Archiv für den Monat: Februar 2014

Lago Maggiore

Lago Maggiore

Ein Reiseband zu einem einzigen See? Wie viel kann da schon zusammenkommen? Sage und schreibe 336 Seiten. Und wenn das Buch von solch zwei Reisefüchsen wie Eberhard Fohrer und Marcus X. Schmid geschrieben wird, dann ist dem Kenner auch gleich klar, dass keine einzige davon mit Langeweile den Leser quälen wird.

Elf Wanderungen und Touren haben die beiden zusammengestellt. Aber es sind nicht einfach nur Ausflüge rund um den von Schönheit umgebenen See in Italien. Es sind Touren für Körper UND Geist.

Denn der Lago Maggiore ist nicht einfach nur ein Teich, um den man mal so herum streunt. Das geht auch, aber warum Zeit vergeuden, wenn es soooo viel zu entdecken gibt? Ob am Tessiner Ufer, inden Tälern des Locarnese, am Ost- oder Westufer, dem Lago d’Orta oder in der Hügelregion Varesotto: Die Gegend ist gespickt mit Hinguckern, kleinen Histörchen und traumhaften Aus- und Einblicken. Und man wird das Gefühl nicht los, dass die beiden Autoren sie alle kennen. Auf geht’s in den Norden Italiens oder den Süden der Schweiz an den Lago Maggiore.

Wenn man durch Verscio im Tessin kommt, fühlt man sich ein bisschen auf den Arm genommen. Zahlreiche Schilder verweisen auf Dimitri, dem Namensgeber der Clownsschule. Es gibt ein Museum, ein Theater, und natürlich das Wohnhaus der Familie und einen Park mit zahlreichen Skulpturen berühmter Künstler. Na wen es da nicht die Mundwinkel nach oben zieht?

Ein kleiner Tipp aus dem Buch gefällig? Unbedingt mittwochs nach Luino reisen. Das liegt am östlichen Ufer auf italienischer Seite. Von 8 bis 16 Uhr findet im Stadtzentrum der riesige Mercato di Luino statt. Kleidungsstände machen einen Großteil des Marktes aus. Imposanter sind allerdings die Leckereien, die hier angeboten werden. Handeln und feilschen gehört hier zum guten Ton. Und erst die Auslagen! Eingelegte Gemüse, Wein, Öl, ach Herz was willst Du mehr?! Naschen erlaubt und erwünscht. Nur mit dem Auto sollte man nicht anreisen – Parkplätze sind Mangelware. Am besten mit dem Schiff. So kann man auf dem See ein wenig Kraft tranken, bevor man sich ins Getümmel stürzt. Denn ein Geheimtipp ist der Markt nicht gerade. Trotzdem ein paar Stunden der kostbaren Urlaubszeit wert.

Abgeschiedener ist es im Parco Nazionale della Val Grande. Täler, Schluchten, Flüsse und Bäche sorgen hier für eine entspannte und vor allem unturbolente Zeit, hier kann man auf Schritt und Tritt die Seele baumeln lassen. Die Wanderung wird bis ins kleinste Detail beschrieben, verlaufen unmöglich. Und einen Höhepunkt verpassen ebenso. Dank den beiden Autoren.

Das Beste aus der Knödelküche

Das Beste aus der Knödelküche

Was so ein Knödel alles kann? Alles sein kann? War er einst ein sättigendes Muss auf dem Tisch, ist ein Knödel heutzutage oftmals schon ein kleines Kunstwerk. Ingrid Pernkopf und Christoph Wagner beweisen mit „Das Beste aus der Knödelküche“, dass ein Superlativ auch mal angebracht ist. Denn in diesem Buch steht wirklich nur das Beste, was man aus einem Knödelteig herausholen kann.

Ingrid Pernkopf weiß wovon sie spricht, denn in ihrem Gasthaus „Grünberg am See“ in Gmunden im Salzkammergut serviert sie ihren Gästen auch gerne mal eine neue Kreation. Wenn man die Seiten gedankenverloren durch die Finger gleiten lässt, merkt man schnell: Noch nie ist eine Kreation bei den Gästen durchgefallen. So lecker liest sich dieses Buch. Ob süß oder herzhaft, ob Kletzenfülle oder Bärlauchtopfenknödel. Topfen ist der österreichische Begriff für Quark.

