Glaube, Hoffnung und Gemetzel

Was ein Titel! „Glaube, Hoffnung und Gemetzel“ – wer da an Roman Polanskis Film „Der Gott des Gemetzels“ denkt, ist schon fast auf dem richtigen Weg. Denn auch der ist sicherlich keine Massenware, die Fans von seichten Stories mit prall gefüllter Action hinter dem Ofen lockt. Auch Nick Cave liegt es fern mit einem Buch neue Fangemeinden zu generieren. Seine Anhänger sind ihm treu. Und sie wissen, was sie an ihm haben.

Mehrere Male hat der Journalist Seán O’Hagan Nick Cave interviewt. Es handelt sich dabei mehr um Gespräche zwischen zwei Menschen, die es geschafft haben ohne viel Tamtam eine gemeinsame Ebene zu finden. Denn Interviews gibt Nick Cave nur sehr ungern. Quatschen, reden, ein echtes Gespräch führen – ja, das mag er. Und das kann er auch! Und wie!

Und ja, das einzigartige Thema der Gegenwart – Corona – spielt natürlich eine gewichtige Rolle in den Gesprächen. Die Zeit des Lockdowns war für jeden eine ungewöhnliche Periode. Es ist zu einfach gedacht, dass Künstler, die andauernd on tour sind, diese Zeit paradiesisch hätte sein müssen. Endlich hat man mal Zeit sich intensiv um neue Texte und Melodien zu kümmern. Wenn das mal so einfach wäre. Denn Erstens entstehen Melodien, Texte und somit Stücke und Alben nicht auf Knopfdruck (und wenn doch, dann sind sie von vornherein mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen) und Zweitens ist Zwang Gift für jeden Freigeist. Wie aus dem Nichts (die Erklärung, dass es dann doch nicht „wie aus dem Nichts“ geschah schiebt Nick Cave gleich nach) schickt Nick Cave Seán O’Hagan sogar einen Songtext zu. Aus einem Guss geschrieben, also ganz anders als er sonst textet, und durch den Interviewer O’Hagan inspiriert. Auch hier wieder: Kein Anbiedern seitens des Fragenstellers, sondern sofortiger Einstieg in den Diskurs.

Nick Cave ist nicht derjenige, der sich hinsetzt und dem Fragensteller seine Arbeit tun lässt und sich dann in endlosen Phrasen über Teamgeist oder was gerade angesagt ist, ergeht. Er ist der Boss seiner Band, ohne dabei die Anderen in den Hintergrund zu stellen. Klar ist Teamwork in einer Band unerlässlich. Doch den Ton gibt nur einer an.

Je mehr man in dieses Buch eintaucht, je mehr man Seite für Seite verschlingt, desto klarer scheint das künstlerische Tun sich herauszuschälen. Komplette Wahrheiten gibt es nicht, schon gar nicht in der Kunst. Und Nick Cave ist Künstler. Durch und durch.

Um es noch einmal klarzustellen. Hier liegt keine Selbstentblößung vor, um Fans zu gewinnen. Der Maestro entblättert sich auch nicht vollends vor dem geneigten Leser. Vielmehr ist „Glaube, Hoffnung und Gemetzel“ eine geschickte gesetzte Nadel, die dem Spender keine Schmerzen zufügt. Dennoch quillt das Eine oder Andere aus ihm heraus, so dass es jeder sehen kann. Was der Leser aus diesem Buch für sich selber mitnimmt, entscheidet nur er selbst. Und genau deswegen muss man dieses Buch lesen. Denn jeder nimmt etwas mit, was auf diesen Seiten geschrieben steht.