Archiv der Kategorie: Leben im Fluss

Und dann kam das Wasser

Und dann kam das wasser

Langsam aber sicher bildet sich eine Schema heraus: Jedes Jahr im Herbst drängen Passau und die Donau in den Vordergrund des literarischen Interesses. Dagmar Isabell Schmidbauer kündigte bereits in „Der Tote vom Oberhaus“ Großes für den Herbst 2013 an. Und sie hielt Wort.

Doch die „zweite Jahrhundertflut“ veranlasste die Autorin den Roman noch einmal umschreiben und die Spannung noch greifbarer zu machen.

Kommissarin Franziska Steinbacher will endlich Urlaub machen mit ihrem Schatz. Doch schließlich sind wir in einem Krimi – und da kommt immer was dazwischen. Und da die junge Kommissarin bei der Mordkommission ist, kann es sich nur um eine Leiche handeln. Eigentlich kein Problem. Leiche bergen, obduzieren und schon hat man einen Anhaltspunkt. Dort, wo Donau, Inn und Ilz aufeinandertreffen, liegt eine Leiche in einem alten verlassenen Haus. Tja, und dann kommt das Wasser. Und keiner kommt mehr an die Leiche ran. Keine Leiche, kein Anhaltspunkt. Wo soll die Suche beginnen?

Das Erfolgsduo Hollermann / Steinbacher muss sich auf das besinnen, was sie in ihren Ausbildungen gelernt haben. Akribische Detektivarbeit.

Zumindest konnten sie den Leichnam noch einmal sehen, bevor das Wasser kam.

Das Haus, in dem der Tote lag, gehört einer Erbengemeinschaft. Vier Männer, die das Haus „in bester  Lage“ geerbt haben, teilen sich das Recht dieses Haus benutzen zu dürfen. Doch außer bei einem Auto, funktionieren vier Dinge niemals gleichzeitig, und schon gar nicht bewegen sie sich in eine Richtung. Drei der Vier wollen verkaufen. Einer nicht. Der Streit (und auch der Mord?) ist also vorprogrammiert. Nur, dass die Leiche keiner der Vier ist. Es ist der Anwalt der Erben, der ebenfalls einen Schlüssel für das nun überflutete Haus hatte. Doch der hat einen einwandfreien Leumund, er verschafft Immigranten Sprachkurse und Jobs. Warum sollte jemand diesen Gutmenschen umbringen? Und warum gerade in diesem Haus?

Franziska Steinbacher hat außer dem noch andere Sorgen. Walter, ihr Freund ist schon in den Süden geflogen. Nach Sizilien, dorthin, wo der Regen eine Erlösung und keine Herausforderung darstellt. Denn Walter hat eine Anstellung beim Theater bekommen. Und sie, Franziska, sollte eigentlich mit, für eine kurze Zeit. Was bleibt im Tränenmeer? Verzweifelte SMS eines verliebten Mannes, dem Franziska Steinbacher vertrauen kann oder nicht?

Es ist nicht einfach als Kommissarin im Gehirn von Dagmar Isabell Schmidbauer geborgen zu sein. Immer wieder hält die Autorin neue Charaktere – tot oder lebendig – parat. Immer wieder passiert etwas, dass die Protagonisten auf eine neue Spur lenkt. Und mittendrin der Leser, der sich vor Spannung fast ertrinkt.

PS: Es ist schon gute Tradition: Dagmar Isabell Schmidbauer macht schon Appetit auf den vierten Fall. Es geht also weiter im mörderischen Passau. An der mörderischen Donau. Mit mörderischen Geschichten…

Last call

Last Call

Was ist eigentlich so in Ihrem Leben in den vergangenen Jahren passiert? Und in ihrem Land? Und in der Welt? Man hätte es aufschreiben sollen. Bruno Wollmer war einst ein erfolgreicher Komödienschreiber. Bis es ihn in die Ferne zog. Nicht Fernweh war der Motor, ihm war das ganze Business zuwider. Abschotten um jeden Preis. Auch den der Freundesaufgabe. Also zog es ihn nach Südfrankreich. Hier machte er es sich heimelig. Abgeschieden von jedweder stressverursachenden Zivilisation. Doch nun – im April des Jahres 2009 – überkommt ihn der Zwang sich mit seinem Freund Richard wieder in Verbindung zu setzen. In Briefform, dieser altmodischen Art der Kommunikation. Es wird jedoch keine Briefwechsel, eher ein Briefmonolog.

