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Algier-Trilogie: Morituri – Doppelweiß – Herbst der Chimären

Morituri - Doppelweiß - Herbst der Chimären

Morituri

Kommissar Brahim Llob ist ein Schnüffler wie man ihn sich wünscht, wenn man Hilfe braucht. Er ist der ärgste Feind, wenn er einen am Beinkleid zerrt. Der Freund, auf den man immer zählen kann, mit dem man auch mal etwas derbere Scherze macht. Der Feind, den man nicht einschätzen kann, der aufmüpfig ist, die Meinung (manchmal auch die Faust) ungefiltert entgegen schleudert. Korruption überlässt er generös den Anderen.

Und nun soll ausgerechnet dieser Mann, dem Anbiedern ein Graus ist, dem großen Ghoul Malik, einer Ikone der Vetternwirtschaft Algiers und ganz Algeriens, zu Diensten sein? Dessen Tochter Sabrine ist seit Wochen verschwunden. Der Ruf als exzellente Spürnase eilt Llob voraus. Nun ja, es ist sein Job Leute wieder aufzuspüren. Doch bitte schön, auf seine Art.

Doch das ist nicht der einzige Fall, an dem er arbeitet. Ein Komiker, der erpresst wird, fällt genauso einem Anschlag zum Opfer wie einige andere Verdächtige. Ein Club, der sich als Bordell herausstellt. Eine mögliche Verbündete segnet das Zeitliche. Und mittendrin Brahim Llob.Die Mörder machen auch vor der Polizei nicht halt. Ein Teammitglied wird ermordet.

Die Mächtigen des Landes haben überall ihre Finger im Spiel. Sie berufen sich auf ihre Ruhmestaten während des Befreiungskrieges, geiseln aber ihre Heimat, um die sie einst kämpften (zumindest gaben sie es vor), wie es nie zuvor der Fall war. Dass er aufpassen muss, weiß Llob seit Jahren. Er ist der Bulle. Viele würden ihn lieber heute als morgen tot sehen. So ist jeder Tag ein Geschenk für ihn. Schmeicheleien perlen an ihm ab. Einflussnahme riecht er schon lange bevor sie sein Ohr erreicht. Sarkasmus lässt ihn die auferlegte Untätigkeit und die Korruption im Lande ertragen.

Kommissar Llob schlägt sich durchs Leben. Nicht mal mehr oder weniger gut, sondern immer wieder, tagein, tagaus. Er verzweifelt nicht an den oft so aussichtslosen Situationen. Er sucht sich dann eben ein Schlupfloch, durch das er entschwinden kann, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Dass er dazu auch manchmal über die Stränge schlägt, macht ihn sympathisch. Und letzten Endes findet er, was er sucht. Die Auflösung des Falles ist in „Morituri“ ein gelungenes Happy end für den Leser und Genugtuung für den schreibenden Kommissar.

 

 

Doppelweiß

Das Schreiben ist für Brahim Llob mehr als nur ein bloßer Zeitvertreib. Seine Bücher werden ja schließlich auch gelesen. Unter anderem von Ben Ouda. Der arbeitete sich einst vom armen Bauernjungen zum erfolgreichen Diplomaten hoch. Er war so erfolgreich, dass man ihm einst mit übler Nachrede das Leben mehr als schwer machte. Damals, da war Kommissar Llob noch nicht Kommissar. Irgendwo im Nirgendwo versah er seinen Dienst. Und er hielt große Stücke auf Ben Ouda. Denn der Intellektuelle schien die richtigen Ideen für die Entwicklung Algeriens parat zu halten. Doch dann trennten sich ihre Wege. Llob ging nach Algier, wurde Kommissar. Ouda stieg immer weiter auf und wurde … am auffälligsten … fett. Doch seine Ideen keimten immer noch. Die beiden treffen sich. Ouda kann sich beim besten Willen nicht an den jungen Llob erinnern und schon gar nicht an dessen Heldentaten. So philosophieren die beiden. Bis Ouda endlich mit der Sprache rausrückt und dem sich fragenden Llob den Grund ihres Zusammentreffens mitteilt. Er will mit Llobs Hilfe ein Buch schreiben, in er große gesellschaftliche Veränderungen vorstellen möchte. Auch hat er geheime Papiere. Llob will es sich überlegen.

