Die Kunst den Mund zu halten

Unterteilt man die Menschen in die, die reden – ob nun aus Wissen oder Geschwätzigkeit heraus – und die, die schweigen – ob nun aus Unwissenheit oder Vorsicht – so hat es Joseph A. Dinouart geschafft, ein Buch für die gesamte Menschheit zu schreiben. Schweigen ist Gold, sagt der Volksmund. Und Reden ist Silber. Beides Edelmetalle, beide sind wertvoll. Wie so oft im Leben, ist die Mischung von entscheidender Bedeutung.

„Die Kunst den Mund zu halten“ stammt aus der Zeit als die Aufklärung für sich in Anspruch nahm, die Welt erklären zu können und sie verändern zu können. Ein Alleinvertretungsanspruch sozusagen. Ein Kampf der Eloquenz gegen das Bauchgefühl. Mehr als zweihundert Jahre sind seit der Erstveröffentlichung nun vergangen und noch immer kann man sich den einen oder anderen Ratschlag zu Herzen nehmen. Doch Vorsicht: Nur, weil man den Mund hält, heißt das noch lange nicht, dass man auf die Siegerstraße eingebogen ist, an deren Ende der Lorbeerkranz wartet.

Man stelle sich vor Einstein hätte geschwiegen. Oder Aristoteles. Dann hätte auch Dinouart schweigen müssen. Es ist eine verzwickte Situation. Schweigen, um dem Anderen die Argumente zu nehmen. Und Reden, um den Schweigenden selbiges anzutun. Was war zuerst da? Das Wort oder das Schweigen?

Wer nun denkt die Schrift Dinouarts mit einem Handstreich ad absurdum führen zu können, irrt. Auch Dinouart weiß, dass Schweigen nicht das Allheilmittel gegen Ignoranz und für Frieden und Wohlbefinden ist. Es ist die Mischung – wie so oft im Leben – die eine Theorie handhabbar macht. Zum Einen muss man wissen, ob der Gegenüber auf gleichen Niveau agiert wie man selbst. Dann erübrigen sich überflüssige Worte von ganz allein. Hat man das Gefühl seinen Ausführungen ein größeres Maß an Erläuterungen beizumischen, ist das nicht nur legitim, sondern essentiell wichtig.

Band Vierzehn der Schlaflosreihe ist sicher keine reine Bettlektüre, die einem einen ruhigen Schlaf beschert. Je nach Ausgangslage kann man darüber amüsieren oder bis ins Mark darüber ärgern. Was man nicht machen sollte, ist Buch und Autor komplett zu verteufeln. Oder gar zu behaupten, dass zweihundertfünfzig Jahre ausreichend seien, um solch eine Schrift heutzutage nur noch als nostalgisches Geschreibe zu bezeichnen. So sorgfältig wie man seine Worte wählen sollte, so sorgfältig sollte man auch denjenigen aussuchen, den man dieses Buch zum Geschenk macht. Denn der Titel allein könnte – nein er wird! – für Verwirrung sorgen.