Bruno Wollmer ist ein einsamer Mensch. Das selbst auferlegte Eremitentum bekommt ihm nicht mehr. Der Vater tot. Das ist die Reibungsfläche, an der alte Wunden wieder aufbrechen. Kommunikation ist das Pflaster, um die Risse zu heilen. Ob im Ort, oder per Brief – Bruno beginnt wieder mit Interaktion.

Er schreibt sich das Weh von der Seele. Wie ein Fluss windet sich sein Wortschwall durch das Tal seines Lebens. Zuerst ganz langsam, vor sich in plätschernd, ergießen sich die Fluten in einem reißenden Strom, der alles mitzureißen droht, was ihm in den Weg kommt.

Fast schon wehmütig erinnert sich Wollmer an die Zeit als erfolgreicher Komödienautor. Diese Zeit war geprägt von Erfolg und scheinbarer Einbettung ins soziale Gefüge der Gesellschaft. Doch letztendlich war diese Zeit die einsamere Zeit. Denn damals hatte er keine Zeit sich über sich Gedanken zu machen. Diesen Luxus gönnt sich Wollmer jetzt. Die absolute Stille des Süden – ein Spiegelbild seiner selbst.

„Last Call“ mit seinen hier und da philosophischen Anwandlungen ist mehr als die Lebensbeichte eines Gescheiterten. Es ist vielmehr die Selbsterkenntnis, dass Ruhe und Abgeschiedenheit für andere als verschroben angesehen wird, den Betroffenen selbst als Erlösung von den Fesseln des Alltags erscheint. Ein Mitmachbuch für Denker!

Mekong – Vom Dach der Welt zum Delta der neun Drachen

Mekong

Der Mekong ist eine der großen Sehnsüchte von Asienbesuchern. Mal gemächlich und sanft, mal wild und ungestüm durchzieht er Südostasien wie ein Herrscher, der keinen Zweifel an seiner Macht aufkommen lässt. Ein Fluss, der viele Länder durchfließt – Tibet, China, Burma/Myanmar, Laos, Kambodscha, Thailand und Vietnam – und unzählige Kulturen an seinen Ufern gedeihen ließ. Und Bernd Schiller hat sie besucht. Nun berichtet er stimmungsvoll und Abenteuer erheischend in diesem Buch.

Mae Nam Khong – so der eigentliche Name – ist der Asien-Highway für Eilige. Beginnend in China führt er seine Passagiere vorbei an öden Berghängen und saftig-grünen Urwäldern. Vorbei an urigen Dörfern und hochmodernen Städten.

Bernd Schiller trifft auf seinen zahlreichen Reisen, dessen Ergebnis nun in Buchform vorliegt die unterschiedlichsten Typen: Vom rheinländischen Würstchen-Fabrikanten über Tuk-Tuk-Chaffeuer bis hin zu Auswanderern, die es mit harter Arbeit doch schafften sich am anderen Ende der Welt eine neue Existenz aufzubauen.

Der Mekong führt all diese Charaktere zusammen, bietet Zuflucht, Nahrung, und ist mächtiger Trampelpfad durch die Geschichte. Denn auch die ist nicht ohne. Die Indochina-Kriege der französischen Kolonialmacht, der verheerende Vietnamkrieg der Amerikaner und die Schreckensherrschaft der Roten Khmer gehören genauso zum Mekong wie die nostalgischen Passagierschiffe, die jedes Jahr Millionen Augenpaare zum Leuchten bringen.

