Die Verfolgten

Es ist zynisch zu behaupten, dass heutzutage eine Flucht viel einfacher ist als noch vor einem halben Jahrhundert. Warum soll das so sein? Weil es mehr Boote und Fahrzeuge gibt? Wie hätte Giordano Bruno an heutige n Maßstäben gemessen fliehen sollen? Sich auf den Rücken eines Pferdes schwingen und innerhalb von einer Woche über die Alpen verschwinden? Und dann? Vom Regen in die Traufe – mehr hätte es nicht bewirkt. Nein, er blieb, er kämpfte, er verlor. Aber er kämpfte.

Albert Einstein, Emmy Noether – brillante Naturwissenschaftler. Doch der braunen Elite und ihrer Speichellecker ein Dorn im Auge. Übrigens aus verschiedenen Gründen (auch Neid spielt bei Diffamierungen immer eine Rolle…). Amerika war ihr großes Ziel. Sehnsucht kann man das nicht nennen. Überlebenstrieb trifft es besser. Dass Einstein auch hier überwacht wurde, traf ihn sehr.

Brillante Wissenschaftler auf der Flucht – bis heute ein Problem. Denn bis heute sind wissenschaftliche Denkweisen bestimmten Machtausübenden ein Dorn im Auge. Denn sie könnten die faden Argumente – sofern vorhanden – mit einem Handstreich ad absurdum führen.

Giordano Bruno starb auf dem Scheiterhaufen, weil er der Welt sagte, dass wir nicht allein im Universum sind. Albert Einstein umschiffte die Klippen der Strafe durch seinen bekanntheitsgrad. Alan Turing traf seine eigene Wahl.

Turing kann getrost als Vater der Künstlichen Intelligenz bezeichnet werden. Im Krieg gegen die Nazis kann sein Anteil beim Dechiffrieren feindlicher Nachrichten nicht hoch genug eingeschätzt werden. Was ihn sogar einen OBE (Orden of the British Empire, ein Adelstitel) einbrachte. Nach dem Krieg gab es für ihn, seine Person, kaum noch Verwendung. Fachlich hätte man ihn unbedingt gebraucht. Aber. Alan Turing war … schwul. Und gab sich auch nicht sonderlich Mühe dies zu verbergen. Als er einen Einbruch bei der Polizei zu Protokoll gab, kam alles heraus. Schlussendlich wurde er einen „medizinischen Kur“ unterzogen, die das Anderssein heilen sollte. Von wegen „andere Zeiten, andere Sitten“ – es war menschenverachtend. Und es wurde erst vor paar Jahren durch Queen Elisabeth II. verurteilt und revidiert. Das Spießrutenlaufen beendete der Querkopf selbst. Mit Mandeln und einem Apfel. Zurückblieb das Erinnern an einen sensiblen, manchmal normbefreiten genialen Kopf. Hier und da erinnern Gedenktafeln, Straßennamen und mittlerweile eine Pfundnote an Alan Turing.

Thomas Bührke nimmt die Fährten vergessener Lebensphasen großer Denker wieder auf. Sie alle wurden verfolgt, aus unterschiedlichen Gründen. Nachvollziehbar sind diese allesamt nicht, nach heutigen aufgeklärten Maßstäben. Waren sie damals eigentlich auch nicht. Aber so ist das eben mit dem Einschub „eigentlich“. Eines sollte man nicht machen: Eich eigentlich für diese Personen interessieren, und dieses Buch nicht lesen.