Gespräch in Sizilien

Lange ist es her, dass Silvestro, der nun bald nach Sizilien reisen wird, daheim war. Als Jugendlicher flüchtete er. Vor der Beengtheit der Heimat und der Familie, vor der Hoffnungslosigkeit der Zeit, vor allem, was ihm die Luft nahm. Eines Tages erreicht ihn ein Brief des Vaters. Der hat mittlerweile die Mutter, seine Frau verlassen. Auch ihm war es zu stickig geworden. Spät, sehr spät, aber nicht zu spät ist er sich dessen bewusst geworden. Er bittet nicht um Verzeihung, will einfach nur Abschied nehmen. Sein Sohn solle doch dieses Jahr auf die Karte zum Namenstag der Mutter verzichten und sie stattdessen höchstpersönlich in Sizilien besuchen. Die Zeiten sind hart. Italien ächzt unter den kruden Phantasien des Duce. Sizilien blutet aus. Wer flüchten kann, flüchtet. Wer es nicht kann, redet am besten hinter vorgehaltener Hand.

So muss man auch dieses Buch verstehen und lesen. Es erschien in einer Zeit, in der offene Kritik mit prompter Strafe eine unheilige Allianz einging. Umso verwunderlicher ist es, dass es in zwei Versionen fast zeitgleich erschien.

Silvestro reist dem Wunsch des Vaters entsprechend in die Heimat. Vorbei an den Orten, die er bei seiner Abreise in umgekehrter Reihenfolge durchfuhr. Je näher er der Mutter kommt, desto konkreter werden die Erinnerungen. Die Orte klingen wie ein zartes Lied aus Kindertagen. Dann ist es geschafft! Die Mutter wartet schon auf ihn. So scheint es. Das Essen steht auf dem Tisch. Als ob er nie wirklich weg war, entspinnt sich ein reges Gespräch zwischen Mutter und Sohn. Wer ein wenig zwischen den Zeilen liest, kommt im Handumdrehen der Schönheit dieses Buches auf die Spur.

Elio Vittorini beschreibt ein Sizilien, das so gar nichts von der Postkartenidylle der Touristenzentren in sich trägt. Selbst der ersehnte Regen hämmert gegen die Stirn und macht es fast unmöglich hier Schönes zu erkennen. Wenn es denn nicht die Heimat wäre. Hier ist er zuhause. Hier ist er sicher. Hier fühlt er sich geborgen. Auch wenn nicht alles eitel Sonnenschein ist.

Silvestro ist Realist, die Mutter hat den entbehrungsreichen Leben nichts mehr entgegenzusetzen. Selbst die Freude über die Rückkehr des Sohnes weicht der Aktualität der Dinge. „Gespräch in Sizilien“ ist trotz alledem kein trauriges Buch. Weit entfernt von sonnenverbrannter Erde und fassungsloser Freude – was Touristen gern in der Insel sehen möchten – gelingt es ihm trotzdem ein flammendes Plädoyer für die Insel und seine Bewohner zu schreiben. Kein Reisebericht, der einem ruckzuck den Koffer packen lässt, dennoch ein Buch, das man gern noch einmal zwischen Messina, Catania und Siracusa lesen möchte. Und sei es nur, um festzustellen, dass es hier jetzt noch schöner ist.