Auf seinen Reisen der vergangenen Jahre hat Bernd Schiller die Entwicklung der Anrainerstaaten genau beobachten können. Wo einst rückständige Dörfer waren, sprießen nun Glaspaläste aus dem Boden. Wo einst die ganze Familie anpacken musste, um den nächsten Tag zu überleben, gedeihen florierende Geschäfte. Asien am Fluss, Leben im Fluss, auf ca. fünftausend Kilometern Länge allerorts Veränderung.

Dieses Buch ist die ideale Reiselektüre für Südostasien. Bernd Schiller bringt dem Leser Kulturen nahe, die man so nur selten erleben kann. Vielschichtig interessiert schildert er das Leben der Menschen am und auf dem Fluss.

Aleppo – Ein Krieg zerstört Weltkulturerbe

Aleppo

Ist man ein glücklicher Mensch, wenn man die Schrecken des Krieges nicht kennt? Nein, man kann sich nur als glücklicherer Mensch betrachten. Wie ein Hohn muss das in den Ohren der Bewohner Aleppos klingen. Seit zwei Jahren vergeht kein Tag ohne Angst, ohne das irre Pfeifen der Granaten. Kein Tag, an dem nicht ein Kulturerbe im Namen der Freiheit willkürlich beschädigt oder gar zerstört wird. Vorbei das quirlige Leben in den Souks, vorbei die Pracht der Umayyaden Moschee, vorbei das süße Leben in einer der ältesten Städte der Welt.

Aleppo erlangte erst durch den grausigen Bürgerkrieg des Assad-Regimes gegen die – wahrscheinlich nicht viel besser agierenden – Rebellen traurige weltweite Berühmtheit. Schon das allein ist eine Schande. Muss denn immer erst was passieren, damit man Notiz nimmt? Aleppo hatte die Voraussetzungen Metropolen wie Damaskus, Paris und New York den Rang streitig zu machen oder zumindest in ihre Bedeutungsnähe zu gelangen. Und nun? Einschüsse so weit das Auge reicht. Verängstigte Menschen aller Altersklassen. Zerstörte Kulturgüter, die die Eroberungszüge Alexander des Großen, die marodierenden Horden der Mongolen und französische Besatzungszeit überstanden haben.

Mamoun Fansa setzt dieser Perle des Orients mit diesem Buch zumindest ein literarisches und bildstarkes Denkmal, das kein Verblendeter zerstören kann. Kein Kriegstreiber wird den Siegeszug dieses Buches aufhalten. Kein Hetzer wird das Andenken an Aleppo jemals komplett auslöschen. Deswegen sind die Beiträge der Autoren so wichtig und in ihrer Vielschichtigkeit so bedeutend.

Als erstes fallen die beeindruckenden Bilder dem Leser auf. Geschickt werden Einst und Jetzt gegenübergestellt. Wow und Oje befeuern das Wechselbad der Gefühle beim Durchblättern. Widerwarten und Abscheu gegen die Zerstörer kommen auf, wenn man sorgsam die Texte liest. Doch es zeigt auch – wie es der Untertitel ankündigt – auch Perspektiven auf, Hoffnung keimt auf. Und schon ertappt man sich dabei, dass man sich das Ende des Krieges wünscht, auch um endlich diese einzigartige Stadt kennenzulernen. Und vielleicht gibt es bald auch Berichte über die Stadt, die nicht auf den Zeitungsseiten unter Aktuelles erscheinen, sondern im Sonderteil bei den Reiseseiten. Es wäre zu allererst den Bewohnern Aleppos zu wünschen.

Kennedy sagte: „Ich bin ein Berliner“, Reagan: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“. Jetzt ist es am Leser zu sagen: „Mister Obama (oder Towarisch Putin, Frau Merkel, Monsieur Hollande) read this book!“

Mohnblumen wie Blutflecke

Mohnblumen wie Blutflecke

Das gibt’s doch gar nicht. Da kommt Karl Drischer auf Georg Händel zu und bittet, ja fordert ihn geradezu auf seinen Mörder zu finden. Also den von Karl Drischer. … Ja, das muss man erstmal sacken lassen. Ist der Alte noch bei Trost? Er lebt doch. Noch. Und dann offeriert Drischer Händel, der so ganz nebenbei auch noch Krimiautor ist, dass er diesen in seinem Testament mit 250.000 Euro bedacht hat. Georg Händel schwant Böses. Denn nicht nur, dass er im beschaulichen Stein am Rhein einer unglaublichen Geschichte auf die Spur geführt wird, so wird er gleichzeitig zu einem der Hauptverdächtigen. Das Testament umfasst um die 50 Mio. Euro, verteilt auf acht Personen, inkl. Händel.