Hier im Land der Knödel – oh je die Thüringer werden jetzt auf die Barrikaden gehen, okay im Land der Knödelvielfalt – gedeihen die wildesten Ideen.

Oft verbindet man mit einem Knödel schwere Kost, die satt macht. Dass soll der Knödel im Einzelnen und eine Essen im Allgemeinen ja auch. Doch wer hat schon mal einen Gulaschknödel genossen? Oder Spinatknödel? Schon beim Lesen meldet sich der knurrende Magen und fordert seinen Energiezoll.

„Das Beste aus der Knödelküche“ gehört einfach in jeden Kochbuchschrank. Danach braucht man nie wieder ein Knödelkochbuch, es sei denn Ingrid Pernkopf schreibt eine Fortsetzung. Noch ein paar Appetitanreger gefällig? Sterzknödel, Rehknödel Diana (mmmmh mit Reh oder Wildfleisch), Speckgrießknödel. Den Knödel auch gern mal als Vorspeise servieren. Den Gästen werden die Augen rausfallen. Zumindest übergehen. Oder den Knödel veredeln, mit leckeren Saucen, Krokant oder Bröseln. Wer die Einleitung zur Geschichte des Knödels und zu den „Spielarten“ der leckeren Speisebällchen ohne Magengrummeln überstanden hat, bekommt auf den folgenden fast zweihundert Seiten die geballte Ladung Knödelwissen verpasst. Achtung wird wird scharf geschossen!

Die Freunde von Eddie Coyle

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Typen wie Eddie Coyle verursachen widersprüchliche Gefühle. Auf der einen Seite unangenehmer Charakter, hartnäckiger Verhandlungspartner. Andererseits sind Typen wie Eddie diejenigen, die einen aus einer brenzligen Situation herausquatschen können. Oder in eine hinein. Naja, es sei wie es ist. Typen wie Eddie gibt es nicht oft, aber es gibt sie.

einen Spitznamen Fingers hat Eddie sich redlich verdient. Als kleiner Waffenschieber geriet er in eine handfeste Auseinandersetzung. Hand auf Kommode – Schublade zu – Finger mit (wie er es sagt) vier neuen Gelenken versehen. Ja, es ist eine raue Zeit, Boston, Anfang der 70er Jahre. Und mittendrin Eddie Coyle.

Mal ein paar Knarren hier, ein paar Knarren da. Eddie verdient immer genug Geld, um über die Runden zu kommen. Und Eddie ist überall. Doch letztens ging was schief und jetzt droht ihm der Knast. Fünf Jahre sollen es sein, wenn es nach der Justiz geht. Das will Eddie natürlich nicht. Da kommt ihm ein Deal gerade recht. Wenn er Informationen über ein paar schräge Vögel liefert, die gerade ein krummes Ding drehen wollen, könnte sich das für ihn positiv auswirken.

Keine einfache Sache für jemanden, der bekannt ist wie ein bunter Hund. Und für einen, der außerdem dafür bekannt ist, knallhart im Geschäft zu sein. Und einen, dem man vertrauen kann. Für die Polizei der ideale Singvogel, weil er sich auskennt. Für die die Freunde von Eddie Coyle ein Horrorszenario, wenn sie herausbekommen, was Eddie vorhat.

George V. Higgins war selbst jahrelang Staatsanwalt, bevor er als Anwalt eine eigene Kanzlei eröffnete. Er kannte seine Pappenheimer und deren Sprechweise. Die Protagonisten in diesem Buch sind allesamt harte Hunde. Eine raue Schale meist mit einem harten Kern. Higgins gibt ihnen die Freiheit zu reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. „Die Freunde von Eddie Coyle“ ist kein Buch, das man mal eben so nebenbei liest. Dafür ist es zu dialoglastig. Und das ist gut! Denn so entsteht ein exaktes Abbild der Bostoner Unterwelt der 70er Jahre. Ein bisschen Jimmy „Popeye“ Doyle aus „French Connection“ gepaart mit einen gehörigen Schuss Tarantino. Und das nicht nur, weil einer der Verpfiffenen Jackie Brown heißt. Die Handelnden sind greifbar, auch wenn man nicht zwangsläufig solche Typen kennt. Aber so stellt man sich Gangster vor. Eine Garantie für ein Happy end gibt es bei Higgins nicht. Weder für Eddie Coyle, noch seine Freunde, noch für die Polizei und Justiz…

