpinisten, der das höchste Gebirge der Welt erklimmen möchte. Hier oben ist das Leben rau, echt, selten einladend. Viele, die die Spitze der Welt erobern wollten, konnten von ihren Taten nicht mehr berichten. Und die, die es konnten, vergaßen nie wieder, was sie erlebt hatten. Auch davon berichtet dieses Buch.

Es ist trotz der enorm fortgeschrittenen touristischen Erschließung immer noch eines der letzten Abenteuer unserer Zeit. Die Berge des Himalaya zu bezwingen (schon anhand der Wortwahl – bezwingen – lässt sich die Schwierigkeit des Unterfangens erkennen), ist ein so genannter Menschheitstraum. Dazu gehört zum Einen die Vision, zum Anderen die Umsetzung dieses Traumes. Philip Parker und sein Autorenteam haben sich auf Spurensuche begeben.

Die Eroberung des Himalaya begann nicht erst mit der Bezwingung des Mount Everest Ende Mai 1953. Sie begann viel früher, nur eben unbemerkt. Obwohl in den Höhenzügen des Himalaya nicht gerade das Leben tobt, so lebt man hier schon seit Ewigkeiten, nur eben unbemerkt. Seit ein paar Jahrzehnten ist es allerdings vorbei mit buddhistisch erhabener Ruhe. Biwaks und der damit verbundene Müllberg (der ist allerdings wirklich neu) bestimmen die Szenerie.

Wer davon liest, hat schon den größten Teil des Buches bezwungen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Leser von den Königreichen auf dem Dach der Welt erfahren, ist mit Pilgern und Missionaren auf Gipfel geklettert und hat mit dem Autor Stewart Weaver den Himalaya vermessen. Und natürlich auch mit Tenzing Norgay und seinem berühmten Schrittgefährten Sir Edmund Hillary auf alle herabgesehen.

„Himalaya – Die höchsten Berge der Welt und ihre Eroberung“ ist aktuell der einzige Abenteuerroman, der auf echten Fakten beruht. Natürlich ist es ein Sachbuch, aber geschrieben ist es wie ein echter Thriller. Und wer meint, dass mit der Erstbesteigung alle Messen gelesen sind, wird im letzten Kapitel von Doug Scott eines Besseren belehrt. Denn im Himalaya ist das Abenteuer noch lange nicht zu Ende. Begonnen hat das Abenteuer mit einem Traum, fortgesetzt wird es in diesem Buch, abgeschlossen wohl niemals.

Albpanorama

Albpanorama

Die Schwäbische Alb sieht von oben aus wie ein Keil, der sich zwischen Bodensee und Rhein gedrängt hat. Als ob sie im Spiel der Augenweiden auf sich aufmerksam machen will, e sich ihren Platz in der Geographie des Ländles gesucht, und gefunden. Vielen ist die Schwäbische Alb als Heimstatt der Hohenzollern mit ihrer gleichnamigen Burg ein Begriff.

Hartmut Schenker macht seinem Namen alle Ehre und beschenkt den Leser mit einem breitformatigen Bildband, der diesem 200 km langen Mittelgebirge ein bildstarkes Denkmal setzt. Nebelschwaden am Morgen, während der Tag langsam die ersten Sonnenstrahlen empfängt. In zarte Gelbtöne getauchtes Land rund um Reutlingen, das die Erhebungen kontrastreich aus der Ferne direkt vor das Auge des Betrachters führt. Vor Kraft strotzende Landschaften, die nur einen Schluss zulassen, nämlich den, dass man nun wirklich alles gesehen hat, was Mutter Natur zu bieten hat.

Dem Begriff Mittelgebirge schwingt immer die negative Wortdeutung „mittel“ bei: Mittelmaß, nicht so sehr vornweg, auch nicht hinterher hinkend, dennoch nie an der Spitze. Wer das glaubt, wird durch die doppelseitigen Panoramaabbildungen schnell eines Besseren belehrt. Feuriges Rot, in sanftes Morgenblau getauchte Winterlandschaften, saftiges Grün über den sonnenbedeckten Hügeln der Alb. Eine echte Liebeserklärung an das südwestlichste deutsche Mittelgebirge!