Doch zu lange. Denn schon bald ist Ouda tot. Nachdem das Team um einen Ermittler dezimiert wurde, kommt eine echte Verstärkung zu Llob und seinem Leutnant Lino: Ewegh Seddig, ein Hüne, ein Schrank von einem Kerl. Und er weiß um seine (Schlag-)Wirkung… das Trio ermittelt und stößt relativ schnell auf den Namen Dahmane Faïd. Der hat es geschafft in all den Jahren nach der Befreiung Geld und Macht im Überfluss anzuhäufen. Der schienbare Sozialismus Algeriens kam ihm dabei anfangs entgegen, später musste er sich Verbündete suchen. Faïd gehört zu der Sorte Menschen, mit denen sich Llob besonders gern anlegt. Typen, die meinen alles und jeden kaufen zu können. Leider gibt ihnen die Realität oft genug recht. Doch Llob ist da anders.

Günstlingswirtschaft und Bereicherung am Reichtum des Volkes – stehen im Fokus von „Doppelweiß“. Das alles scheint so weit weg, in einem Land, das so gut wie gar nicht in den Medien auftaucht. Doch schon beim Lesen tauchen erste Parallelen zur Gegenwart auf. Machtgierige Geier, die sich allen Richtungswechseln zum Trotz mehr als lebensnotwendig über Wasser gehalten haben und immer und überall ihre Finger im Spiel haben. Ein perfider Plan zum Umsturz der Gesellschaft ohne Folgen für diejenigen, die daran so gar kein Interesse haben, bildet den Auftakt zu einer Mordserie, bei der es letztendlich keinen Gewinner gibt. Aber Einen, der das Rätsel löst.

 

Herbst der Chimären

Man hätte es ahnen können, vielleicht sogar müssen: Ein schreibender Kommissar, der die Missstände im Land anprangert – das kann nicht lange gutgehen. Und wird ihm, Brahim Llob, eines seiner Werke zum Verhängnis und der Gang zum obersten Chef zu seinem Letzten. Die Dienstmarke ist futsch. Aus und vorbei der ewige Kampf um Ordnung auf den Straßen Algiers. Vorbei der Kampf für die Gerechtigkeit. Haben die Oberen gesiegt? Die Schlacht vielleicht…

Beim Besuch seines Freundes Arezki Naït-Wali, einem Intellektuellen, wird es ihm klar: Die, die sich Gedanken machen, sind Fluch und Segen zugleich. Ein Segen für jedes Land und jede Gesellschaft, die sie analysieren und verbessern wollen. Fluch für diejenigen, die das zu verhindern wissen. Denn Veränderungen ohne deren Einflussnahme ist keine gute Veränderung. So einfach ist die Welt!

„Herbst der Chimären“ gerät zu einer Art Abrechnung und Abgesang auf die Hoffnung für ein friedliches und lebenswertes Algerien. Die religiösen Fanatiker sind zum Spielball von denen geworden, denen sie nützlich sind: Finanz-Mafia, -Haie, -Jongleure wie auch immer man sie nennen mag.

Wem es nicht schon zuvor aufgefallen war: Brahim Llob ist Yasmina Khadra und die / der ist Mohammed Moulessehoul. Als hoher Offizier in der algerischen Armee hatte er schon Bücher in seinem Heimatland veröffentlicht. Doch mit der Algier Trilogie konnte er unmöglich in Algerien unter seinem eigenen Namen in Erscheinung treten. Seine Frau (Llobs Ehefrau heißt Mina) stellte ihm ihren Namen zur Verfügung, um der Nachwelt ein Zeugnis über den Bürgerkrieg in Algerien in der 1990er Jahren hinterlassen zu können. Ihr und ihrem Mann ist es zu verdanken, dass man heute so detailliert über diesen Krieg, der mehr als einhunderttausend Opfer forderte, Bescheid weiß.

Memed IV – Der letzte Flug des Falken

Memed IV - Der letzte Flug des Falken

Memed ist müde. Müde vom Kampf, müde vom Versteckspiel, müde vom Leben. Jetzt will er sich im Land, wo Orangenduft die Luft erfüllt, die Zitronen den Tag erhellen, niederlassen. Hier unten im Tal ist er wieder Mensch. In den Bergen war er nur ein Aussetziger, ein Outlaw, ohne Würde. Da das karge Land, das nur wenig her gab für die Wenigen, die aus dem Wenigen ihr tristes Leben bestritten. Hier das fruchtbare Land, das ihm wie das Paradies erscheint. Hier unten im Tal kann er die Schönheit seines einstigen Exils, die Berge, in ihrer vollen Pracht genießen. Das Farbenspiel der Sonne, das sich in den Gipfeln der Berge in einen Regenbogen verwandelt. Memed der Rebell, der Kämpfer, der Held ist Geschichte.