Was tun? Den Auftrag ablehnen? Geht nicht – er steht ja im Testament. Also auf Wohl oder Übel annehmen. Und dann taucht auch noch Christoph Kamer auf. Ein unangenehmer Typ mit Hang zu Militäruniformen und leichten Naziattitüden. Ebenfalls Schriftsteller. Und auch er macht Händel ein Angebot, das der nicht ablehnen kann. Er schreibt Händels nächsten Roman – zufällig (natürlich) zum gleichen Thema: Dem Tod Karl Drischers. Als Bezahlung will er Lina Wasmeier. Sie ist die Freundin Georg Händels. Ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Mensch ist kein Stück Vieh, mit dem man Handel treibt. Oder doch?!

Gunter Gerlach treibt seine Akteure zu Höchstleistungen an. Getrieben von Neugier und dem Drang einen neuen, unglaublichen Roman zu schreiben und dem moralischen Schlucht, die die Verträge in sich bergen, scheucht er Händel, Drischer und Kamer durchs schweizerische Rheintal.

Verdächtige gibt es genug. Zum Beispiel Juliana Henkel, die Schwester des möglichen Mordopfers. Sie hasst Karl Drischer aufs Äußerste. Für sie war er schon immer ein Ekel, das sie mit Vorliebe quälte und tyrannisierte.

Alle Beteiligten scheinen eine Rolle zu spielen. Und Händel mittendrin. Er muss die Fäden aufdröseln, um selbigen nicht zu verlieren.

Gunter Gerlach erhielt in diesem Jahr den Friedrich Glauser Ehrenpreis für seine Arbeiten. Bereits vor einigen Jahren erhielt er zweimal den renommierten Preis für Krimi-Kurzgeschichten. Der Friedrich Glauser Preis gehört neben dem Deutschen Krimipreis zu einer der wichtigsten Auszeichnungen für Krimiautoren. Mit „Mohnblumen wie Blutflecke“ schickt er den Leser auf eine Reise durch Dickicht der menschlichen Phantasie, die abscheulich und erregend zugleich sein kann. Diesen Krimi legt man erst aus der Hand, wenn man auf der letzten Seite angelangt ist.

Nur ein Teil von Dir

Nur ein Teil von dir

Es ist nur ein kleiner Schritt vom Vorurteil zum Rassismus. Mit Rassismus kann man umgehen, weil er plump und stumpfsinnig ist. Vorurteile aus dem Weg zu räumen, bedarf einigen Aufwands.

Deola stammt aus Nigeria und lebt nun in London. Dort arbeitet sie als Wirtschaftsprüferin für eine NGO, ein nichtstaatliche Hilfsorganisation. Immer wieder stößt sie auf Reisen, bei der Arbeit, im Alltag auf Vorurteile. Doch sie ist Frau genug sich dem entgegenzustellen oder über diese hinwegzusehen. Ihr Leben – auch ohne Mann (wieder so ein Vorurteil, dass Frau ohne Mann es viel schwerer hat) – verläuft in geregelten Bahnen. Die Arbeit macht ihr Spaß, sie kommt rum in der Welt. Multi-Kulti ist für sie keine leere Worthülse, es ist ihr täglich Brot.

Doch ihre Welt wird auf eine harte Probe gestellt. Sie soll in ihrer Heimat Nigeria einige Hilfsorganisationen überprüfen, ob diese von ihrer Organisation unterstützt werden können, ob sie es wert sind unterstützt zu werden.

