Archiv für den Monat: Februar 2015

Der liebste Ort auf Erden

Der liebste Ort auf Erden

Seit fast dreißig Jahren treibt Kritiker und Zuhörer die eine Frage um: „Wo ist das Papier?“. 1987 trällerte Jürgen von der Lippes Ohrwurm „Guten Morgen liebe Sorgen“ durch den Äther („.. der Bettvorleger gibt uns Schwung bis direkt vor’s Klosett. Und wo wir schon mal hier sind, da bleiben wir auch hier … fertig … wo ist das Papier?“

Jetzt gibt’s endlich die Antwort! Es ist zwischen zwei Buchdeckel gepresst und mit (auf)rührenden, nachdenklichen, historischen, humorvollen, poetischen, ermahnenden Gedanken beschrieben worden. Herzlich grüßt das Cover. Der Riss, der es nicht teilen kann, verrät die Herkunft: Draußen, immer der Nase nach.

Ja, in diesem Buch geht’s ums Klo, Klosett, Tö, Toilette, WC, 00, Abort, den Porzellanthron, das Sch… haus – ach was, sagen wir wie es ist: Scheißhaus. Und um die Geschäfte, die hier getätigt werden. Nase rümpfen? Nein, warum? Jeder tut’s. Keine Scham. Na klar weiß jeder, was man mit dem Toilettenpapier unterm Arm vor hat! Warum auch nicht? An diesem Ort sind alle gleich. Jeder tut’s, jeder muss es tun. Mal laut, mal leise, mal nachhaltig, aber immer erleichternd.

Die in diesem Buch zusammengetragenen Texte verblüffen nicht nur, weil es sich nicht gehört darüber zu sprechen (bei Tisch ist das ja noch okay, aber ansonsten kann man doch hier und da das eine oder andere Wort fallen lassen – schließlich kann jeder mitreden). Sie verblüffen wegen der schieren Masse die da zu Tage tritt. Bertolt Brecht, Erich Maria Remarque, Herta Müller, Joseph Roth – sie alle haben einige oder mehrere Zeilen der natürlichsten Sache der Welt gewidmet. Remarques Zeilen stammen aus „Im Westen nichts Neues“, dem eindrucksvollsten Buch über (und vor allem GEGEN) den Krieg. Brecht reimt sich was zusammen. Bei Herta Müller sind es eingebrannte Erinnerungen.

Die Frage wie man dieses Buch liest, erübrigt sich. Stückchenweise. Immer ein paar Seiten, je nach Länge des … Sie wissen schon. Es schließt sich der Kreis zu Jürgen von der Lippe. In seiner Sendung „Was liest Du?“ gab es eine Rubrik, die sich „Klolektüre“ nannte. Darin las er aus Büchern, die man in vielen kurzen Sitzungen lesen kann. Und was passt das besser als „Der liebste Ort auf Erden“?!

Ralf Schock und seinen unermüdlichen Helfern ist eine exzellente und angstnehmende Zusammenstellung mit Texten zum notdürftigsten Thema der Menschheit gelungen. Verhalten wie Goethe, direkt wie Robert Gernhardt, satirisch wie Hans Dieter Hüsch, intelligent wie Bodo Kirchhoff. Die Liste der Schreiber ist stilistisch abwechslungsreich und spannungsgeladen wie ein Vollgefressener. Sie lassen ihren Gedanken freien Lauf. Dem Leser wird jeder Gang zum Buch wie eine Erlösung vorkommen.

Lesereise Rom

Lesereise Rom

Rom noch einmal beschreiben? Warum? Kennt man doch alles! Das Forum Romanum, den Petersplatz, Kolosseum etc. Auch verzichtet sie auf übliche Wegweiser wie man von A nach B kommt. Sie unternimmt eine echte Reise. Neugierig, wissensdurstig und eloquent. Dem Leser soll’s recht sein auf den Spuren berühmter Leute zu wandeln, das einfache Leben zu erlesen und Rom (noch einmal) kennenzulernen.