Und in Geschichten. Immer wieder machen Fata Memeds die Runde, lassen den Helden und Kämpfer für das Gute noch einmal auferstehen. Aus dem furchtlosen Memed wird Memed die Legende. Er genießt die Ruhe, den Frieden. Auch wenn um ihn herum noch vereinzelt gekämpft wird, ist Memed, der Falke nur noch Beobachter. Memed blickt zurück auf sein Leben, auf Freunde und Weggefährten, auf Verräter und gnadenlose Häscher. Viel hat er erlebt. Nicht eine Sache bereut er, möchte er missen.

Bis eines Tages sein der Lehrer Zeki Nejad ermordet wird. Der war der Einzige, der gegen die Landherren noch aufbegehrte. Er wetterte gegen die Schergen und gegen die blinden Fanatiker, die die Belohnung für den Kopf Memed einstreichen wollten. Memed sieht sich gezwungen och einmal in die Schlacht zu ziehen. Einmal Kämpfer, immer Kämpfer. Auf viel Hilfe kann er nicht vertrauen – es ist wie immer. Doch allein kann auch der Mythos Memed, der Falke nicht siegreich…

Yaşar Kemal zieht mit „Der letzte Flug des Falken“ einen wortgewaltigen Schlussstrich unter seinen Memed-Zyklus. Über ein halbes Jahrhundert schrieb er an den vier Teilen des türkischen Helden. Als Journalist bereiste er sein Land, die Türkei, um Geschichten aus den Dörfern zu sammeln. Sie alle sind in seine Romane auf die eine oder andere Art eingeflossen. Dem Auflehnen der einfachen Bauern gegen die Willkür der Landbesitzer gab er in seinen Romanen eine unvergessliche Stimme. Yaşar Kemals Verdienst ist es, dass er in der Sprache seiner Leser schrieb. Das gab es bis dahin nicht. Yaşar Kemal starb Anfang 2015, bei seiner Beerdigung säumten tausende Leser, Freunde, Fans den Weg.

Memed II – Die Disteln brennen

Memed II - Die Disteln brennen

Yaşar Kemal durchstreifte während seiner journalistischen Karriere die Weiten seiner Heimat mit offenen Augen und Ohren. Was er da zu sehen und zu hören bekam, wurde im „Memed-Zyklus“ zum Volksgut. In einer Türkei, die die meisten als All-inclusive-Paradies verehren, einer Türkei, die für Andere aus der pulsierenden Metropole Istanbul besteht. Yaşar Kemals Memedi ist der störrische Rebell, der der Landbevölkerung zu neuer Hoffnung verhilft.

Ali Safa Bey gerät in Erregung, wenn er seinen Fuß in „seine“ Avaranza-Ebene stampft. Das ist sein Land. Nur er sieht den Reichtum darin. En bisschen wehmütig denkt er an die Zeit zurück, als er hier schalten und walten konnte wie er wollte. Ein paar Lira hier, eine Kuh da – und schon war das Land in seinem Besitz, die Bauern umgesiedelt. Und er war wieder um ein paar Morgen Land reicher. Reich sein, welch schönes Privileg.

In dieser Gegend wächst nicht viel. Der Stechdorn bedeckt das Land und überzieht es mit seinem undurchdringlichen Dickicht aus messerscharfen, eisenharten Stacheln, in dem Hasen und Dachse Unterschlupf finden. Wer sich darin verfängt, zahlt seinen Blutzoll.