Geduld beweist Hartmut Schenker auch, wenn er auf den richtigen Moment wartet abzudrücken. Nämlich genau dann, wenn der Himmel sein Wolkenspiel der Wildheit der Natur angleicht. Bizarre Wolkenformationen und manchmal sogar eine Sternenschnuppe über schattigen Erhebungen. Er spielt nicht mit den Naturschauspielen, er lässt sie posieren. Streng und lebensfroh zugleich zeigen sich Berge und Täler gleichermaßen verlockend und einladend. Klare Linien und verschwommene Konturen lassen das Reisefieber steigen bis zu dem Punkt, an dem das Buch sich leider dem Ende neigt. Mensch und Natur scheinen hier noch im Einklang zu leben. Die roten ziegelgedeckten Dächer der Ortschaften fügen sich harmonisch ins Gesamtbild zwischen Heidenheim und Tuttlingen, zwischen Göppingen und Ulm ein. Nur so manches Gebäude, wie das Ulmer Münster, will der Umgebung Paroli bieten. Aussichtslos!

Wer von nun an Albträume hat, wacht nicht mehr schweißgebadet am Morgen auf, sondern träumte von einzigartigen Aussichten, kolossalen Naturschauspielen und königlichen Landschaften.

München

München

Was haben New York, Sydney und München gemeinsam? Sie zählen zu den weltweit berühmtesten Städten ihres Landes und doch haben andere den Titel Hauptstadt abgegriffen. Während Sydney ganz froh ist, nicht auch noch den Regierungs- und Verwaltungsstress Canberras zwischen Opera house und Bondi-Beach packen zu müssen, hat sich New York in sein Schicksal als „City, that never sleeps“ ergeben. Und München, ja München f(r)önt dem Image als Nördlichste Stadt Italiens, als Fußballhauptstadt Deutschlands, Europas und …, Weltstadt mit Herz. So manch anderen Titel hat sie glücklicherweise abstreifen können

Musen und Museen sind genauso als Wahrzeichen der Stadt an der Isar anzusehen wie Biergärten, echte Flaniermeilen und Kulturtempel. Bleiben wir ein wenig bei den Flaniermeilen. Berühmt ist die Maximilianstraße. Hier geht man nicht mit dem Portemonnaie einkaufen. Kreditkarten bieten sich eher an. Die beulen außerdem die Taschen nicht so aus. Aber zum Bummeln, zum Schaufensterln ist sie es wert eine gewisse Zeit des Trips zu opfern. Autor Achim Wigand kennt noch so einen Aussichtspunkt – gelb unterlegt, was für erfahrene Michael-Müller-Reisebandleser heißt: Achtung, hier kommt ein Tipp, den man nicht so häufig bis gar nicht in Reisebüchern findet. Unter der Überschrift  „Kidnapping und Kaviar“ wird von einem Banküberfall direkt gegenüber vom Restaurant Käfer in der Prinzregentenstraße erzählt. Zwei Millionen Mark Lösegeld, Dilettanten und feine Häppchen sind die Zutaten des ersten „Online-Crime“ Deutschlands – München wieder mal als Vorreiter. Mit im Lokal zwischen Kaviar und sensationsgeilen Reportern saß auch der letzte König Bayern Franz Josef Strauss. Der wollte gleich mit eigener Waffengewalt dem Drama ein für ihn typisches und würdiges Ende setzen.

München ist bekannt, dass selbst die Vororte bzw. der Speckgürtel einigermaßen von der Bekanntheit der Stadt profitieren. Auf einer der zahlreichen Karten wird dies deutlich: Wolfratshausen, Tegernesee, Starnberg, Andechs, Bad Tölz: Alles Orte, die fließend über die Lippen kommen. Und die alle, leicht zu erreichen sind. Auch Ihnen wird in diesem Buch gehuldigt.

München selbst kommt mit elf Touren davon. Elf? Da war doch was! Genau, so viel Spieler schickt ein Fußballtrainer auf den Platz, um – im Bayern-, FC- Bayern-Fall den Gegner bedröppelt wieder hoam zu schicka. Der Olympia-Park bzw. das Olympiastadion war bis vor wenigen Jahren die Heimat des Vorzeigevereins. Seit ein paar Jahren ist die Arena vor den Toren der Stadt inkl. Erlebniswelt die neue Heimstätte. Und der Olympiapark? Ist zum großen Erholungsorgienareal verwandelt worden. Traditionelle und extreme Sportbegeisterte finden hier ihr Heil in der Umsetzung ihrer Träume.