Es soll eine besondere Reise werden. Zum Einen ist Nigeria noch nicht im Portfolio von LINK, der Organisation, für die Deola arbeitet. Zum Anderen steht der fünfte Jahrestag des Todes ihres Vaters an. Und der wird mit einer großen Party begangen. Endlich Zeit Mom wiederzusehen. Und Aunty. Und Ivie, ihre Cousine. Endlich wieder unvoreingenommen sie selbst zu sein. Dafür nimmt sie gern die permanenten Vorwürfe in Kauf, warum sie, mit 39 Jahren, noch keinen Mann und kein Kind hat.

Groß ist die Freude über das Wiedersehen. Und auch die „Geschäfte“ machen Fortschritte. Und ein Mann tritt in Deolas Leben. Mit Folgen…

Sefi Atta legt mit „Nur ein Teil von Dir“ den authentischsten Nigeria-Roman ihrer Karriere vor. Fernab von folkloristischem Schnickschnack strickt sie eine schicksalhafte Geschichte einer jungen Frau, die voll und ganz in ihren jetzigen Leben aufgeht. Ihre Wurzeln sind stets präsent, dennoch führt sie ihr eigenes Leben, das durch eine Unachtsamkeit auf den Fugen geraten zu sein scheint.

Die zahlreichen detaillierten Facetten des nigerianischen Lebens ziehen den Leser in den Bann eines spannungsgeladenen Landes, das auf dem Sprung zu einer Wirtschaftsmacht immer wieder an den eigenen Ansprüchen und privater Vorteilsnahmen scheitert. Einzelschicksale untermalen diese Eindrücke. Vorurteile bekommen neuen Nährboden, werden aber auf der anderen Seite ebenso schnell entkräftet. Ein starkes Stück Afrika, eine kritische, ungeschminkte Sichtweise auf Nigeria.

Abserviert

Abserviert

Joan Medford ist Anfang zwanzig und hat schon die nächste gravierende Wendung in ihrem Leben hinter sich: Der Mann – tot. Nach einem Streit im Suff aus dem Haus gerauscht, und einen geliehenen Wagen gegen die Wand gesetzt. Das Kind – bei der Tante, der Schwester des Verblichenen in guten Händen. Ethel – die Tante des Jungen und Schwägerin von Joan – kann keine Kinder bekommen und ersinnt einen perfiden Plan den Jungen dauerhaft an sich zu binden. Joan hat ihren Sohn Tad zu Ethel gegeben, um ihr Leben ordnen zu können. Sie muss nun allein für alle Kosten aufkommen. Zwei Polizisten geben ihr den Rat als Kellnerin, nicht weit von zuhause weg, zu arbeiten. Nur so kann sie für sich und ihren dreijährigen Sohn das Leben bestreiten. Als Liz, ihre neue Kollegin, die Einundzwanzigjährige betrachtet, weiß sie, dass Joan erflogreich sein wird. James M. Cain beschreibt genüsslich die körperlichen Vorteile seiner Protagonistin und Erzählerin des Buches: Für Joan Medford scheint das Wort „wohlproportioniert“ erfunden worden zu sein.

Earl K. White The Third sieht das nicht minder emotional. Der kranke, schwerreiche Gast kommt nun täglich in die Cocktail-Bar und hinterlässt jedes Mal ein fürstliches Trinkgeld. Joan weiß um ihre Reize und setzt sie geschickt ein. Doch da ist auch noch Tom Barclay. Unwahrscheinlich anziehend für die Witwe, jedoch finanziell bei Weitem nicht so gut ausgestattet wie der ältere Gönner White. Und das erste Zusammentreffen von Tom und Joan ist auch nicht geeignet eine dauerhafte Liaison zu beginnen. Mr. White hingegen macht Joan ein ungewöhnliches Geschenk: 50.000 Dollar. So verschossen er in die Kellnerin ist, so sehr weiß er auch, dass eine Heirat nicht in Frage kommt. Dieser Schritt wäre für ihn tödlich. Nicht im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich.

Nach langem Werben willigt Joan in die Ehe mit Earl K. White ein. Doch schon während der Flitterwochen, die die beiden in London verbringen, bemerkt Joan bekannte Symptome, die ihrem neuen Leben eine erneute Wendung geben könnten.