Mitten in der Nacht taucht ein Fremder auf. Hoch zu Ross, ermattet von der letzten Schlacht. Soldaten hatten ihn umzingelt. Wollten ihm den Garaus machen. Mit letzter Kraft konnte er im Schutz der Dunkelheit seinen Häschern entwischen. Nun will er nach Vayvay – er kennt das Dorf, will zu Osman dem Mächtigen. Zaghaft klopft er an dessen Tür. Nach und nach lüftet sich das Geheimnis des Fremden. Osman er kennt ihn: Ince Memed, der Falke. Der mutige Kämpfer, der Ali Safa Bey die Stirn bot. Und ihm sie wieder bieten wird. Doch die Stirn bieten bedeutet Kampf. Und Kampf bedeutet Verlust. Verlust der Ruhe vor Ali Safa Bey, Verlust von Freunden. Und dieser Kampf kann nicht allein geführt werden.

Yaşar Kemal lässt im zweiten Teil seinen Helden und Rebellen Memed noch einmal auferstehen. Er ist Heilsbringer und Gefahr zugleich. Eine Gefahr für Vayvays Bewohner und Ali Safa Bey. Heilsbringer nur bedingt für die Dorfbewohner.

Worte wie Flügelschläge von Engeln schweben über die Seiten und verzaubern den Leser, entführen ihn in eine andere Welt. Es ist fast wie im Märchen. Doch wird das Gute diesmal siegen?

Marrakesch

Marrakesch

Bei einer Aufzählung der Städte mit dem größten Sehnsuchtsfaktor gehört Marokkos Perle des Südens immer in die Top Ten. Verschlungene Pfade durch mystisch wirkende Gassen. Der Duft des Orients. Das Marktgemurmel. Hier wird der Orient in all seinen Klischees erlebbar.

Klar, dass es über Marrakesch eine Menge Bücher gibt: Reisebände, Kochbücher, Reiseberichte, Gartenbücher, etc. Für jede Rubrik eines. Es fehlt halt ein Buch, das den gesamten Mikrokosmos Marrakesch in einem Buch zusammenfasst. Eines mit grandiosen Stadtansichten, Szenen aus dem Alltag, gewürzt mit Zeilen aus den Augen eines Fremden und von Einheimischen. Das ist mit diesem Edelband eindrucksvoll gelungen.

Das Cover nimmt es vorweg: Tiefe Einblicke in eine immer noch sagenumwobene Stadt. Der Umriss der Stadt durchbricht den in glänzend rot golden gehaltenen Einband. Das Sezierbesteck sind das Auge und die Kamera Bernd Rückers, der sich ganz von seinen Emotionen durch die Stadt treiben ließ. Hochglanz-Fotos, die die Vorbereitung und die exzellente Umsetzung erahnen lassen, treten in einem abwechslungsreichen Wettstreit mit Alltagssituationen. Jede Seite optischer Hochgenuss, der seinesgleichen sucht.

Ein echtes Schwergewicht unter den Metropolen-Nobel-Bildbänden. Wenn man es aufstellt und darin blättert, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Doch nicht nur die Bilder sind es, die dieses Buch aus der Masse der Bildbände herausragen lassen. Atmosphärische Texte lassen das wahre Leben Marrakeschs hervortreten. Die Erzählerin spricht mit Anmut von ihrer Stadt. Eine Stadt, die man nicht mehr vergessen wird, hat man sie einmal betreten.

Liegt das Buch erst einmal auf dem Schoß – als Strandbuch ist es denkbar ungeeignet, da die Maße es wohl nur Bodybuildern erlauben es in Taschenbuch-Manier zu lesen – ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Kofferpacken. Prachtvoll gestaltete Decken, reich verzierte Türen und Tore, ungeahnte Farbenvielfalt in den Souks, schimmerndes Kunsthandwerk, verheißungsvoll Panoramen, ja selbst dem Verkehrschaos kann die Kamera noch etwas Nostalgisches abringen.

Opulenz ist hier kein Luxus, es ist Standard. In der gleichen Art sind in der CITY IMPRESSIONS Reihe des vagabond books Verlags weiterhin Bände über Istanbul, Venedig, Barcelona, Paris, Rom und Lissabon erschienen. Jeder Bildband ist zweifach erhältlich, einmal in einer deutsch-englischen Ausgabe sowie in einer französisch-spanischen Version. Und das alles zu einem Preis, der sich – genau wie die vorgestellten Städte – sehen lassen kann. Aber der ersten Seite wird dem Leser klar, dass er hier ein exquisites Buch in den Händen hält. Und mit jeder Seite bestätigt sich dieser Eindruck.

Halb so wild!