Und so beginnt Christina Höfferer ihre Reise durch die Ewige Stadt damit, dass sie nachweist, dass Rom schon immer Künstler zu Höchstleistungen angespornt hat. Sie folgt den Stationen Ingeborg Bachmanns in Rom, besucht den Strand von Ostia, wo Pasolini einst den Tod fand und spürt den Geist von Fellini im Studio 5 der Cinecitta.

Wer Rom noch nicht kennt, wird mit diesem Buch angestachelt die Stadt am Tiber zu bereisen. Abseits der Touristenpfade findet die suchende Seele Ruhe und Erholung. Wer Rom schon kennt, wird es noch einmal kennenlernen. Caffè dort trinken, wo es die Römer tun. Flanieren, wo das römische Nachtleben beginnt und das Besondere der römischen Küche schmecken. All das steht in keinem Reiseführer. Das steht nur in diesem Buch.

Auf ihren Streifzügen durch Rom stößt Christina Höfferer auf unerhörte Gegensätze. Wenn der Chef des MAXXI, des Museums des 21. Jahrhundert, Hou Hanru von einer chinesischen Migrationswelle spricht, sieht er darin eine Chance. Denn die Nachfolgegeneration wird künstlerisch im Stande sein einen entscheidenden Beitrag leisten zu können. Wenn sie das Lager der Sinti und Roma besucht, schwingt Resignation in ihren Worten. Hoffnungsvoll wiederum das Kapitel über den Obstreichtum Roms.

Rom ist immer eine Reise wert. Dieser abgedroschene Satz birgt – gerade in Rom – so viel Wahrheit. Einer Stadt, die so präsent ist in den Köpfen der Menschen weltweit noch das eine oder andere Geheimnis abzuringen, bedarf größter Sorgfalt und offener Augen. Christina Höfferer geht mit offenen Augen und Ohren durch die pulsierende Metropole und macht dem Leser Appetit auf Rom und seine Einwohner.

Lesereise Bretagne

Lesereise Bretagne

Die Bretagne passt so gar nicht ins Bild vom eleganten Frankreich. Hier ist alles etwas robuster, ursprünglicher, mythisch. Stefanie Bisping lässt sich von der Idylle einfangen und verführt den Leser zu einer einzigartigen Reise in den Nordwesten Frankreichs.

Der Einstieg gestaltet sich schwierig. Beziehungsweise der Ausstieg. Denn die Landung in Brest findet in Quimper statt. Zu viel Nebel in Brest. Und schon ist man mitten in der Bretagne. Die Meeresnähe sorgt für ein rustikales Klima, trotz Golfstrom. Plamen und sturmgepeitschte Küstenabschnitte müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Und schon gar nicht hier, am Ende der Welt. Für die Bretonen übrigens der Anfang der Welt. Und schon ist man wieder mittendrin, in der Bretagne.

Nantes, die größte Stadt der Bretagne, war einst eine blühende Handelsmetropole. Hier wurde das Wertvollste auf der Welt „umgeschlagen“: Menschen. Vom Image als einer der größten „Umschlagplätze“ für Sklaven konnte sich die Stad mittlerweile befreien. Vom Schock des Zusammenbruchs der Industrie nur schwer. Seit einem Vierteljahrhundert ist man auf der Suche nach einem Konzept, das nachhaltig Geld in die Kassen von Nantes spült. 2013 war sie die Grüne Hauptstadt Europas. Auf fünfzehn Kilometern kann man hier sinnlich und poetisch die Stadt erkunden. Als Geburtsstadt des Fantasten Jules Verne war es nur ein gedanklicher Katzensprung die riesigen beweglichen Skulpturen in und auf Nantes aufmerksam zu machen. Tonnenschwere Ungetüme, auf denen man die Stadt aus einer bisher unbekannten Methode erkunden kann.