Dieser Krimi Noir ist eine Offenbarung, weil ein Könner seines Faches (manche nennen ihn den Erfinder des „Krimi Noir“) in sein letztes Werk all seine Kunstfertigkeit gelegt hat. James M. Cain, der Autor unter anderem von „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ und „Mildred Pierce“ steht für Qualität im Regal der Spannungserzeuger. Ein knappes Dutzend Mal wurden seine Werke verfilmt und preisgekrönt.

James M. Cain gibt seinem letzten, lange verschollenen Werk ein wahres Fin noir. Wer das Werk Cains kennt, wird Parallelen zu den verfilmten Vorgänger „Wenn der Postmann zweimal klingelt“, „Mildred Pierce“ und „Frau ohne Gewissen“ erkennen. Somit ist „Abserviert“ die Essenz von James- M. Cains literarischen Vermächtnisses. Und was für eines!

Möhrenpesto und Maronicreme

Druck

Es ist keine Erfindung der Gegenwart, dass es schnell gehen muss in der Küche. Und schon gar nicht, dass es lecker schmecken muss. Ein Trend – der schon länger anhält – ist allerdings der Gesundheitsaspekt. All das abgepackte Fleisch, das haltbar gemacht werden muss, kann also per se nicht so frisch sein wie es so mancher Aufdruck vorzugaukeln versucht.

Da bleibt oft nur die gute alte Methode à la Oma: Es selber machen. Der Jan Thorbecke Verlag hat in regelmäßiger mindestens einen „Oma-Ratgeber“ auf Lager. Wobei hier das Augenmerk auf althergebrachten – und niemals aus der Mode gekommenen – Methoden der Zubereitung liegt. Dieses Mal stehen vegetarische Brotaufstriche ganz oben auf der Einkaufsliste.

Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, und beim Discounter die Zutaten einer Frischkäsecreme durchgelesen hat, ist verblüfft. Alles gesunde Zutaten. Wären da nicht die Zusätze wie „-extrakt“ und „-konzentrat“. Früchte und Obst gibt es nur im Ganzen, nicht extrahiert oder konzentriert.

Susanne Heindl und Sabine Fuchs stoßen die Tür zur gesunden – und ethisch verantwortungsvollen – schnellen Küche weit auf.

Selbst eingefleischten Allesvertilgern wird schon beim Lesen das Wasser im Munde zusammenlaufen, wenn sie die Zutaten lesen. Rosmarin auf dem Steak ist ja schon lecker. Aber auf einem – womöglich dazu noch selbst gebackenen – Brot, das ist noch eine Stufe leckerer. Ein Brennnessel-Frischkäse ruft erst einmal schmerzhafte Kindheitserinnerungen hervor. Aber mit Dill, Petersilie, Schnittlauch, Senf und anderen alltäglichen Zutaten wird daraus Erstens etwas völlig Neues und zweitens ein schmackhafter Aufstrich, den man garantiert bei der nächsten Feier anbieten wird. Schon wegen der staunenden Augen der Gäste.

Überhaupt sind die Zutaten in jedem Supermarkt, meist sogar um die Ecke auf der Wiese, auf dem Feld zu finden. So wird das Nachkochen und Zubereiten nach „Möhrenpesto und Maronicreme“ nicht nur ein Ausflug in vermutlich neue Koch- und Geschmacksgefilde, sondern auch eine die  Haushaltskasse schonende Erfahrung.

Die zahlreichen Fotos von Sabine Fuchs stimmen den Leser und neuen Kochexperten auf die gegenüberliegenden Seiten jeweils eindrucksvoll ein.

Den Vater töten

Den Vater töten

Den Vater nie kennengelernt, von der Mutter unsanft aus dem gemeinsamen Heim geworfen – „Was soll aus so einem nur werden?“ Die Wahl scheint oft zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Gefühlskälte und einzigartigen Fähigkeiten hin und her zu pendeln.

