Willnot

Wer ist Willnot? Will er einfach nicht mehr und setzt allem ein grausames Ende? Nein, die Frage muss lauten: Was ist Willnot? Willnot liegt irgendwo im Nirgendwo der USA. Kein Redneck-Country, in dem auf alles angelegt wird, was keine Latzhose trägt. Vielmehr ein Ort, in dem man viel Zeit hat nachzudenken. Abwechslung Fehlanzeige. Bis, ja bis eines Tages in einer Grube Leichen gefunden werden. Der Arzt Lamar Hale wird gerufen, es könnte ja sein, dass es hier noch was zu tun gibt. Nicht für ihn, für ein Spezialteam von Ermittlern dafür umso mehr.

Für Lamar Hale einmal mehr Anlass nachzugrübeln, Parallelen zu ziehen, sein eigenes Leben in Abschnitten Revue passieren zu lassen. Und wie es der Zufall will, bleibt es nicht dabei. Brandon Lowndes steht unversehens vor bzw. hinter ihm. Kennt er ihn noch? Weiß er, wer er ist? Ja! Nur zu gut. Brandon war einmal Patient bei ihm. Ist nun auf der Durchreise. Oder so was in der Art. Eine seltsame Begegnung. So schnell und emotionslos sie begann, so schnell und emotionslos ist sie auch schon zu Ende. Typisch Willnot. Kaum hier, will man auch schon wieder weg.

Die Eigenartigkeiten nehmen kein Ende. Auch das FBI ist auf den unauffälligen Ort aufmerksam geworden. Das FBI in Person von Agent Theodora Odgen. Wenn irgendwo (im Nirgendwo) eine Grube mit Leichen gefunden wird, sind die Schlapphüte, die schon lange nicht mehr getragen werden, nicht weit weg. Doch Agent Ogden ist nicht an dem Massengrab interessiert. Ein Brandon Lowndes ist das Ziel ihrer Fragen. Hale antwortet pflicht- und wahrheitsgemäß, was er weiß. Brandon war Patient bei ihm, ist auf der Durchreise und wird von den meisten nun Bobby genannt. Mehr kann er ihr nicht liefern. Ist halt so, in Willnot.

Sie weiß mehr über Brandon, der nun Bobby genannt werden will. Elitekiller, gutes Auge, ruhiger Abzug. Kriegseinsatz. Und fahnenflüchtig. Hat er was mit der Grube zu tun? Nicht als Täter, sondern als … ja als was eigentlich? Brandon taucht wieder auf. Freude darüber empfindet niemand. Denn Bobby, also Brandon, liegt im Krankenhaus. Schussverletzung. In den Rücken. Und da man in Willnot ist, passiert was? Brandon verschwindet wieder. Alles mysteriös ohne dabei Geister zu beschwören. Die einzigen Geister, die hier in Unwesen treiben, sind die Geister der Vergangenheit, die den Doc und alle um ihn herum ab und zu mal piesacken. Alles nicht so dramatisch.

James Sallis beschreibt in unnachahmlicher Art und Weise einen Ort, den man schlecht einordnen kann. Soll man ihn meiden? Warum? Alles ist friedlich. Die Grube? Ja, die könnte einem schon Angst einjagen. Aber so richtig greifbar ist die Gefahr nicht. Der Schleier des Verborgenen, des noir hüllt Willnot in ein dichtes Geflecht aus Ungesehenem, Unhörbarem und unstillbarer Neugier. Je weiter man in den Roman vordringt, desto konfuser wird das ohnehin nur spärlich brennende Licht der Erkenntnis. James Sallis trat (s)ein schweres Erbe von „Driver“ an. Mit „Willnot“ ist er fulminant zurückgekehrt auf die Bühne der Autoren, die ihr Geschichte zwischen den Zeilen erzählen. Wer nicht schon auf Seite Zwei erfahren will, wer wem warum den Garaus gemacht hat, wird in „Willnot“ ein düsteres Spektakel vorfinden, das keinen Vergleich scheuen braucht. Einzigartig!