Das Badezimmer

Verrückte Zeiten, verrückte Typen – es gab sie immer, es gibt sie immer noch, und es wird sie immer geben. Die Einen sind unfassbar kreativ und produktiv, Andere trotzen dem Älterwerden mit klischeehaftem Jugendwahn. Und dann gibt es die wirklich abgedrehten Typen: Sie steigen in eine Badewanne … und kommen einfach nicht mehr heraus – eindeutig die angenehmsten schrägen Vögel, die unsere Welt und die Literatur zu bieten haben.

So unvermittelt der namenlose Erzähler – eines der Erkennungszeichen von Autor Jean-Philippe Toussaint – in angenehm warmes Nass steigt, so unvermittelt nimmt er postwendend auch wieder am trockenen Alltag teil. Anfangs scheinen die fehlenden Gedankenbrücken zu fehlen. Doch schon bald hat man sich mit dem Badeannenkapitän angefreundet. Sprunghaft ist anders. Vielmehr ist man Teil eines Lebens, das man selbst so nicht leben könnte. Es zu beobachten ist viel interessanter. Wie, wann, was zustande kommt, darf und muss man außeracht lassen (können).

Die titelgebende Badewannensession geht dem Leser ans Zwerchfell. Freunde kommen vorbei und berichten vom Regen. Wasser ist nun wirklich das Einzige, das den Badenden überhaupt nicht interessiert. Es umgibt ihn und seinen Körper vollends. Auch die Mama kommt vorbei. So wie es Mütter nun mal tun, wenn ihre Zöglinge Unfug treiben. Doch statt endloser Tiraden, ist die Welt im und um das Badezimmer herum in Ordnung.

Edmondsson – ein außergewöhnlicher Name für eine Frau – sieht dem Treiben ihres Gatten teilnahmslos, ratlos, aber auch verständnisvoll, oft auch abwesend zu. Dennoch reduziert sie ihre Arbeitszeit, um bei ihm zu sein. Eine echt verrückte Beziehung!

Als der Badewannenhorizont schlussendlich doch ausreichend erforscht ist, das eigene Leben analysiert, die Welt um ihn herum in von ihm gelenkten Bahnen die selbigen zieht, beschließt er ein wenig Unordnung wieder in sein Leben zu lassen. Er verlässt das, was er sich in den gekachelten vier Wänden gerade aufgebaut hat.

Jean-Philippe Toussaint brillierte in seinem Erstling mit der Essenz der ihm zur Verfügung stehenden Sprache. Detektivisch sucht man nach Überflüssigen. Keine Chance! Als Leser wird man zum Weberknecht der Gedanken eines Mannes, der Verrücktes tut, den man jedoch niemals auch nur annähernd als verrückt bezeichnen könnte, wolle man ernst genommen werden. Er ist verrückt, im reinsten Sinne des Wortes: Ver-Rückt.