Ruhiger geht’s hingegen im Englischen Garten zu. Oder in der Pinakothek. Oder im Deutschen Museum. Oder oder oder. Man muss es eben selbst erleben. Allerdings kann das Überangebot schnell zu Verdruss führen. Je kürzer der Trip desto höher das Risiko München als Stress zu empfinden. Es gibt zwei Möglichkeiten dem zu entgehen: Länger bleiben und / oder Achim Wigands MM City Reiseband München sorgfältig zu lesen. Letzteres ist sowieso dringend zu empfehlen. Zweihundertachtzig Seiten inkl. herausnehmbarer Karte, elf Touren, 16 Pläne und Karten – das alles eingebettet in das umfassendste Beispiel wie ein Stadt-Reise-Plan auszusehen hat. Die mitunter süffisanten Texte geben das Kontroverse der Stadt anschaulich wieder: Laissez-faire und Schickimicki, Fußballfanatismus und edle Häppchen, rege Betriebsamkeit und erholsame wie lehrreiche Geschichtsbewältigung in bewährten Hallen. Nur wer kopflos (im wahren und übertragenen Sinne) die Stadt erobern will, kann auf dieses Buch verzichten.

Hotel Schräg

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Es ist schon schräg hier, im Slant House. Alles ein bisschen runtergekommen. Optimistisch könnte man es als urig bezeichnen. Doch der leicht patinierte Charme täuscht nicht. Die Patina hat schon aufs Gebäudeinnere übergegriffen. Der Chef, Alain Schräg ist ebenso kurios wie berühmt seine einstigen Gäste waren. Der Fotograf Valéry Vale hat hier genächtigt und auch gearbeitet. Und schon ist der Leser mitten in einer schrägen (!) Geschichte. Als Benôit Flucks samt Freundin Lola im Hotel Quartier beziehen, entwickelt sich eine haarsträubende Geschichte.

Die beiden nächtigen in einem Zimmer, in dem der berühmte Fotograf Vale auch schon übernachtete. Von seinen Bildern gibt es nicht mehr viele auf dem Markt. Nur hier, in der runtergekommensten Kaschemme der Schweizer Alpen soll das letzte noch verfügbare Exemplar zu sehen sein? Die Nase kitzelt, das große Geld lockt, Ruhm und Ehre sind zum Greifen nah. Sowohl für Alain Schräg als auch für Fluchs und Lola.

Martin Walker, nein, nicht der mit dem unerschöpflichen Ideenreichtum und unbändigen Geschäftssinn und dem Kommissar aus dem Perigord, sondern Martin Walker der Journalist mit dem untrüblichen Gespür für außergewöhnliche Reisebücher („Schweiz für die Hosentasche. Was Reiseführer verschweigen“) führt den Leser in die Tiefen der menschlichen Neugier. Ein Kunsthistoriker, der seine große Chance wittert. Ein Hotelier, der seine letzte Chance sieht. Eine Frau, die erst gar nicht begreift, dass zwei Männer in ihr das Gleiche sehen: Eine Chance.

Der Leser weiß gar nicht wie ihm geschieht. Hanebüchene Story oder Tatsachenroman? Fakten, die keine sind, aber so überzeugend dargebracht werden, dass man gar nicht erst auf die Idee kommt, die Personen zu googeln. Das ist Literatur wie sie sein soll. Es gibt kein Echt und Unecht. Alles Fiktion oder doch Realität? Als Leser fühlt man sich nicht verschaukelt, eher animiert weiterzulesen, sich in die Gehirnwindungen der Personen zu versetzen. Alles so echt, so nah. Und doch alles erfunden! Oder doch nicht?

Gebrauchsanweisung für das Burgenland

Gebrauchsanweisung Burgenland

Das Burgenland ist das zweitkleinste Bundesland Österreichs. Und das Jüngste. Es grenzt ans die Slowakei, Ungarn und Slowenien. Das sind die wichtigsten Fakten, die Touristen aber eher als Nebeneffekt weitgehend unerheblich erachten. Darin sind sich auch die beiden Autoren Martin und Andreas Weinek einig. Denn nur durch die geographische Lage lässt sich der Reiz des Burgenlandes nicht näherbringen. Sie kommen diesem Reiz über die Menschenauf die Spur. Denn der Burgenländer hat fünf Seelen – glaubt man dem Autorenpaar.

