Leonardo da Vinci

Leonardo da Vinci

Einen Roman zu veröffentlichen, dazu gehört Mut und Talent. Einen Roman über eine historische Persönlichkeit zu veröffentlichen, dazu braucht man zusätzlich enormes Fachwissen. Einen Roman über ein Genie wie Leonardo da Vinci zu schreiben, zu veröffentlichen, dafür gefeiert zu werden … das erfordert alles Genannte in der zweiten Potenz. Dmitri Mereschkowski gelang mit seinem 1901 erstmals erschienen Roman der Urknall der biographischen Romane. Seither haben sich viele Autoren an einem der letzten Universalgenies versucht. Sie scheiterten mehr oder weniger kläglich.

Über sechshundert Seiten hat Mereschkowski über diesen vielschichtigen Menschen, der der Mona Lisa das unverwechselbare Lächeln schenkte, der den Vorläufer des Hubschraubers entwickelte und der als erster bis heute gültige anatomische Zeichnugen anfertigte, geschrieben. Nicht eine einzige ohne fundiertes Wissen, lückenlose Beweisführung oder gar sinnfreies Geschwafel. Leonardo da Vinci wie er leibt und lebt zwischen zwei Buchrücken. Dieses Buch erlaubt es neugierigen Einsteigern wie belesenen Wissenschaftsgrößen da Vinci ungeschminkt im grellen Licht des Wissen zu begreifen.

Sechshundert Seiten sind das Gardemaß einer guten Biographie. Alles darüber verleitet dazu Unnötiges als beherrschend anzusehen. Jede Seite weniger kommt einem nicht wieder gut zu machenden Fauxpas gleich. Leonardo da Vinci war kein Übermensch – er war extrem neugierig und hatte die Gabe seine Vorstellungen gut verkaufen zu können. Dass einige seiner Erfindungen von seinen Gönnern auch militärisch genutzt wurden, nahm er patriotisch in Kauf. Ihn deswegen zu verteufeln, wäre ungerecht und oberflächlich. Seit dem Mittelalter hat es nur wenige Künstler, Philosophen und Wissenschaftler gegeben, die auch nur annähernd an da Vincis Werk heranreichen. Geniale Musiker gab es zuhauf. Aber sie waren eben „nur“ Musiker. Großartige Maler überfluten mit ihren Werken noch heute die Museen der Welt. Sie waren aber „nur“ Maler. Genial auf unterschiedlichen Gebieten waren nur wenige. Selbst nur einen zu nennen, fällt vielen schwer. Jean Cocteau vielleicht. Oder olle Goethe – eventuell. Doch sie erreichten niemals da Vincis weltweite Beachtung.

Der Autor Dmitri Mereschkowski war und ist streitbar. Seine undistanzierte Haltung zum Faschismus verweigerte ihm nicht nur den Literatur-Nobelpreis (insgesamt war er neunmal nominiert), sein Werk darf außerdem erst seit Ende der 80er Jahre in Russland wieder verlegt und aufgeführt werden. Thomas Mann nannte ihn den genialsten Kritiker und Weltpsychologen seit Nietzsche. Mehr als ein Ritterschlag.

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