The Girl’s Book – Das außergewöhnliche Handbuch für neugierige Mädchen

The Girl's book

Jede Generation hat seine Statussymbole. Wer in den 80er Jahren ohne Filofax unterwegs war, wurde nur selten als cool bezeichnet. Heute sind es Smartphones und Tablets, die vermeintlich den Status begründen. Jungens in abgefahrenen Sneakers, Mädchen in auffälligen Klamotten. Fernab jedweden Rollenverständnisses hat das Girl’s Book das Zeug zum Statussymbol für Mädchen zu werden.

Oberflächlich betrachtet ein echtes Mädchending, das nur für Mädchen ist. Süßes aus Honig, Schmuck selbst herstellen und im Anhang fünfzig Sticker, um dieses Girl’s Book individuell zu verschönern. Mädchen sind romantisch, das sollen sie auch sein. Aber auch selbstbewusst. Die Liedermacherin Anne Haigis hat es in einem ihrer Lieder auf den Punkt gebracht: „Ja die Jungens müssen wissen, dass sie vor den süßen Küssen erst mal alles büßen müssen.“ Mädchen, die das verinnerlicht haben, werden an diesem Buch ihre helle Freude haben. Und wer über Karottenpommes mit Honig zu müde lächeln kann, wird vom Ergebnis überzeugt werden. Und die Tipps für eine geschmeidige Haut sind nicht für die Jungens gedacht, sondern einzig allein für die Mädels. Dass das auch Jungens gefällt, ist nicht mehr als ein willkommenes Zubrot.

Mit diesem Buch kann man sich stundenlang beschäftigen. Einzigartige Klamotten selber gestalten (auch wenn es heute keine Foto gibt), zu wissen, wann welches Gemüse erntereif ist, sich die Natur zu Nutzen machen – alles Sachen, die Mädchen wissen müssen, um sich entwickeln zu können. Auch Jungens wissen so was nicht immer. Wissensvorsprung garantiert.

Das Girl’s Book ist mehr als nur ein außergewöhnliches Handbuch für neugierige Mädchen. Es ist das ideale Geschenk, auch wenn es keinen Anlass gibt. Einfach mal zwischendurch sich selbst was gönnen oder dem Mädchen seiner Träume eine Freude machen. Ewig Dankbarkeit inklusive.

Macarons, Cupcakes und Cakepops

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„Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nun kopieren müssen?“, tönte einst Walter Ulbricht gegen die Jugend seines Volkes, die nach Rock `n Roll dürstete. Müssen wir  denn nun auch die Überschwemmung mit Cupcakes fürchten oder gar annehmen? Ja. Und warum? Weil Mia Öhrn es schafft den Zuckerbomben die Schwere zu nehmen und die Leckerheit zurückzugeben. Genuss ohne Reue sozusagen.

Mit viel Liebe zum Detail – sie gibt leicht verständliche Tipps, die das Backen gelingen lassen – verführt sie ab der ersten Seite.

Und die (die erste Seite) beginnt mit Macarons. Einen Gebäck, das noch auf dem Sprung ins Backbewusstsein ist. Kleine leckere Knusperkeksvariationen mit unterschiedlichen Füllungen. Mit Baiser. Schon beim Lesen knurrt der Magen und man muss aufpassen, dass einem das Buch nicht aus der schwitzigen Hand flutscht. Schon allein wie Mia Öhrn die Zubereitung der beiden Kekshälften beschreibt, lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen. Und dann die Füllungen: Maracuja, Limette-Minz, Schwarze Johannisbeere. Ein Gedicht. Am liebsten verwendet Mai Öhrn Schokoladen-Ganache. Ganache? Nie gehört? Dann wird es Zeit für dieses Buch. Auch hier merkt man wieder, dass der Autorin sehr am Gelingen der Backkreationen gelegen ist. Fast schon detailversessen gibt verweist sie auf ihre Erfahrungen bei der Herstellung. Auch bei ihr klappte nicht immer alles sofort.