Doch die Bretagne ist mehr als die Hafenstadt Nantes. Pont Aven zum Beispiel ist durch Pal Gauguin weltberühmt geworden. Dieser kleine verschlafen wirkende Ort ist ein wahres Kleinod. Da reihen sich unzählige Galerien aneinander, geschickt durchbrochen von markanten Cidre-Läden. Idyllische Terrassen laden an sanft plätschernden Kanälen zum Tagebuchschreiben ein. Man sieht förmlich Stefanie Bisping den Stift schwingen. Vor ihr ein Glas Cidre, gerade noch in Sichtweite eine Wassermühle und kleine im Spiel der leichten Wellen sich wogende Boote. Die Luft ist rein, der Wind weht mal schwächer, mal stärker durch das satte Grün der umgebenden Flora.

Alsbald trägt es die Autorin wieder hinaus auf See, in die tosende Brandung des Atlantiks. Wenn sich das Meer zurückzieht, kommt die Zeit des Jagens. Die Jagd nach der Schwertmuschel. Mit einem geübten Jäger kommt sie dem Geheimnis der Jagd auf die Spur.

Selten zuvor wurde die Bretagne so lebensnah und echt dargestellt. Ein echter Reiseband mit Nachahmungscharakter.

Lesereise London

Lesereise London

Nach London zu reisen bedarf keiner Vorbereitung – tagtäglich fliegen dutzende Flugzeuge gen Heathrow, Luton und Gatwick. Und außerdem weiß man doch ganz genau, was man sehen will. Alles aus dem Fernsehen. Ja, so möchte man meinen. So unbeschwert und sorglos die Welt erkunden. Moment … warte … was ist das? Ein Warnsignal!

Kaum eine andere Stadt erfordert so viel Vorbereitung wie London. Denn alles auf einmal sehen … das geht beim besten Willen nicht. Das musste auch Martin Müller erfahren. Deswegen hat er sich kurzerhand entschlossen jährlich ein paar Wochen in London zu verbringen. Wie er selbst zugibt, hat er eine Couch in London. Er hat keine Zimmernachbarn, er hat richtige Nachbarn. Aus aller Herren Länder. Nicht nur aus dem ehemaligen Empire. Wer also wäre prädestinierter als Tippgeber für einen Rundgang durch London als einer, der die Stadt liebt, sich in sie verliebt hat?

Als geübter Londoner weiß er, was Longinners (London-beginners) brauchen: Zuerst einen Rundumschlag mit allen bekannten Highlights. Sonst schwebt immer dieses „Wir müssen unbedingt noch zu …“ über den lesenden Köpfen. Martin Müller begeht nicht den Fehler diese Highlights als Touri-Must-Haves abzutun oder ihnen zu große Bedeutung beizumessen. Er betrachtet sie aus einem anderen Blickwinkel. Und zwar als aktiver Zuschauer, der London vor und nach seiner Verwandlung (Olympia 2012, und den vorausgegangenen Veränderungen) kennt. So paddelt er beispielsweise auf der Themse oder fährt mit dem Rad. Wer London kennt, weiß, dass Radfahrer nicht unbedingt zum üblichen Straßenbild der Themse-Metropole gehör(t)en.

Da passt eher das Bankenviertel – als Kontrast dazu die Küste von Brighton. Martin Müller ist überall in der Stadt. Vom botanischen Garten bis zum Klassikkonzert – auch dafür muss man London rühmen. Und den Autor, der auf so beherzte Art und Weise das komplette Füllhorn an Besonderheiten Londons über den Leser ausschüttet.

Nach der Lektüre weiß man mit welchen Verkehrsmitteln man London erobern kann: Paddelnd, Radelnd, mit dem London Eye. Eine Methode fehlt aber noch. Und das ist die Beste: Lesend!

