Kondor und Kühe

Kondor und Kühe

So eine Reise wird es nie wieder geben: Am 20. September 1947 bricht Christopher Isherwood zu einem seiner größten Abenteuer auf. Nicht im Stile Hemingways begleitet er den Kontinent Südamerika, vielmehr ist er ein Beobachter, dem es fern liegt selbst ins Geschehen einzugreifen. William Caskey ist sein Begleiter und der Fotograf. Seine Bilder verleihen dem Buch die Authentizität.

Unglaubliche sechs Monate – wer hat schon so viel Urlaub – bereisen die beiden die Karibik, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, und als sie endlich Argentinien erreichen, haben sie mehr erlebt, als manch anderer in seinem gesamten Leben.

Auffallend ist die für die Zeit typische Fixierung auf Religion und deren Ausübung. Dass Isherwood für heutige Verhältnisse manchmal über das Ziel hinausschießt (Was bitteschön ist „jüdische Gemütlichkeit“?), verzeiht man ihm, da er niemals beleidigend wirkt. Christopher Isherwoods „Kondor und Kühe“ ist mehr als nur eine lebendige Auflistung der bereisten Orte am anderen Ende der Welt. Es ist vielmehr eine Bestandsaufnahme der vorherrschenden Bedingungen.

Die Vielfalt der Kunst in Kolumbien, Quito, das seine Besucher einfach nicht wieder loslassen will oder der enorme Fleischverbrauch der Portenos, der Einwohner von Buenos Aires: Isherwood nimmt alles friedvoll zur Kenntnis und berichtet teils überschwänglich, teils emotionslos. Was dabei herauskommt, ist ein grandios zu lesendes, in seiner Detailtreue unübertroffenes und einzigartiges Reisebuch, das man vielleicht nicht unbedingt vor Reiseantritt gelesen haben muss. Dann fehlt aber garantiert ein ordentliches Stück Verständnis auf der Reise durch diesen faszinierenden Kontinent.

Die seltsamen Gestalten einer Kreuzfahrt scheinen sich in den vergangenen fast siebzig Jahren kaum verändert zu haben. Ihre Skurrilitäten ähneln sich – Isherwood ist schon öfter zur See gefahren, aber noch nie sind ihm die Eigenarten der Passagiere so sehr aufgefallen. Als er das Festland erreicht, ist er immer noch beeindruckt von der Schiffspassage. Dennoch findet er stets die passenden Worte für die Naturschönheiten Lateinamerikas. Er trifft Menschen von früher und immer wieder neue Freunde. Korruption und Trägheit fallen ihm als Hemmnis für Fortschritt (und Wohlstand) immer wieder auf. Je länger die Reise dauert, desto öfter fallen ihm politische Zusammenhänge in all ihren Schattierungen auf. Und desto politischer werden auch seine Ausführungen.

Das Reisetagebuch „Kondor und Kühe“ gehört zu den Büchern, die man immer wieder aus dem Schrank holen wird. Es hält ein Südamerika fest, dass man so nicht mehr erleben kann, nur vereinzelt blitzt die Tradition unter der vereinheitlichten Oberfläche hervor. Christopher Isherwood trägt mit seinem Buch zum Erhalt von Erinnerungen bei, in dem er sechs Monate der Jahre 1947 / 48 für die Nachwelt festgehalten hat. Allein dafür gebührt ihm ewiger Dank.

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