Groll

Vittorio Leonardi starb eines natürlichen Todes, sagt der Arzt, der ihn untersuchte und den Tod feststellte. Und darüber hinaus sein Freund seit Schultagen war. Auch gibt es keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen.

Jahre später sitzt seine Tochter Marina der Anwältin Penelope Spada gegenüber und spricht von ihrem Unwohlsein wegen des Todes ihres Vaters. Jahre später!

Ist schon seltsam. Da unterhalten sich zwei Frauen über den Todes des Vaters der Einen. Die Andere hört gewissenhaft zu und mittendrin fällt ihr urplötzlich der Name der Einen auf. L-E-O-N-A-R-D-I. Das war mal was! Fünf Jahre zuvor war Penelope Spada noch bei der Staatsanwaltschaft. Unter der Flut von Anzeigen stach ihr damals eine besonders hervor. Es ging um die Loge P2 und ihr illegales Schneeballsystem. Das wurde zerschlagen und ein entsprechendes Gesetz zur Vermeidung solcher Untriebe erlassen. Die Loge hatte (und hat?) weitreichende Verbindungen in alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Die Ermittlungen führten Spada auch zu dem Namen Leonardi. Vittorio Leonardi. Anerkannter Chirurg und ehemals Abgeordneter. In Spadas Kopf klingeln alle Alarmglocken.

Eigentlich müsste sie den fall ablehnen. Es gibt einfach keine Hinweise auf ein Verbrechen. Aber dieser Familienname – es ist ihre Nemesis.

Vittorio Leonardi starb also an einem Herzinfarkt. Fakt. Kurz zuvor wollte er sein Testament ändern lassen, dass auch seine Ex-Frau, Marinas Mutter, berücksichtigen sollte. Marina selbst hat – auf dem Papier – ihren Pflichtteil bekommen. Doch sie vermutet, nein, sie weiß!, dass ihr eigentlich mehr zusteht. Und die Witwe des Doktors, ist nur schwer aufzufinden. Penelope Spada steht vor einem kniffligen Fall, wenn es denn überhaupt einen Fall gibt.

Gianrico Carofiglio führt die aufgewühlte Situation – Penelope Spada hat wirklich allen Grund aufgewühlt zu sein – mit weisen Worten und bedachtem Tun in ruhige Gewässer. Jede Ermittlung, jedes Gespräch, jeder Hinweis sind winzige Teile eines unüberschaubaren Puzzles, das Penelope Spada zusammensetzen muss. Gern würde sie zuerst die Ecken legen, dann den Rahmen zusammenfügen und sich dann Stück für Stück dem Mittelteil widmen. Doch binnen Bruchteilen von Sekunden befindet sie sich in einem Labyrinth aus Schweigen und Intrigen. Und wenn sie sich nicht allzu ungeschickt anstellt … wer weiß … vielleicht verschwinden dann auch die kreischenden Geister der Vergangenheit?!