Tanz auf den Klippen

Tanz auf den Klippen

Aus so ziemlich jedem europäischen Land können die meisten einen oder mehrere Autoren bzw. einen Buchtitel benennen. Sei es auch nur, weil die Werke verfilmt wurden. Doch von den Färöer-Inseln? Da wird’s eng! Von der kleinen Inselgruppe haben die meisten nur als anstrengenden Gegner bei Qualifikationsspielen im Fußball gehört. Färöer grob umrissen: Nicht einmal fünfzigtausend Menschen leben auf anderthalb Dutzend Inseln.

Zwei davon sind die Protagonisten dieses Romans. So trist die Landschaft auf den ersten Blick scheint, so verbittert ist die Kindheit zweier Mädchen. Der überdachte Hof – mit all seinem Kram – ist das Paradies der beiden. Hier können sie herumtollen bis … ja bis der grimmige Vater im Schuppen vorbei schaut. Dann ist Ruhe. Ehrfurchtsvolle Ruhe. Beklemmende Ruhe.

Skurrile Personen, die sich im Bett verkriechen. Angsteinflößende Gestalten, die es einfach besser wissen. Fast schon mystisch ergießt sich die färöische Landschaft über die beiden Mädchen, die sich ihre eigene Welt schaffen.

Jahre später treffen sie sich wieder. Beide mit denselben Wurzeln, denselben Erlebnissen, doch so verschieden. Die eine geht suchend den geradlinigen Weg ins Leben. Studentin. Die Andere scheint ihr Elixier schon gefunden zu haben. Doch ihr Weg ist weder geradlinig, noch ist sie auf der Suche. Sie findet ihn – immer wieder. Immer bei einem anderen … Mann. Sie ist dabei so geradlinig wie ein Schlingerkurs. Doch zielstrebig ist sie. Und sehr berechnend.

Sólrún Michelsen ist auf den Färöer-Inseln eine bekannte Kinderbuchautorin. Mit „Tanz auf den Klippen“ wagt sie den Schritt über den großen, die Inselgruppe umgebenden, Teich. Weich und einfühlsam beschreibt sie den Lebensweg zweier Frauen vor dem Hintergrund einer den meisten von uns fremden Welt. Schroffe Felsformationen, peitschende Winde und eine tief in der Tradition verwurzelten Gesellschaft – das sind Grundlagen für einen echten Abenteuerroman á la Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Doch die Autorin zieht ihren Lausbuben ein Kleid an. Lässt sie ihre Welt aus der Sicht von Frauen erzählen. Das ist das Besondere an Michelsens Erstlingsroman für Große.

Haifische kommen nicht an Land

Haifische kommen nicht an Land

Joaquín lebt auf Ometepe. Das ist eine Insel in Nicaragua. Im Nicaraguasee, um genau zu sein. Er lebt eigentlich ganz zufrieden. Er arbeitet viel, kann deswegen nicht zur Schule gehen. Beides – die Arbeit und die nicht besuchbare Schule – stören ihn wenig. Denn wer arbeitet, verdient Geld, mit dem er sein Leben bestreiten und seine Familie unterstützen kann. Ohne Schulbildung, das weiß Joaquín, wird  er später mal keinen hochbezahlten Job bekommen. Er weiß aber auch, dass er, weil er fleißig und pfiffig ist, immer Arbeit haben wird. Das eine Übel wiegt das Andere auf.

Rosa, das Mädchen mit den gelben Haaren, das ihn zusammen mit ihrem Vater unterwegs auflas, ist da anders. Frech, keck, neugierig. Sehr neugierig. Aber auch verängstigt. Sie will nicht mal Saft auf dem Markt trinken, weil dort alles schmutzig sei. Sagt sie. Joaquín ist schon sehr verwundert über das Mädchen mit den gar nicht so passenden Namen. Rosa, und dann gelbe Haare, wo gibt’s denn so was? Gringos!

Rosa ist in Nicaragua, weil ihr Vater hier arbeitet. Weit weg von zu Hause in Deutschland, ist dieses Land ein riesiger Spielplatz für das aufgeweckte Mädchen. Und Joaquín der ideale Partner. Die kulturellen Unterschiede fallen beiden sofort auf. Sie das Einzelkind, was er so gar nicht verstehen kann. Er ohne Schulbildung, was ihr erst gar nicht verständlich ist. Dennoch freunden sie sich rasch an.