Halb so wild

Eine Traumreise soll es werden. Mit dem Auto quer durch Marokko. Von Nord nach Süd, von Ost nach West. Durch das sagenumwobene Land. Über Dünen. Durch Basare. Die Sonne am Himmel, den Horizont als Ziel. Doch es kommt anders. Thom verliert – in seinen Augen – alles. Das Auto ist weg. Durch eigenes Verschulden. Dummheit. Gutmütigkeit. Vertrauen. Denn als er im Hotel in Tetuan ankommt, folgt ihm ein Junge, der für ihn das Auto parken will. Ein netter Service des Hotels. Denkste! Der nette, freundliche Gehilfe war ein Dieb!

Fort sind nun Kleidung, Bücher und Landkarten. Das Geld hat er zum Glück noch bei sich. Doch der Traum von endloser Freiheit ist futsch. Die Behördengänge machen Thom wütend. Keiner scheint sich so richtig in seine Lage versetzen zu können. Oder zu wollen?! Auch das deutsche Konsulat ist keine Hilfe. Ohne Auto kann er nicht wieder ausreisen. Das hat er lernen müssen. Nach den zahllosen Wegen zwischen Polizei und Konsulat kann Thom sich ein wenig entspannen.

Auf der Suche nach seinem Sportwagen lernt er Marokko kennen wie er es sich nicht hätte träumen lassen. War er anfangs der Meinung alle Planung sei des Glückes Anfang, stellt er nun fest, dass seine Schnitzeljagd auch etwas für sich hat. Der eigens auferlegte Urlaubsrhythmus unterliegt allmählich dem Marokkos.

Thom lernt Omar kennen, einen Studenten. Der Lehrt dem immer noch aufgebrachten Deutschen, dass hier im in jeder Hinsicht fernen Orient der Alltag anders abläuft. Auch das Arabisch nicht gleich Arabisch ist. Thom würde sich gern verständigen. Doch das ist gar nicht so einfach. Daridscha, was nur als mündliche Sprache fungiert, will er lernen. Omar lacht. So einfach ist das auch nun wieder nicht. Das Erste, was Thom lernt, den ersten Satz, den er beherrscht, ist „Schi Bäss ma-ken“. Schon gut. Macht nichts. Alles halb so wild. Nur ein Satz. Doch der verändert schlagartig Thoms Sicht auf die ihn umgebende Welt.

Uwe Topper gelingt der schwierige Spagat zwischen Roadtrip und Landeskunde scheinbar spielerisch. Sein Held Thom hat sich seinen Urlaub redlich verdient. Jahrelang hat er versucht beruflich wieder Fuß zu fassen. Als er es geschafft hat, belohnt er sich mit einem augenöffnenden Urlaub. Raus aus dem Trott. Weg von Planung und finanzieller Absicherung. Marokko sollte das ersehnte Gegenstück zum Einbahnstraßenalltag werden. Ungewollt wird es das auch, jedoch anders als geplant.

Iran – WissenKompakt

Iran

Denk an den Iran in der Nacht … Naja, so schlimm es vielleicht doch nicht. Oder? Wer aufmerksam die Berichterstattung über Iran verfolgt, bekommt leicht den Eindruck, dass hier Schurken am Werk sind, die sich mehr um die Zerstörung der restlichen Welt kümmern, als um die eigene Geschichte. Ein Trugschluss, wenn man bedenkt, dass Iran, inklusive des Persischen Reiches, eine Kultur hervorgebracht hat, dessen Einflüsse bis heute spürbar sind.

Walter M. Weiss macht in seinem Buch aus der Reihe „WissenKompakt“ des Konrad-Theiss-Verlages auf Spurensuche, erläutert Zusammenhänge und bebildert seine Aussagen vielfältig. Er kennt Iran, hat das Land oft bereist und hat mehrere Bücher über die Region veröffentlicht.

Walter M. Weiss beginnt seine Reise vor tausenden von Jahren als in Mitteleuropa nichts Vergleichbares vorzufinden war. Die so ziemlich ältesten Zeugnisse einer Besiedlung des heutigen Irans sind mehrere tausend Jahre alt. Assyrer, Urartäer, Meder, Achämeniden, Sassaniden – jede Kultur drückte ihrer Zeit den Stempel auf. Mit Alexander dem Großen wurde das Land in die abendländische Kultur getragen. Von da war Persien / Iran zu jeder Zeit in aller Munde.