Die erste Seele ist die kulinarische. Zuerst räumen die beiden mit dem Vorurteil auf, dass hier immer noch die einstige XXL-all-inclusive-Küche ihr El Dorado hat. Das war einmal. Unter dem zu viel propagierten Schlagwörtern saisonal und regional wird hier gekocht, gebrutzelt und geschlemmt. Und vor allem verwöhnt. Wem beim Lesen schon das Wasser im Munde zusammenläuft, der kann eines der abgedruckten Rezepte gern selber ausprobieren. Sozusagen als Einstimmung auf zwei Wochen Burgenland. Oder im Anschluss als lukullische Aufarbeitung oder genüssliches Gedächtnistraining. Eine Besonderheit sollte jede Region aufweisen können. Hier im Burgenland ist es der Uhudler. Man kann die Zunge noch so sehr verdrehen, es findet sich kein hochdeutsches Pendant dazu. Der Uhudler ist eine Weinsorte, die es nur hier gibt. Erst seit den frühen Neunzigern darf er wieder angebaut und hergestellt werden. Doch auch die EU-Bürokraten arbeiten schon wieder an einer Modifizierung, verbieten werden sie ihn wohl nicht können.

Die zweite Seele ist die künstlerische: Joseph Haydn wirkte hier am Hofe der Eszterhazys, Franz Liszt wurde hier geboren. Das allein reicht schon, um sich eine künstlerische Seele ans Revers zu heften. Doch die zahlreichen Festivals, Museen und Veranstaltungen machen das Burgenland zu einer Kulturregion.

Unternehmungslustig sans auch, die Burgenländer. Das ist die dritte Seele. Bei solchen Ausflugszielen kein Wunder. Neusiedler See, mittlerweile Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, unberührte Wiesen, auf denen man noch ganz old school Schmetterlingen hinterherjagen kann oder … ach was, die Zahl an Möglichkeiten geht schier ins Unendliche.

Fehlen noch zwei Seelen. Die Dunkle und die Versöhnliche. Nach so viel Sonnenschein auch Schatten? Nicht unbedingt. Das Autorenduo Weinek lässt – wie im gesamten Buch – hier der künstlerischen Seele (!) freien Lauf. Nicht alles, was in diesem Buch geschrieben steht, sollte man auf die Goldwaage legen. Ironisch und informativ sind nur zwei Attribute, die man diesem Buch auf keinem Fall absprechen wollte. Übrigens, Burgen gibt es hier auch!

Wenn man die fünf Seelen der Burgenländer sich erlesen hat, ist es nur noch ein Katzensprung ins Burgenland. Man ist bestens präpariert, um das einstige Bollwerk am Eisernen Vorhang zu erleben. Die „Gebrauchsanweisung für das Burgenland“ versteht sich nicht als Reiseführer im herkömmlichen Sinne, es ist das Buch, das man braucht, um die Bilder im Kopf ins rechte Licht zu rücken. Viele Zeilen geben erst vor Ort ihre wahre Bedeutung preis. Die ideale Zusatzlektüre zum Reisebuch!

Cervelat – Die Schweizer Nationalswurst

AS Verlag

Das Suchen hat ein Ende: Das ungewöhnlichste Buch des Jahres ist auf dem Markt! Und es geht um die Wurst. Nicht irgendeine Wurst. Um eine Nationalwurst. Die Cervelat-Wurst. Was macht eine Nationalwurst aus? Beispielsweise, dass jeder Durchschnitt alle zwei Wochen einmal einhundert Gramm Cervelat zu sich nimmt. Jeder Metzger, der etwas auf sich hält, ein eigenes (Geheim-)Rezept hat. Oder das jedes Volksfest ohne sie nicht als Volksfest bezeichnet werden kann. Oder dass sich Künstler damit beschäftigen. Oder dass sie immer weiter entwickelt wird. Ja, der Cervelat ist eine Nationalwurst. Genauso wie feststeht, dass wer ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht, es aus tiefstem Herzen tut.

