Manet, ein Streit und die Geburt der modernen Malerei

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Man stelle sich die Welt vor 150 Jahren vor und dazu die heutige Medienlandschaft. Frauke Ludowig würde wie von Manni dem Mammut gehetzt von einem Skandal biblischen Ausmaßes stammeln. C-, D-, E-Promis würden in beschämender Bigotterie nach den passenden Formulierungen suchen, weil sie denken sie kommen in DIE Bild, dabei geht es um EIN Bild. So genannte Experten würden vor Bücherwänden den Zusammenhang von Nacktheit und Verrohung der Jugend erklären und zur Zensur aufrufen. Bundestagshinterbänkler wollten die Scharia einführen, von wegen Hand abhacken und so.

Und das nur, weil Eduouard Manet im Jahr 1865 in einer Ausstellung eine nackte Frau gemalt hat. Ein Schwarze reicht ihr Blumen. Mehr nicht. Okay, die Dame war nicht gänzlich unbekannt. Sie hatte gewisse Talente, die sie gegen entsprechende Entlohnung feilbot. Sie war eine Prostituierte. Andere Begriffe sind ja bis heute nicht schicklich. Die Dame wurde allerdings nicht in einem mythischen oder noch besser religiösen dargestellt, sondern an ihrem Arbeitsplatz. Uff’m Sofa. Skandal!

Die Reaktionen reichten von reichlich Kichern über amüsiertes Auslachen bis hin zu tumultartigen Szenen. Nicht nur „normale“ Besucher ließen sich darüber aus, auch Malerkollegen wie Courbet distanzierten sich von Manet und seiner „Olympia“.

Der Pariser Salon zeigte ausgewählte Werke von Künstlern der Gegenwart. Eine Fachjury wählte unter den Gesichtspunkten der damaligen Zeit die Werke aus, die einem breiten Publikum zugängig gemacht wurden. Zwei Jahre zuvor schon erregten sie die Gemüter. Viele Künstler, deren Werke heute unbezahlbar sind, durften nicht ausstellen. Napoleon III. regte den Salon de refuses an, das Gegenstück zum Salon, in dem alle Abgelehnten ihre Werke zeigen durften. Besonders hart traf es die Impressionisten (hierzu empfiehlt sich „Das private Leben der Impressionsiten“ von Sue Roe, ebenfalls beim Parthasverlag erschienen).

Dino Heicker hat daraus keinen Haudrauf-Roman gemacht, in dem bagarres dans les bars den Ton angeben, sondern die öffentlichen niedergeschriebenen Reaktionen gesammelt. Briefe von Manet an Baudelaire (und die Antwort darauf), Kunstkritiken und ausgewählte Texte zu dem skandalösen Bild, unter anderem von Zola, führen den Leser in die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Aus heutiger Sicht wirkt die Aufgeregtheit etwas sonderbar. Eine nackte Frau auf’m Sofa. Selbst der Nippelblitzer von Hildegard Knef war Jahre später kaum noch der Rede wert. Sophie Marceaus „Nippelgate“ in Cannes störte schon wenige Sekunden später niemanden mehr. Es war eher (unfreiwillig?) komisch. Und doch sind die Art und Weise wie argumentiert wurde, heute noch geläufig. Niedermachen, weil man es nicht anders kennt und weil man es scheinbar kann. Um fast jeden Preis. Manet war streitbar – in vielerlei Hinsicht. Doch ohne ihn, seinen Mut, würden wir wahrscheinlich noch vor Historienschinken schmachten, verklärte Landschaften als erhaben bezeichnen oder gar Tiere auf Wände schmieren.