Samtene Scheidung

Katarína ist einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Sie verließ das der EU zugewandte Bratislava und zog ins wunderschöne Prag, das noch lange nicht zum EU-Raum gehören wird. Es ist Weihnachten und wie immer feiert die ganze Familie zusammen. Bis auf ihre Schwester, die vor den nicht enden wollenden Sprüchen der Mutter Reißaus nahm. Auch ihre Freunde aus Kinder- und Jugendtagen verbringen die besinnliche Zeit in Bratislava. Viera lädt sie wie selbstverständlich zum traditionellen Beisammensein ein. Viera lebt in Italien. Und ebenso selbstverständlich lädt sie Katarína ein mit ihr zu kommen. Ins scheinbar bessere Leben?! Vor allem jetzt, da Eugen, der Mann an Katkas Seite eigene Wege gehen möchte.

Der phlegmatische Papa, die aufbrausende, weil enttäuschte Mutter, die bezirzende Nichte, Ihr Bruder und seine Frau – all das ist Katarínas Familie. Und auch wieder nicht. Wohlfühlen ist anders. Geboren in einem Land, das aus zwei Teilen zusammengefügt wurde und vor einiger Zeit wieder in diese zerfiel. Ressentiments sind immer noch – schon wieder? – da. Die Enttäuschung der Mutter, die Resignation vor der eigenen Situation, dem Schicksal nichts Entscheidendes entgegenzusetzen: In Katarínas Kopf sind die Geister der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft unlustige Spießgesellen.Der heimelige Herd spendet nicht die Wärme, die Katarína nun braucht. Vielmehr fröstelt ihr bei der Vorstellung endlich Entscheidungen treffen zu müssen.

Jan Karšaiova bereitet ihrer Katarína einen unruhigen Boden, auf dem man einmal richtig aufstampfen muss, damit er Stabilität erhält. Doch Katarína ist vorsichtig. Sie hat Angst etwas zu zerbrechen, und dass sie es dann umgehend bereuen würde. So wie ihr Geburtsland, die Tschechoslowakei, einst zerbrach, so zerbricht für sie ganz langsam auf Samtpfoten ihre Welt. Es gibt nicht den großen Knall, der alles mit einem Wisch beiseite schiebt und alles erstrahlt in den schönsten Farben. Katarína würde das bestimmt nicht gefallen. Es sind die leisen Erinnerungen, die den ersten Roman der Autorin zu einem Kleinod im Bücherschrank machen. Ein leises Bing ist wie ein Fanal, zum Aufbruch. Man muss nur ganz genau hinhören.