Die ruhmreichen Schlachten gegen die Griechen haben es bis auf die Großleinwände der Kinos weltweit geschafft. Das Kaiserreich des Schahs hatte Auswirkungen bis ins vergangene Jahrhundert hinein. Genauso wie die anschließende Periode der Abschottung unter Ayatollah Khomeini.

Iran wird von Touristen erst seit einigen Jahren wieder verstärkt wahrgenommen. Widersprüchlichkeit ist der gemeinsame Nenner der Politik des Landes. Doch das ist die faktische Seite, die Seite, die von einer politischen Elite geprägt wird. Wer Iran bereist, lernt ein völlig anderes Land kennen. Ein Land, das seine unermesslichen Reichtümer dem Besucher bereitwillig darbietet. Um dieses Land gebührend bereisen zu können, braucht man Hilfestellung. Eine Hilfestellung wie dieses Buch.

Iran – Weltreich des Geistes

Iran - Weltreich des Geistes

Weltreich des Geistes – wenn man die Nachrichten verfolgt, bekommt man ein anderes Bild gezeigt von diesem so spannenden Land. Micheal Axworthy rückt die Realität ins rechte Licht.

Das persische Reich ist vielen ein Begriff. Dank auch der zahlreichen überlieferten Schriften über Alexander des Großen, der vor über zweieinhalb Jahrtausenden in Persien einfiel und seine bis heute sichtbaren Spuren hinterließ. Das Projekt Iran ist vielschichtig und umfangreich, so dass es einem schwer fällt an das Buch zu glauben. Doch Micheal Axworthy schafft es mit Eloquenz und Faktenwissen den Leser ans dieses Thema heranzuführen. Ein Rundumschlag in Weltgeschichte.

Zoroaster, den man heutzutage auch als Zarathustra kennt, über die Achämeniden, Parther und Sassaniden bis hin zu den ersten Arabern, die den Islam im heutigen Iran verwurzelten und den Herrschern der jüngsten Vergangenheit – der Autor lässt kein Detail aus. Um auszuruhen (bei so viel Geschichte auf einmal braucht man auch mal eine Verschnaufpause) flechtet er das ein, was die Menschen des Iran auszeichnet. So kann ein erstaunlich hoher Anteil der Bevölkerung ganze Gedichte der Nationaldichter auswendig. Das ist Nationalstolz. Man frage doch mal die PEGIDA-Demonstranten, ob sie den „Osterspaziergang“ oder gar „Die Glocke“ aufsagen können. So viel zum Nationalstolz.

Die Geschichte Irans – das Land hieß schon immer so, seit dem letzten Schah ist es auch „offiziell“ – ist geprägt vom Hin und Her der Herrschenden. Aber auch von wissenschaftlichen Forschungen, die uns auch noch zugutekommen. Erst in den vergangenen Jahrhunderten wurde der Iran teils zum Spielball der Großmächte.

Die einstigen Machthaber wie Ayatollah Khomeini und Mahmud Ahmadinedschad trieben es auf die Spitze und die Strategen in den Ministerien der USA, Großbritanniens und andere Länder in den Wahnsinn. Geradlinigkeit im Iran gehört nicht zu den Sachen, auf die man sich verlassen kann. Nichtsdestotrotz erfährt der Tourismus in den Iran seit ein paar Jahren einen nie dagewesenen Höhenflug. Städte wie Isfahan, Yazd, Shiraz und Teheran werden von immer mehr Touristen besucht. Stätten wie Persepolis laden auf ihre Art zum Verlaufen ein.

Nicht nur deswegen ist es wichtig sich mit dem Iran vor einer Reise mehr als nur aus einem Reiseband zu informieren. Das Land ist eine Reise wert. Dieses Buch allemal.

Syrien – Sechs Weltkulturerbestätten in den Wirren des Bürgerkrieges

Syrien

Drei Jahre Krieg zerstören tausende (!) Jahre Kultur! Es ist zum Heulen, wenn man die Nachrichten sieht und im Anschluss dieses Buch liest. Zugegeben, über Syrien ist wenig bekannt. Wer tiefer in die Materie eingetaucht ist, tat dies aus persönlichen oder beruflichen Gründen. Touristisch war Syrien nie der große Magnet im Nahen Osten. Besucher des östlichen Mittelmeeres und des (heute) arabischen Kulturraums blieben zum Großteil in Antalya oder Hurghada hängen.

