Ich töte wen ich will

Wenn man einen ungewöhnlichen Beruf hat, erlebt man auch Ungewöhnliches. Vince Corso ist Bibliotherapeut. Das heißt, dass zu ihm Leute mit einem Problem kommen, und er versucht ihnen einen Literaturtipp zu geben, der ihre Lage sichtbar macht, sie hilft zu begreifen und im Ernstfall zu verändern. Das ist wirklich außergewöhnlich. Mindestens genauso wie die Tatsache, das er in der Via Merulana in Rom wohnt. Nicht in Nummer 219 – die hat Carlo Emilio Gadda schon für sich in Beschlag genommen, literarisch. Aber ein paar Häuser weiter wird den Bewohnern ebenso grässliches beschert.

Vinces Wohnung wird verwüstet. Alles liegt kreuz und quer herum. Die Plattensammlung ein Scherbenhaufen. Und Django, sein Hund wurde vergiftet. Das trifft Vince mitten ins Herz. So ratlos wie er im ersten Moment schient, ist Vince Corso aber nicht. Natürlich erstattet er Anzeige bei der Polizei. Doch die Aufnahme der Anzeige gestaltet sich nicht so wie er es sich erhofft hatte.

Mit einem Mal gerät er ins Visier der Ermittler. Jemand mit so einem Beruf muss doch Feinde haben?! Oder Neider. Und wenn wir schon mal beim Aufzählen sind, wieso war er – natürlich immer zufällig – in der Nähe, wenn noch Grässlicheres passiert ist? Der Mord an der alten Dame, der „Unfall“ an der Piazza und und und. Corso schwant Böses. Er und die Mordserie, die das Viertel, ganz Rom in Atem hält? No, no, no, nicht Vince Corso!

Auf der Straße bemerkt er wie er beschattet wird. Ausgerechnet in dem Moment, in dem er beginnt selbst zu ermitteln. Denn der Zufall ist ihm zu offensichtlich, dass er, wenn er Zeuge einer Straftat wird, dass ausgerechnet dann ein Blinder immer in der Nähe ist. Er verfolgt den Blinden, die Polizei verfolgt Corso, der Blinde verfolgt ihn ebenso – wer fängt wen wann und wie endet diese Geschichte?

Fabio Stassi lässt Figuren der Literatur noch einmal auferstehen und in einem echten Spin-Off ihr Fähigkeiten ausspielen. Immer wieder treibt der den Leser in Romanhandlungen, die letztendlich nur ein Ziel haben: Vince Corso dem wahren Mörder auf die Spur zu kommen. Anleihen bei den Größen der schreibenden Zunft – von Camilleri bis zu Gadda – öffnen eine Bibliothek der Phantasten. Zitate und Nacherzählungen reichern dieses Buch so nachhaltig an, dass man nicht anders kann als stoisch bis zum Ende durchzuhalten.