Joe Whip ist mit seinen Zaubertricks seit einem Jahr der verzückende Star der Bars und Clubs der Spielerstadt Reno am Rande der Sierra Nevada. Norman Terence ist ein begnadeter Magier, der den 15jährigen ein neues Heim gibt und ihn in die Geheimnisse der großen Magier einweihen will.

Joe lernt begeistert – und dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Ersten will er betrügen können, ein Ansinnen, das ihm Norman sofort wieder austreibt. Zum Anderen ist er, gelinde gesagt, total verschossen in Christina, Normans Freundin.

Diese Liebe in eine – für ihn – handfeste Tat umzusetzen, soll aber noch einige Zeit dauern. Denn erst an seinem 18. Geburtstag werden Christina und Norman ihn mit zum Burning Man Festival mitnehmen. Eine Welt, die Joe in eine Parallelwelt versetzen wird. Verrückte allenthalben, Feuerspucker (wie Christina), Gestalten aus fernen Galaxien, dauerhafte musikalische Beschallung und der Drang sich endlich Christina zu vereinigen. Sie wird es genauso wollen wie er. Joe und Norman geraten in einen Streit. Die hippiemäßige freie Liebe wird bei Norman einem Besitzanspruch weichen. Joe ist besessen von der Idee Christina, die nie seine Mutter war, und sich doch wie eine um ihn kümmerte, zu erobern, zu verführen und schlussendlich zu besitzen. Dieser philosophische Diskurs bringt die beiden Männer näher als sie es sich je eingestehen würden.

Joe verlässt Norman und Christina, um in Las Vegas Karriere zu machen. Was ihm auch anfangs gelingt …

Nicht jeder Vater muss nun Angst um sein Leben haben, wenn sein Kind ihm eröffnet: „Ich lese gerade Amélie Nothomb – ‘Den Vater töten‘“ Die Anleitung zum Patrizid oder Vatermord hält sich in Grenzen. Rasend schnell entwickelt Amélie Nothomb die Geschichte und vertieft den Leser nicht minder langsamer in den Strudel der Geschichte. Das Ende ist eines Hitchcock Thrillers würdig. Wer kurz vor Ende des Buches meint, die Lösung zu kennen, ist ein Narr oder ein unsagbar begnadeter Magier. Ebenso wie Joe, Norman und ein Belgier.

Cloud city

Cloud City

Dem Alltag davon schweben – den eigenen Gedanken, dem eigene tun nachgehen und nachhängen – urbane Gestalten gestalten ihren Rhythmus differenziert. Die Kurzgeschichten in „Cloud city“ unterscheiden sich gehörig von dem, was man als geübter Leser kennt und erwartet. Mark Heydrich erfindet Figuren, die es so nicht gibt. Oder doch?! Er lässt sie gewähren in ihrem Handeln, er wertet nicht. Und: Er gibt dem Leser viel Freiraum für Interpretationen.

Mit brachialer Präzision wirft er dem Leser Bruchstücke von Leben hin, konstruiert vage Geschichten und lässt Handlungsstränge und Ende offen. Der Leser wird unweigerlich in die Zeilen hineingezogen, um muss nun – wohl oder übel – für sich entscheiden, was er dem Helden antut oder welchen Weg er ihn einschlagen lässt. Das wird dem Leser aber erst beim Lesen bewusst. Einmal in den Fängen des Autors, gibt es kein Entkommen mehr. Wie Sand rinnt die Geschichte durch die Finger. Sie festzuhalten obliegt demjenigen, der die Zeilen vor seinem lesenden Auge hat. Ein Spiel, auf das man sich einlassen muss.

Hat man den Dreh raus, öffnet sich ein Paradies der Sinne. Auswanderer verlieren ihren Mut, Banalitäten wie eine defekte Glühbirne erheben sich zum Dreh- und Angelpunkt einer Brunchrunde unter Freunden. Und immer mit dabei: Der Leser. Unmerklich wird er Bestandteil der Geschichten.

Mal werden Rachegelüste in die Tat umgesetzt, oder nicht?! Der Leser muss jetzt entscheiden. Ist er Konsument, Zuschauer oder Beteiligter?

„Cloud city“ ist Mit-Mach-Lesen erster Klasse.