Zur Zeit ist Syrien auch nicht gerade ein Sehnsuchtsziel von Touristen. Das syrische Regime und die zersplitterten Gegner des selbigen liefern sich erbitterte Kämpfe. Dabei bleiben nicht nur unzählige Menschen auf der Strecke, sondern auch unwiederbringliche Kulturgüter. Die Plünderungen in den Museen sind beispiellos. Sechs Stätten in Syrien stehen unter dem symbolischen Schutz der UNESCO. Doch auch die Weltorganisation kann nichts gegen die blinde Zerstörungswut tun. Hinzu kommen die zahlreichen Plünderer, die schnell über die Grenze huschen, nicht min der schnell zuschlagen und wieder verschwinden. Auf diese Weise sind schon Tonnen von wertvollen Relikten wahrscheinlich auf Nimmer wiedersehen verschwunden.

Mamoun Fansa hat eine Reihe Experten gebeten die Geschichte der UNESCO-Welterbestätten Syriens in diesem Buch zu beschreiben, ihre Bedeutung hervorzuheben und ein eindrucksvolles Buch zu gestalten. Die Altstädte von Aleppo, Bosra und Damaskus, die Ruinen von Palmyra, die antiken Dörfer in Nordsyrien und die Festungen Krak des Chevaliers und Qal’at Salah ad-Din wurden schon teils vor Jahrzehnten in die Liste der erhaltenswerten Kulturgüter der Menschheit aufgenommen. Im Falle von Aleppo kann der Zuschauer fast täglich zusehen wie ein Gebäude nach dem anderen dem Erdboden gleichgemacht wird. Oft (schon einmal ist einmal zu viel) unter dem Deckmantel der Religion.

Die Autoren führen durch unberührte – unzerstörte – Tempelanlagen, durch geschäftige Gassen und prächtige Basare. Doch sie führen auch durch Gesteinswüsten, die der Menschen geschaffen hat. Granateinschläge, Dauerbeschuss und Raketenangriffe haben tiefe Einschnitte in den Stadtbildern eines ganzen Landes hinterlassen. Umso erfreulicher ist es, dass es noch Aufnahmen gibt, die belegen, dass hier mehrere Wiegen unserer Zivilisation stehen.

Dieses Buch ist eine Mahnschrift. Wider das Vergessen, gegen blinden Zerstörungshass, und eine Mahnschrift, dass auch außerhalb unserer ach so zivilisierten Welt Grundlagen geschaffen wurden, die uns heute wie selbstverständlich erschienen. Beispielsweise wurde im heutigen Syrien das erste Alphabet auf der Grundlage von 26 Buchstaben erschaffen. Was wären wir heute ohne diese Leistung? Eine Kultur ohne Bücher. Ohne Bücher wie dieses!

Zarathustras Feuer

Zarathustras Feuer

Es gibt Bücher, über die spricht man nicht. Man liest sie! Dazu gehört auch „Zarathustras Feuer“. Begriffe wie Arier, Zarathustra und Zoroastrismus sind ab sofort nicht mehr nur Fremdworte und falsch verwendete Begriffe (die Arier haben so viel mit Deutschland und „nordischer Kultur“ zu tun wie die FIFA mit Antikorruptionsbemühungen). Bijan Gheiby ist, wenn es um Persien und Iran geht, der erste Ansprechpartner. Sein nie enden wollendes Wissen um die Kultur des persischen Raumes, ist ein wahrer Schatz, den er dem Leser in seiner ganzen Sprachgewalt zur Verfügung stellt.

Also sprach Bijan Gheiby, dass ca. 900 Jahre vor der Zeitenwende die Iraner sich dort niederließen, wo sie auch heute noch leben. Zirka dreihundert Jahre später wurde Zarathustra geboren. Ja, genau der, der von Friedrich Nietzsche in den germanischen Sprachraum gebrüllt wurde und in so manchem Film als Zitategeber herhalten muss. Wer beispielsweise aus „Kap der Angst“ Robert De Niros genialen Monolog kennt, dem ist die Thematik des Buches ansatzweise geläufig. Doch mit dem „er steht nicht über mir und ich nicht unter ihm“ ist lediglich ein klitzekleiner Grundstein zum Zugang des Buches gelegt. Besser als gar keiner!

