Kennst Du das Haus

Mittlerweile kennen wir Galsan Tschinag schon. Keine Frage! Im ersten Teil seiner Bio-Trilogie „Kennst Du das Land“ stellte er ein Leipzig (wo er Germanistik studierte) vor, das so heute nur noch in Vorstellungen existiert. In „Kennst Du den Berg“ brach er auf die Welt zu erobern und nun verkleinert er sich und fragt, ob man das Haus kennt. Die Untertitel hingegen weiten sich aus wie eine Galaxie. „Weltweite Reisejahre“ – so der Untertitel – sind seine Erinnerungen an erfolgreiche Zeiten.

Ersteigt ohne Vorwarnung ins Buch ein und reist mit dem Leser Ende der Siebzigerjahre in das gebeutelte Kampuchea. Gerade sich erst des gnadenlosen Pol Pot entledigt, der innerhalb einer erschreckend kurzen Zeit eine umso erschreckendere Zahl seiner Landsleute ermorden ließ, soll er sich als Gewerkschafter an die Arbeit machen. Die Begegnungen mit vollends verschreckten Menschen und Funktionären, deren Gewissen sie bis an ihr Lebensende nicht ruhig schlafen lässt, öffnen ihm die Augen für die Greueltaten der Roten Khmer fernab von Zeitungsberichten und faktenlastigen Reportagen.

Die Achtziger bringen dem engagierten Journalisten gesundheitliche Probleme. Das Herz. Manche Experten prophezeien ihm ein schnelles Ende. Doch sein Wille, der Vergleich mit Goethe – der mehr als doppelt so alt wurde wie Galsan Tschinag als man ihm die Diagnose mitteilte – lassen in ihm ein weiteres Mal den Kampfgeist erwachen.

So wie Jahre später als die Perestroika den gesamten sozialistischen Block ins Wanken geraten lassen. Er schreibt für eine mongolische Zeitung in bisher ungeahnter Offenheit. Aus dem geistigen Anführer wird eine Stimme für die Zukunft. Anders als ehemalige Redakteure heutzutage transformiert er seine Erfahrungen in die neue Zeit, um dem Fortschritt eine Bühne zu bieten, nicht um das Gestern gegen das Heute abzuschotten.

„Kennst Du das Haus“ knüpft wahrlich nahtlos an die Vorgänger an. Galsan Tschinag schreibt seine Erinnerungen auf Deutsch. Eine Reminiszenz an den verehrten Goethe und die deutsche Sprache. Und sein Wortumfang ist derart umfangreich, dass es so manchen Germanisten die Tränen in die Augen schießen lässt. Ein mehr als würdiger Abschluss einer Biographie, die sicher längst noch nicht abgeschlossen ist. Er muss ja schließlich noch sein Vorbild Johann Wolfgang noch übertrumpfen…