Und während man so durch das Buch blättert und sich schon im Backwunderland wähnt, streckt einem doch glatt weg ein Schokoladen-Macarons mit Salztoffee frech die Zunge raus. Na warte! Du wirst gleich kopiert und dann verschlungen … Die Rache des Bäckers.

Cupcakes und Cakepops basieren auf den gleichen Grundlagen. Ein fluffiger Teig mit leckerem Topping (was oben drauf) oder darin gewälzt. Cakepops sind der letzte Schrei. Selbst in der Glotze. Jede noch so banale Sendung mit Bäckerei im Szenenbild bietet neuerdings Cakepops an. Doch bei Weitem nicht so leckere wie Mia Öhrn. Und sie bringt es auch auf den Punkt, wenn sie sagt, dass Cakepops nicht anderes sind als ausgedrückter Kuchenteig auf Lutscherstielen. Okay, es gehört noch ein wenig mehr dazu, um aus Kuchenteig und einem Stück Holz so was Leckeres zu fabrizieren. Was genau? Das erfahren Sie ab Seite 62 in „Macarons, Cupcakes, Cakepops“.

Vom Hinterhof in den Himmel

Vom Hinterhof in den Himmel. 15 Spaziergänge durch das unbekannte Wien

Eine Stadt wie Wien, die besucht man nicht einmal so im Vorübergehen. Dafür ist die Fülle an Attraktionen einfach zu groß. Was aber, wenn man nur ein paar Tage Zeit hat die Donaumetropole zu erkunden? Dann braucht man schon einen erfahrenen Experten, um Wien zu erfahren.

Christina Rademacher ist so eine Expertin. Sie zeigt in ihrem Buch Wege durch Wien, zu berühmten Persönlichkeiten und weist auf die oft versteckten Höhepunkte der Stadt hin. Und das alles zu Fuß. Kein langes Warten auf Tram und Bus. Kein Taxigeld-Kalkulieren. Alles ganz entspannt und frei einteilbar.

Wer Wien schon kennt, oder meint es zu kennen, wird überrascht sein, wie viel man noch nicht gesehen hat und vor allem wie viel es noch zu entdecken gibt. Alle Spaziergänge sind so konzipiert, dass man durchaus einen kompletten Tag für einen Spaziergang einplanen kann. Für ganz Neugierige, die aber wirklich gut zu Fuß sein müssen, ist der letzte der 15 vorgestellten Spaziergänge eine echte Herausforderung: Sage und schreibe 20 Kilometer durch alle Bezirke Wiens. Aber auch ein genüsslicher Abschluss, mit Schnitzel.

Christina Rademacher ist immer dabei, wenn man durch die Häuserschluchten der Stadt streift. Hektik kommt hier niemals auf. Gelassen berichtet sie von den kleinen Histörchen am Rande des Spaziergangs. Fast kommt man sich wie der tick-belastete Privatdetektiv Monk aus der gleichnamigen TV-Serie vor: Er muss alles anfassen, der Spaziergänger muss alles sehen. Ruheoasen laden zur Rast ein. Selbst Restauranttipps gibt die Autorin. Die sind aber kein Muss, nur liebevolle Stubser, um bei allem Reiz der Stadt nicht den knurrenden Magen zu übersehen.