Für Joaquín ist Rosa das Abenteuer seines Lebens. Noch nie hat er jemanden kennengelernt, der so viel in der Tasche hat. Für Rosa ist Joaquín der Junge, mit dem sie die kurze Zeit in Mittelamerika zu einer unvergesslichen Zeit werden lassen kann.

Der Nicaraguasee im Süden des Landes bietet die farbenfrohe Kulisse für einen spannenden Jugendroman. Zwei Jugendliche, die sich anfreunden und feststellen, dass ihr kleiner Kosmos nur einer von vielen ist. Toleranz und Akzeptanz sind für beide Fremdworte. Sie leben sie einfach.

Karin Bruder gibt ihren Akteuren die Freiheit zu tun, was sie wollen. Fragend, neugierig, mutig erkunden sie ihre neue Welt. Die Erfahrungen ihres kurzen Lebens sind die Basis einer engen Freundschaft auf Zeit.

Der kleine Prinz / Le Petit Prince

Der kleine Prinz

Das erste Kinderbuch für Erwachsene! Seit über siebzig Jahren begeistert diese kleine Geschichte vom Piloten, der in der Wüste abstürzt und dem kleinen Prinzen die Welt. Sie zu erzählen ist überflüssig. Denn einerseits kennt man sie. Und andererseits – wenn man sie nicht kennt, muss man sie lesen. Ganz einfach!

Und die Geschichte ist es wert gelesen zu werden. Zum ersten Mal erschien die Geschichte am 6. April 1943 in New York. Drei Jahre später im Heimatland des Autoren, in Frankreich. 1950 konnten endlich auch die Deutschen am Schicksal des kleinen Prinzen teilhaben. Damals wie heute im Karl-Rauch-Verlag. Seit dem gab es unzählige Ausgaben. Große, Kleine, dicke und dünne Bücher. Die Originalzeichnungen bzw. die Rechte dafür lagen jahrelang beim amerikanischen Verlag, so dass es zwar die Bücher gab, die Zeichnungen aber nur in abgewandelter Form wiedergegeben werden durften. Zum 65. Jubiläum der deutschen Erstausgabe sind Text und Zeichnungen nun endlich wieder vereint (passend zum 25. Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung).

In dieser Ausgabe – es gibt mehrere Ausgaben des literarischen Welterfolges in diesem Jahr zu feiern – sind diese Zeichnungen doppelt vorhanden. Einmal in der deutschen Übersetzung von Grete und Josef Leitgeb und einmal in der französischen Originalfassung. Doppelter Genuss in zweierlei Hinsicht (Text und Bild).

Antoine de Saint-Exupery – allein schon der Name lässt die Herzen der Leser höher schlagen. Kaum ein Autor ist mit einem Werk weltweit so eng verbunden wie er. Spontan fallen einem da nur Herman Melville und „Moby Dick“ sowie J.D Salinger und „Der Fänger im Roggen“ ein. „Der kleine Prinz“ war jedoch kein One-Hit-Wonder. Auch die anderen Werke von Antoine de Saint-Exupery – man kann diesen Namen nicht oft genug wiederholen – sind einer breiten Leserschaft bekannt.

Jubiläen sind willkommene Anlässe ein Buch noch einmal herauszubringen. Wenn ein Buch über Jahrzehnte hinweg in den Köpfen der Menschen haften bleibt, ist es eine historische Notwendigkeit im gegebenen Rhythmus Neuauflagen zur Verfügung zu stellen. So werden derzeitige und künftige Generationen in den Genuss dieser Bücher kommen. Ob nun im Original oder in der zauberhaften Übersetzung – Der kleine Prinz ist und bleibt ein Klassiker!