Die Vermischung von Mystik und Realität machen es Forschern wie Bijan Gheiby (das gh wird übrigens wie ein r in richtig gesprochen, allerdings nicht so sehr gerollt) einfach und schwer zugleich ihre Forschungen ins rechte Licht zu rücken. An dieser Stelle sei das „Apropos: rechtes Licht“ verkniffen – dafür gibt es die erstklassiges Dokumentation „Die Arier“ von Mo Asumang, die derzeit für Furore sorgt.

Bijan Gheiby beweist mit diesem Buch einmal mehr, dass er ein hervorragender Kenner seiner eigenen iranischen und persischen Kultur ist. Ein spannendes Buch, das Kulturgeschichte zweifelsfrei dem Leser beibringt. Zahlreiche Abbildungen und Grafiken erleichtern das Verständnis eines schwierigen Stoffes, der, wenn man ihn dank Bijan Gheiby verstanden hat, die Augen für das Große und Ganze öffnet.

Zwölf Tage in Persien

Zwölf Tage in Persien

Zwölf Tage Persien – auch heute noch ein Abenteuer. In der 20er Jahren des 20. Jahrhunderts umso mehr. Vita Sackville-West bricht zusammen mit ihrem Ehemann, dem Diplomaten Sir Harold Nicolson und drei weiteren Gentleman auf den Süden des Iran zu erkunden. Ihre Reise soll über die Bakhtiari-Berge führen. Die Bakhtiari sind ein Nomadenvolk, über dessen Herkunft und Kultur es keinerlei Aufzeichnungen gibt. Eine Reise ins Ungewisse?

Eine exakte Reiseroute gibt es nicht. Nur vage Andeutungen wo und wann man sich einer Karawane anschließen könne. Wenn dies nicht klappt, weil die Karawane durchaus besseres zu tun hat als auf verwöhnte Reisegruppen aus dem entfernten, meist unbekannten- England zu warten, oder eine andere Route einfacher war, dann ist das Geschrei groß. So groß die Enttäuschungen der Reisenden auch sein mögen Vita Sackville-West beschreibt die Schönheit des Landes mit blumigen Worten. So schroff das Land, besonders das Gebirge, so nuancenreich die Sprach der Autorin.

Ihr allein ist es zu verdanken, dass die Reise zu eindrucksvoll nachzuvollziehen ist. Voller Inbrunst betrachtet sie die Flora Persiens. Sie ergötzt sich daran wie vielfältig der Blütenzauber wirken kann. Am liebsten möchte sie alle Pflanzen gleich einpacken und zuhause im Garten anpflanzen. Der Neid ihrer Besucher würde ihr sicher sein, und sie würde sich auch daran ergötzen. Ach ja, zu Hause. Dort ist es gemütlich, warm, behaglich. Persien kalt, unwirtlich und so gar nicht heimatlich. Als ein Sturm aufzieht, kann sich die Gruppe gerade rechtezeitig ins Zelt zurückziehen. Mit unbändiger Kraft zerrt der Wind an der Unterkunft, die Fünf müssen einiges aufbringen, das Zelt aufrecht zu halten. Sie klammern sich an die Stützen, hören das Knallen des Hagels auf die Plane, erhaschen einen Blick auf das blitzerfüllte Tal. Am nächsten Morgen erwachen sie im Schnee. Wahrlich kein Sommerurlaub.

Trotz aller Strapazen gewinnt Vita Sackville-West der Reise Gutes ab. Ihr Mann wird an die Teheraner Botschaft abberufen. Sie wollte nie ein Leben an der Seite eines Mannes führen, der so weit weg von zu Hause ist. Aber ihn Hin und Wieder besuchen – das bereitete ihr besonderes Vergnügen. Ihre Reiseschilderungen ermöglichen uns heute noch ein detailliertes Bild der Vergangenheit. So beschrieb sie auch die ersten Ölbohrungen in Persien. Ihre romantische Vorstellung, dass Persien ein Paradies sei, das von einem weisen intellektuellen Diktator am besten regiert werden müsste, amüsiert heute eher. Die Folgen des weisen Ayatollah Khomeini und des diktatorischen Ahmadinedschads sind bis heute spürbar. Und unter deren Regentschaft wäre eine Reise wie sie sie unternahm ins Reich der Fabeln verbannt worden.