Jeder Trip steht unter einem bestimmten Motto – so kann sich jeder nach seinem Gusto sein Wien erlaufen. Ob „Kommunisten im Villenviertel“ (Untertitel: Von Brigittenau über Japan nach Persien) oder „Siedler im Westen“ (Hermeswiese, Friedensstadt und Werkbundsiedlung), alle Spaziergänge ergreifen den Besucher ab dem Zeitpunkt, an dem man die Füße vor die Tür setzt. Am Ende eines jeden Kapitels wird noch einmal zusammengefasst, da kann man noch einmal kontrollieren, ob man nicht doch was übersehen hat. Denn wer schaut bei einer so prunkvollen Stadt wie Wien permanent ins Buch. Für Wien braucht man Zeit, das beweist Christina Rademacher mit jeder einzelnen Zeile. Alle Spaziergänge bei einem Besuch „abzuarbeiten“ – bitte schön. Aber da Wien immer eine Reise wert ist, kann man sich Zeit lassen. Das unbekannte Wien zu erschließen, dauert. Um genau zu sein dauert es zweihundert Seiten. Sofern es nicht einen zweiten Band geben wird …

Im Schatten des Banyanbaums

Im Schatten des Banyanbaums

Kambodscha Mitte der 70er Jahre. Raami ist ein kleines neugieriges Mädchen, das es kaum erwarten kann die Welt da draußen zu erkunden. Die Welt da draußen, das ist Südostasien außerhalb des großzügigen Anwesens, dass ihrer Familie gehört. Sie ist es direkte Nachfahrin der königlichen Familie. Herumtollen, die Erwachsenen mit Fragen löchern, Traditionen pflegen – so sieht ihr Alltag aus. Immer umsorgt von Milchmutter, Mama und der Königin Großmutter. Über allem thront ihr Vater, Philosoph und Geschichtenerzähler in einem. Für Raami der perfekte Platz, um aufzuwachsen.

Am Neujahrstag des Jahres 1975 endet dieses phantasievolle, behütete, grenzenlos freiheitliche Leben abrupt. Die Roten Khmer übersäen Kambodscha mit Hass, Misstrauen und irrationalem Handeln. Schon allein wer eine Brille trägt, ist verdächtig. Und wer verdächtig ist, gehört ausgemerzt. Wie soll es da erst dem einstigen Adel ergehen?

Von Heute auf Morgen wird Raamis bunte Welt in ein tristes Schwarz getaucht. Denn die Revolutionsbrigaden der Roten Khmer erlauben keine Freude, auch keine Farbenfreude. Auch übernimmt die „Organisation“ – hinter diesem Vehikel verstecken sich die meist ungebildeten, nicht einmal Lesen könnenden „neuen Herrscher“ – das Denken, bestimmt, was richtig und was falsch ist.

Schlimmer kann es nicht kommen? Oh doch! Die Familie wird auseinander gerissen. Waren sie erst in einer Tempelschule untergebracht, geht es nun aufs Land. Ohne den geliebten Vater. Der opfert sich, um seiner Familie so manche Pein zu ersparen. Für Raami, die sich schon immer mehr zu ihrem Vater als zu ihrer Mutter hingezogen fühlte, die schmerzlichste Erfahrung in ihrem noch jungen Leben.

Die harte Arbeit steckt das tapfere Mädchen weg. Immer wieder erinnert sie sich an die Geschichten ihres Vaters, diese erfüllen sie mit Hoffnung, und stärken sie für den nächsten Tag. Denn eines können die Roten Khmer nicht: Ihren Willen brechen.

Mit Phantasie und außergewöhnlicher Sensibilität fasst Vaddey Ratner ihr eigenes Schicksal in die Geschichte von Raami. Sie selbst wurde als Mitglied der Königsfamilie verschleppt, enteignet, gedemütigt. Auch ihr gelang die Flucht. Welch ein Glück, so können wir dieses Buch nun genießen. Vaddey Ratner schildert mit sanften Worten wie sie in ein neues hartes Leben gestoßen wurde. Die Wärme der Familie, der Kühle spendende Banyanbaum, die Herzlichkeit als Schutzschilde gegen die Rohheit der Zeit. Die Poesie der Worte mildert die Gräueltaten der Roten Khmer.

Vietnam – Auf dem Weg in eine neue Zeit

Vietnam - Auf dem Weg in eine neue Zeit

Das Erste, was man in Vietnam lernt, ist, dass man als Millionär auch nicht glücklicher ist, gerade, wenn um einen herum auch nur Millionäre sind. Đồng-Millionäre! Wer sich so Vietnam nähert, wird schnell merken, dass Vietnam ein gefühlvolles Land ist, das sich selbst treu bleibt und immer wieder neu erfindet. Und genau das beschreibt Robert Asam in seinem neuen Buch. Schon seit Jahren ist er ein Fan, ein Freund dieses Landes, das sich – touristisch – schon lange nicht mehr hinter dem Orts- und Branchenprimus Thailand verstecken muss.