Natürlich zaubert das Buch erstmals ein Schmunzeln ins Gesicht des Betrachters. Der erste Schritt ist getan. Ein Buch über ‘ne Wurst. Dann nimmt man es in die Hand – zweiter Schritt. Ein bisschen darin herumblättern. Spieße? Wie das? Weiterblättern! Ah ja, Wurst – Feuer – Grillen – Spaß haben. Jetzt wird’s klar! Die Wurst als Sozialisationsinstrument.

Die Wurst als Kunstobjekt, auch das ist Cervelat. Madame Tricot nennt sich eine Künstlerin, die – der Name verrät es – alles Essbare strickt. Ein ganzer Kühlschrank voll kulinarischer Köstlichkeiten. In der Schweiz darf da der Cervelat nicht fehlen! So lebensecht, dass man gleich reinbeißen möchte.

Der mehrfache Schweizer Grilliermeister Ueli Bernold erhebt den Cervelat mit seinem Fachwissen in den Stand einer Gourmet-Mahlzeit. In der Boucherie Droux & Fils in Estavayer-le-Lac im Kanton Freiburg wird das Handwerk zur Kunst erhoben.

Ob nun als Luxusobjekt, hübsch dekorativ angerichtet auf feinstem Porzellan oder auf die Hand (oder, wie das Buch, auf Pappe) der Cervelat ist aus dem Schweizer Alltag nicht mehr wegzudenken. Herausgeber Heinz von Arx hat mit Beat Caduff (Rezepte), Peter Krebs (Texte) und André Roth und Marc Schmid (Fotos) ein Buch kreiert, das nach anfänglichem Schmunzeln zu einem ernstzunehmenden Werk reift. Die gesamte Bandbreite der Betrachtung erstaunt mit jedem Umblättern den Leser mehr und mehr. Was alles möglich ist, wenn man ein Thema gefunden hat?! Bei über vierhundert Sorten Wurst, die in der Schweiz hergestellt werden, beweist dieses Buch, warum ausgerechnet der Cervelat so beliebt ist. Und noch beliebter werden wird. Denn jetzt kann jeder, der diese Wurst noch nicht kennt – das können eh nur Zugereiste sein – der Wurst auf den Grund gehen. Leider hat dieses Buch auch mal ein Ende, im Gegensatz zur Wurst: Die hat zwei.

Dolomiten

Dolomiten

Wer mit Geheimtipps von Urlaubsregionen hausieren geht, benutzt oft die Floskel, dass „man hier noch unberührte Natur (vor-)findet“. Alles ganz echt, naturbelassen, roh, rauh, schroff, die menschliche Hand ganz fern. Dolare nannten das die alten Römer, zurechthauen. Wer das erste Mal die Dolomiten bereist, bekommt leicht den Eindruck, dass hier Mutter Natur etwas grobschlächtig gearbeitet hat. Um vorschnellen Kritikern Einhalt zu gebieten, sei hier angemerkt, dass dieses Attribut durchaus liebevoll und wohlwollend gemeint ist. Steht man in einem der zahllosen Täler, fühlt man sich klein und willenlos. Erklimmt man einen der teils über dreitausend Meter hohen Gipfel, machen sich Erhabenheit und Glücksgefühle breit. Man hat die Rohheit bezwungen!

Die beiden Autoren Dietrich Höllhuber und Florian Fritz prügeln (auch das kann dolare bedeuten) den Leser nicht durch die beeindruckende Landschaft, sie nehmen ihn an die Hand und zeigen ihm die Wege, die man beschreiten muss, um dieses einzigartige Gebirge gebührend zu durchstreifen.

Brixen, Grödner Tal, Trentino, Belluno-Dolomiten und das Pustertal – kennt man alles, hat man schon mal gehört. Das Gebiet der Dolomiten wurde vor nicht einmal zwei Jahrzehnten auch als Marke zu einem hochentwickelten Produkt. Die Infrastruktur ist einwandfrei ausgebildet, dennoch hat man hier die eigenen Wurzeln nicht vergessen und besinnt sich fortwährend auf den so genannten unique selling piont, das Alleinstellungsmerkmal: Ruhe, Erholung, Natur ohne glatt gebügelte Eingriffe von außen. Wer die Dolomiten bereist, tut dies nicht aus Zwang, sondern aus bestimmten Gründen.