Über tausend Hügel wandere ich mit Dir

Über tausend Hügel wandere ich mit dir

Der April 1994 war ein finsterer Monat in Ruanda. Denn damals gingen die Hutu und die Tutsi auf einander los. Sie schlugen sich die Köpfe ab, verstümmelten, massakrierten, vergewaltigten und mordeten. Erstaunlich wie viele Worte man für diese Scheußlichkeiten aufzählen kann. Eine Million Opfer in einhundert Tagen – so unvorstellbar, dass sich das Grauen nur mathematisch darstellen lässt, ohne dass es einem den Magen umdreht.

In diesem Frühjahr 1994 ist Jeanne – zu welcher Volksgruppe sie gehört ist unerheblich, da das Morden auf beiden Seiten stattgefunden hat – fast acht Jahre alt. Mit ihren Geschwistern liebt sie es Am Tage im wahrsten Sinne des Wortes Staub aufzuwirbeln. Am Abend hingegen mag sie es gar nicht, wenn er wieder abgewaschen werden soll. Wiederum liebt sie es der Großmutter Nyogokurus Geschichten zu lauschen. Die alte Frau versteht es mit Pausen die Spannung zu erhöhen. Jeannes Welt ist in Ordnung.

Dann beginnt der rücksichtslose Genozid. Jeanne kann fliehen. Ohne Mama. Ohne Papa. Ohne die Geschwister, Tanten, Onkel. Ohne Nyogokuru. Was so stimmungsvoll, so authentisch begann, findet nun eine Fortsetzung in der Beschreibung eines steinigen, entbehrungsreichen Weges ins Glück. In eine Zukunft, die … nein, in eine Zukunft. Das ist das Wichtigste für Jeanne: Eine Zukunft zu haben.

Ihre Flucht durch ihre so geliebte Heimat wird zum Spießrutenlaufen. Kaum die eine Straßensperre mit mehr oder weniger Hürden gemeistert, lauert nur wenige Minuten weiter die nächste Sperre. Und mit ihr eine neue Gefahr. Denn wer Feind, und wer Freund ist, lässt sich nur schwerlich im Vorfeld sagen. Sie bekommt unverhofft etwas zu essen geschenkt, von Einem, der ihr früher Angst einjagte. Hutu und Tutsi – zwei Völker in einem Land. Für ein Kind von acht Jahren ist das nicht von Belang. Für Erwachsene – und Jeanne muss schnell lernen, was das bedeutet – spielt es in Ruanda des Jahres 1994 eine lebenswichtige Rolle.

Ebenso von Bedeutung sind die Wiedersehen mit verlorengegangenen Freunden. Die Freude über das erneute Aufeinandertreffen mildert die Flucht aus der heimatlichen Geborgenheit.

Hanna Jansen schreibt mit Würde und Bedacht über ein Schicksal, das ihr vertrauter ist als vielen anderen. Als Bindeglied zwischen den einzelnen Kapiteln / Schickalsschlägen dienen kurze Anekdoten aus der Gegenwart Jeannes. Die findet in Deutschland statt. Bei ihrer Adoptivfamilie. Hanna Jansen hat selbst eine Großfamilie. Ein Großteil davon adoptierte Kinder aus Kriegsgebieten … Ja, Jeanne gibt es wirklich. Sie lebt in Deutschland. Bei Hanna Jansen. Und ihr hat sie ihre Geschichte erzählt. Beeindruckend und so lebensbejahend!

Der faule Freund

Der faule Freund

Lasst Taten sprechen. Worte sind überflüssig. „Der faule Freund“ ist ein Tatenbuch. Es kommt ohne Worte aus. Nur mit Bildern. So wird die Phantasie angeregt. Ab drei Jahren kann man dieses Buch lesen bzw. sich die Geschichte dazu selber ausdenken.