Und wenn man in Ho-Chi-Minh-City unterwegs ist, lernt man zwei Sachen sofort. Erstens, dass Saigon eher in aller Munde ist als Ho-Chi-Minh-City und zweitens, dass der Verkehrsfluss, keineswegs Chaos bedeutet, sondern eben einfach nur seinen eigenen Regeln folgt. Anpassen, ganz wichtig!

Als gelernter Journalist ist es für Robert Asam normal die besonderen, die einzigartigen Geschichten herauszukitzeln. Dem Leser soll’s recht sein.

Vietnam ist ein aufstrebendes Land. Mit dem finanziellen Wohlstand geht aber auch die immer weiter auseinander scherende Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Eine blasse weiße Haut zeugt von städtischer Noblesse. Das europäische Braungebranntsein-und-sich-wohl-fühlen wird der Landbevölkerung überlassen. Es ist ein Zeichen von harter Arbeit, die bei weitem nicht so viel einbringt wie ein Imperium vom Schreibtisch aus zu regieren.

Diese Gegensätze trifft Robert Asam, wo er steht und geht. Seit seinen ersten Erfahrungen mit Vietnam – als Kind Mitte der 70er Jahre vor dem Fernseher – hat sich Vietnam kolossal verändert. Als Tourist, und vor allem als Journalist, kann man sich frei bewegen. Die einstmals vorherrschende Politpropaganda weicht den üblichen Reklametafeln. Mobiltelefone sind allerorts ein Statussymbol. Sich diesem Fortschritt zu verweigern, bedeutet eine enorme Kraftanstrengung.

„Vietnam – Auf dem Weg in eine neue Zeit“ ist kein Reiseführer im herkömmlichen Stil. Wer auf Insidertipps für Übernachtungen das Beste aus Asiens Woks hofft, muss sich mit Geschichten von besonderen Menschen begnügen. Wer Vietnam ernsthaft kennenlernen will, bevor er sich auf die Reise macht (und glauben Sie mir, Sie wollen nach dem Genuss dieses Buches nach Vietnam reisen), bekommt hier die volle Dröhnung Südostasien.

Mit akribischer Neugier kommt Robert Asam dem Geheimnis des Landes auf die Spur. Die Mischung aus traditioneller asiatischer Freundlichkeit und dem regen Streben nach Anerkennung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit lassen Vietnams auf über 200 Seiten im strahlenden Licht erscheinen.

Sei frech, wild und wunderbar

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Männer, seid so frech und stibitzt dieses Buch aus den Regalen, stöbert wild darin herum – Ihr werdet wunderbar bedient. Ja, auch Männer dürfen, eigentlich müssen, aber wer lässt sich schon gern was vorschreiben, also dürfen, dieses Buch lesen. Es geht nicht darum zu erfahren wie Frauen ticken, warum sie anders sind als Männer, und schon gar nicht, ob dieses Anderssein gut oder schlecht ist.

Petra Wüst leitet seit zehn Jahren ein Beratungszentrum in Basel und ist Expertin für Self Branding, Kommunikation und Leadership. Das klingt auf den ersten Blick etwas neumodisch und weit weg von einem selbst. Doch wer in sich ruht, kann auch andere für sich gewinnen. „Kommt für mich nicht in Frage! Das brauch ich nicht.“ Doch jeder braucht’s. Denn jeder ist darauf angewiesen, akzeptiert zu werden, sich nicht in seinen selbstgewebten Kokon zurückzuziehen.