Dieses Reisebuch ist sicherlich einer der Gründe diese Gegend erkunden zu wollen. Gelb unterlegte Infokästen sind das Salz in der Wandersuppe der Urlauber. Denn hier gibt’s das, was andere nur versprechen: Echte Geheimtipps. Und erst die Bilder! Kleiner Tipp: Beginnen Sie beim Durchblättern auf Seite 72. Danach gibt’s kein Halten mehr. Koffer packen und ab in die Dolomiten. Ins Pustertal. In den Naturpark Sextener Dolomiten. Dort gibt es ein grandioses Farbenspiel an den Hängen der Gipfel. Garantiert!

Fünfzehn Wanderungen und Touren haben die beiden Autoren auf knapp dreihundert Seiten zusammengetragen. Nicht nur „Hier geht’s lang.“ „Dort gibt’s was zu futtern.“ Und „Das dürfen Sie nicht verpassen.“ Exakt durchdacht und mit jeder Zeile authentisch – man merkt sofort: Hier sind Experten bei der Arbeit. Von Aufbruchszeit, Einkehrmöglichkeiten, über Ruhestätten und Aussichtpunkten, bis hin zu nützlichen Tipps für Profis und Anfänger. Eigentlich wie immer: Ein Michael-Müller-Buch zum Schmökern, Schwelgen, Träumen, Reisen.

Der Wahldresdener Dietrich Höllhuber hat die fünfte Auflage seines Reisebuches leider nicht mehr miterleben können. Er verstarb nur kurze Zeit vor der Veröffentlichung. Auch als Neusachse hatte er die wichtigste Eigenschaft der Saggsen schon verinnerlicht. Dr Saggse liebt das Reisen sehr. Seine Reisebücher umfassten Neuseeland, Mallorca, Sächsische Schweiz, Südtirol, Meran und natürlich seine neue Heimat Dresden.

Matterhorn – Berg der Berge

Matterhorn - Berg der Berge

Samstagabend. Irgendwann in den 80ern. Hans-Joachim Kulenkampff führt elegant und charmant durch seine Sendung „Einer wird gewinnen“. Zwei Kandidaten – einer aus Finnland, mit gewaltigen Sprachschwierigkeiten – sollen anhand von Umrissen den Berg benennen. Den Fujiyama erkennen beide. Mount Everest, Mont Blanc .. da wird’s schon schwierig. Den Berg, den beide sofort erkennen, ist das Matterhorn. So einen Berg gibt es nur einmal. Vom schweizerischen Zermatt gesehen, sieht er aus wie eine unfertige Sphinx. Bergsteiger haben einen riesigen Respekt und nennen ihn nicht umsonst den Berg der Berge.

Mitte Juli 1865 wurde er nach achtzehn glücklosen Versuchen endlich erklommen, bezwungen. Nur ein paar Tage später sogar zum zweiten Mal. Sieben Bergsteiger nahmen – einige nicht zum ersten Mal – das bis dato unmögliche Unterfangen in Angriff. Drei kamen zurück, drei konnten nur noch tot geborgen werden. Einer ist bis heute verschwunden.

Wie ein riesiges Toblerone-Stück thront der Berg inmitten der Alpen in der schweizerisch-italienischen Grenzregion. Cervino nennen ihn die Italiener, die Walliser Hore. Einhundertfünfzig Jahre ist es nun her, dass die 4478 Meter von Menschenhand erobert wurden. In einer Zeit, in der es chic war Abenteuer zu planen, zu vermarkten und natürlich zu bestehen. Viele sind an diesem Berg zerbrochen, sprichwörtlich und buchstäblich.

Daniel Anker setzt diesen Menschen und ihrer Nemesis mit diesem Buch ein Denkmal. Als Bergsteiger kennt man so manche Geschichte über die die verschiedenen Herangehensweisen: Hörnligrat, Liongrat, Zmuttgart, Furggengrat. Man kennt auch die vier Wände, Ost-, West-, Nord- und Südwand. Die eine oder andere Anekdote sollte eingefleischten Alpinisten auch bekannt sein. Doch so konzentriert und umfangreich wurde das Matterhorn noch nie dargestellt. Die ewigen Kontrahenten, Werkzeuge, vergebliche Versuche, all die namenlosen Gescheiterten bekommen hier den Ruhm, der ihnen gehört. Und wer, wenn nicht der AS-Verlag aus Zürich sollte dem Walliser Naturdenkmal ein Denkmal setzen können. Schließlich ist hier das Heim der Bergmonographien. Höchste Zeit auch dem Matterhorn die nötige Ehre zu erweisen.