Das Faultier trägt auf den ersten Blick seinen Namen zurecht. Dank zahlreicher Zoo-Dokus im Fernsehen wissen wir, dass dem nicht so ist. Es ist halt etwas langsam. Doch dieses Faultier, in diesem Buch ist wirklich faul. Hoch in den Wipfeln der Bäume haben es sich der Frosch, die Schlange du der Papagei gemütlich gemacht. Auch das Faultier ist mit von der Partie. Während die anderen Drei den Tag mit Kartenspielen verbringen, hängt es – die Augen geschlossen – an einem Ast und döst vor sich hin. Schlaftrunken ziehen die Stunden an ihm achtlos vorüber.

Selbst das ohrenbetäubende Getöse kann ihn nicht aufwecken.

Die drei Freunde schon. Sie werden unsanft aus ihrem Spiel gerissen. Das Faultier interessiert das gar nicht, weil es von alle dem nicht mitbekommt.

Der Wald wird gerodet. Baumstämme abtransportiert. Mit dabei – allerdings ganz unfreiwillig – das Faultier, das immer noch an seinem Ast hängt.

Mehr soll erst einmal nicht verraten werden, nur so viel: So ein Abenteuer sollte man nicht verpassen. Oder besser: Nicht verschlafen!

Ohne Worte drückt eine Art Begeisterung aus. Wenn man einfach nicht das richtige zu sagen weiß, sagt man einfach nur „Ohne Worte“. Jeder weiß, was gemeint ist. So geht es dem erwachsenen Leser bei diesem Buch. Dem Nachwuchs hingegen wird es ganz anders ergehen. Die Gedanken sprudeln nur so heraus aus ihm. Herzhaftes Kinderlachen. Ein Mund, der nicht mehr Stillstehen mag. So muss ein echtes Kinderbuch sein. Voller Phantasie und mitreißend ab dem ersten Pinselstrich!

Redenta Tiria

Redenta Tiria

Abacrasta ist kein Ort, in dem leben möchte. Auch nicht tot überm Zaun hängen. Über diesem Ort schwebt das Mysterium des Todes. Ein Beamter, Rentner, hier geboren, hier gearbeitet, hier wird er wohl auch sterben, hat es sich zur Aufgabe gemacht diesem Mysterium auf den Grund zu gehen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund binden sich die Männer, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, ihre langen Gürtel, die bisher das Rutschen der Beinkleider verhinderten, um den Hals um ins Totenreich hineinzurutschen. Frauen nehmen sich einen Strick. Ihr Fardetta, der schwarze Faltenrock, der so typisch für Sardinien ist, benötigt keinen Gürtel.

Dieses Phänomen endet als Redenta Tiria in Abacrasta auftaucht. Eine betörende Schönheit (bestechend echt eingefangen auf dem Buchcover), die, blind, nicht sehend (!), wie aus dem Nichts in das nicht einmal zweitausend Seelen zählende Dorf kommt.

Der Erzähler berichtet von den Einheimischen. Jeder hat so seinen Tick. Sie sind Handwerker, Huren und Hallodris. Sie alle vereint das Schicksal Abacrasta. Früher oder später hören sie die Stimme, die sie (abbe-) ruft. Die Menschen der Nachbargemeinden meiden den Ort und ihre Bewohner. So ist Abacrasta der einsamste Ort der Insel. Aber auch der mit dem schönsten Geschichten. Der Leser vertieft sich in diese kleine Welt des Schicksals. Zum Schluss kommt auch der Autor in den Genuss Redenta Tiria kennenzulernen…

Salvatore Niffoi ist verantwortlich für diese seltsamen Geschichten aus dem Herzen Sardiniens. „Redenta Tiria“ war sein großer Durchbruch als Autor. Je mehr man sich in diese Geschichte vertieft, desto mehr begreift man auch warum. Mit Liebe zu den Menschen, ihren Marotten, mit geschultem Auge für ihre Schicksale setzt Niffoi den Sarden ein literarisches Denkmal. Eines, das Lust macht Sardinien zu erkunden, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ihre Kultur aufzusaugen ohne sie auszusaugen. Dieses Buch gehört ins Handgepäck, wenn es gen Süden nach Sardinien geht!