In ihrem neuen Buch „Sei frech, wild und wunderbar“ – übrigens ein Zitat der Godmother of „Mädchen an die Macht“ und „Frech kommt weiter“, Astrid Lindgren – gibt sie ein Dutzend Schritte vor, für Frauen, die mehr wollen. Ohne dabei sich in wissenschaftlichen Theorien zu vergehen, packt Petra Wüst ihre Ratschläge in die Geschichten von vier Frauen. Die kennen sich seit Kindertagen, wohnten in derselben Straße, waren einst untrennbar. Bis das Leben begann. Die Vier sahen sich noch, hielt Kontakt, aber so richtig dicke Freundinnen waren die Vier nicht mehr. Bis eines Tages Michelle die verbleibenden Drei zur Scheidungsparty einlädt. Ja, sie feiert die neugewonnen Freiheit sich selbst noch einmal neu definieren zu können. Ihr geht es nicht darum dem Ex den Stinkefinger zu zeigen. Ihr Neuanfang ist das, was er ist: Ein Neuanfang.

Ohne wirklich von der Geschichte abzuschweifen, erklärt Petra Wüst anhand ihrer Heldinnen die Ursachen und die Folgen des Handelns der Frauen. Oft untergebuttert, in vorgegebenen Bahnen das Leben hingenommen, ohne die eigene Wünsche und Bedürfnisse ausleben zu können. Nur, um es noch einmal klarzustellen: Den Frauen ging es körperlich gut. Sie wurden nicht geschlagen oder erniedrigt. Ihnen wurde (durch wen auch immer, manchmal durch die selbst) nicht so recht klar, dass etwas fehlt bzw. alles noch schöner, noch besser oder einfach nur anders sein könnte.

Frech sein, bedeutet nicht zwangsläufig anderen Schaden zuzufügen. Das machen nur schwache Menschen, die andere mit Lügen überziehen und sich diebisch freuen, wenn die erwartete Reaktion eintritt. Wer so einen Chef zum Beispiel hat, wird mit diesem Buch seien Rachegelüste dämpfen. Sich selbst in den Fokus des eigenen Handelns stellen, ohne dabei zum gewissenlosen Egoisten zu werden, das erforscht dieses Buch. Wer mit sich selbst zufrieden ist, dem kann auch kein Anderer etwas anhaben. Egal, ob Mann oder Frau.

Die Entstehung der Gürteltiere

Die Entstehung der Gürteltiere

„Die Entstehung der Gürteltiere“ ist kein Buch über das man spricht. Es ist ein Buch, das man lesen muss. Oder vorliest. Oder sich vorlesen lässt. Denn Rudyard Kipling erzählt in seiner Geschichte für die Kleinen eine Fabel, die – und das ist nunmal das Wesen der Fabel – eine pädagogische Komponente hat, wenn auch ohne Moral. Doch schon diese Untersuchung lässt den Charme der Geschichte leiden. Also: Lesen! Nur so viel. Ein Igel und eine Schildkröte haben einen Heidenspaß den Jaguar zu foppen. Der lässt sich vom Wortspiel der beiden unterlegenen Tiere in die Irre führen. So, jetzt reicht’s mehr wird nicht verraten!

Ulrike Möltgen schmückt die facettenreiche Geschichte mit allerlei Farben und Techniken aus. Ihre Bilder regen die Phantasie an, die der Kleinen wie die der Großen. Fette Pinselstriche, grobe Schnitte, knallige Farben über verschiedene Ebenen verteilt, lassen den Dschungel in den Augen und Herzen der Leser erwachen. Die Anmut des Schwanzwedelns, der verdutzte Blick des Jaguarjungen, das herzhafte Lachen der Schildkröte, das diebische Feixen des Igels – wer genau hinschaut fühlt sich augenblicklich wie im Kino. Fast kann man vor lauter Freude das Buch kaum mehr in den Händen halten.

Und wieder einmal beweist ein Buch, dass die alten Geschichten noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Die Sprachgewalt von Rudyard Kipling strahlt bis heute, nicht umsonst hat er am Beginn des vorigen Jahrhunderts den Literatur-Nobelpreis erhalten. Als Siebter Mensch überhaupt.

Das riesige Format erlaubt es den Nachwuchs auf dem Schoß zu platzieren und dann mit ihm oder ihr dem Reiz der Bilder und der Geschichte vollends zu erliegen. Neben Evolutionstheorie und Theologie ist dies eine echte Alternative zur Entstehung der Gürteltiere…