Erzähl mir von Ladakh

Erzähl mir von Ladakh

Wer sich auf dem Drahtesel über Pässe quält, die sechstausend Meter über dem Meeresspiegel auf dem indischen Subkontinent liegen, muss einfach seine Impressionen niederschreiben. Nicht, weil die Reise irgendwie finanziert werden muss. Nein, weil er nach dem Urlaub in geselliger Runde wohl kaum jemanden finden wird, der das gleiche Schicksal, die gleichen Eindrücke wiedergeben kann. So einen Urlaub macht man meist nur einmal.

Adi Traar hat schon mehrere solcher Reisen unternommen. Er kennt sich aus. Doch diese Reise wird auch ihn verblüffen. Die einzelnen Kapitel haben keine blumigen Überschriften – sie sind nach Höhenmetern unterteilt. So nüchtern das klingen mag, so farbenfroh sind die Reisebeschreibungen. Poetry slam im höchsten Gebirge der Welt. Adi Traar trifft in echt echte Typen, die man nicht überall auf der Welt als Reisegefährten sieht. Und alle sind genauestens informiert. Nicht über das Vorhaben des verrückten, der mit dem Rad in gebirgige Höhen aufsteigen will. Nein, das Schicksal Michael Jacksons ist ihr Tages- bzw. Wochen- bzw. Monatsthema. Alle sprechen ihn darauf an. Die Reise fand kurz nach dem Tod des Kings of Pop statt.

Den Autor plagen derweil andere Probleme. Hält die Technik, zum Beispiel? Um es vorweg zu nehmen: Nein, zumindest nicht immer. Antriebslos wird er deswegen nicht. Improvisieren in tausenden Metern Höhe. Auch ein Abenteuer, das nicht jeder erleben darf. Oder die durchaus als besonders zu bezeichnende Befriedigung ein echtes Bett unter dem geschundenen Körper spüren zu können. Die seltsame Küche Indiens und der Bergregionen zu genießen. Adi Traar genießt wirklich jeden Tag, jede Stunde, jede Minute in den Bergen. So manchen Abschnitt vielleicht auch erst im Nachhinein. Doch Genuss ist der ständige Begleiter des radelnden Reporters.

Egon Erwin Kisch dichtete man die Aufforderung „Schreiben Sie das auf, Kisch!“ an. Adi Traar möchte man zurufen: „Pack die Sachen, verreise und schreib alles auf!“. Mit Verve und lockerer Schreibe setzt er der seit Kurzem einsetzenden Himalaya-Bilderflut ein wortgewaltiges, fast unscheinbares Büchlein entgegen. Jeder Satz sitzt, jedes Wort ein Volltreffer, das den Leser die Strapazen einer solchen Reise vergessen lässt. Die Leichtigkeit seiner Worte steht im krassen Kontrast zu den Anstrengungen im Gebirge im Wiegeschritt voranzukommen. Oft muss man Schmunzeln, oft gerät man ins Grübeln. Doch immer unterliegt man dem Charme des Autoren und der unbeschreiblichen Landschaft.

Wieder einmal wird ein weißer Fleck auf der Landkarte der Abenteurer durch ein kleines Büchlein in ein Farbenmeer an Impressionen ersetzt.