In einer Zeit, in der immer wieder gern auf Althergebrachtes als Neues verkauft wird, hat dieses Buch auch einen pädagogischen Charakter: Wenn also in naher Zukunft in einer Quizshow anhand von Umrissen ein Berg erkannt werden muss, oder noch etwas mehr Wissen dazu abgefragt wird, hält man mit diesem Buch den Hauptgewinn in den Händen. Auch wenn der Quizshow-Fall niemals eintreten sollte, so ist dieses Buch eine Augenweide: Die oft doppelseitigen Abbildungen lassen die Augen aufspringen und Fans wie Profis das Herz aufgehen.

Kuhle Schweizer – Swiss Stars

Kuhle Schweizer

Cooles Wortspiel, das mit dem kuhl und Schweiz. Und es macht sofort klar, um wen es geht: Kühe. Das Schweizer Nationaltier. Fotografin und Autorin Sonja Lacher hat gut lachen. Sie kommt den liebenswerten Viechern so nah, dass sie ihnen ihren Stempel aufdrücken kann. Ihren fotografischen Stempel. Über anderthalb Millionen Rinder leben in der Schweiz, und ein paar davon sind jetzt Swiss Stars.

Sie posieren gelassen vor der Linse Sonja Lachers – so sieht es zumindest aus. So manch ein Rindvieh ließe sich in mancher Situation auch als bl.. Kuh bezeichnen. Was Sonja Lacher niemals tun würde, da merkt man sofort, wenn man die Texte liest. Sie liebt Rinder.

Und die stellen sich in Pose als ob sie nie was anderes getan hätten. Ein Bulle mit prächtigen Kopfschmuck (Hörner) zeigt sich in Maichael-„Air“-Jordan-Pose, nur ohne Basketball und mit Haaren. Andere drehen keck der Kamera ihr Hinterteil zu, wie einst die Kommune 1. Detailliert blickt man ins Auge eines Rinds, und man fühlt sich an „Un chien andalou“ von Luis Buñuel erinnert. Zum Glück nicht so martialisch (mit Rasiermesser).

Majestätisch, gemütlich, hungrig, gierig, niedlich – ach es gibt so viele Worte, die Rinder beschreiben können. Niedlich sind besonders die jungen Kälber. Auch wuchtig gehört dazu. Vollgefressen und zufrieden, darauf wartend, dass es noch Nachschlag gibt. So ein Swiss Star vertilgt gern mal bis zu zwei Zentnern Gras. Pro Tag! Und bringt es schon mal auf fast 200 Liter an Getränken. Wir Menschen kommen locker mit zwei Litern aus.

Sonja Lacher lässt sich Zeit. Über die Schweiz gibt es ja das Vorurteil, dass die Hektik einen Bogen um die Alpenrepublik macht. Was natürlich Quatsch ist. Sonja Lacher weiß jedenfalls, wann sie abdrücken muss, um den idealen Zeitpunkt zu erwischen das Objekt ihrer Begierde ins rechte Licht zu rücken. Der Moment (oder ist es ein Muh-ment?) vor dem scheinbar ersten Kuss. Oder beim Recken nach den süßesten Früchten, die immer viel zu hoch hängen. Oder bei der exakt ausgerichteten Schlafanordnung beim Vor-Sich-Hindösen. Kühe, Rinder, Bullen, Muni – wer auch immer gerade vor der Kamera sich präsentieren will – gelten gemeinhin nicht als die Tiere, deren Bilder man als exotische Trophäen überall herumzeigt. Hier ist der Beweis, dass auch ein vermeintliches Nutztier Starqualitäten aufweist.

„Kuhle Schweizer“ ist ein Buch, das man sich immer wieder anschaut. Als Stimmungsaufheller, mit Kindern, allein, als Ablenkung vom hektischen Alltag, als Reizobjekt für die Sinne. Es gibt unzählige Anlässe das Buch wieder und wieder aus dem Regal zu nehmen.