Country place

Lennox, Connecticut, nach dem Krieg, Ende der 40er Jahre. Ein Ort, in dem der Durchschnitt ein Heim gefunden hat. Groß genug, um sich zu verschanzen. Zu klein, um ein Geheimnis zu bewahren. Hierhin kehrt Johnnie zurück. Zurück zu Glory, seiner Frau. Schon im Taxi, bei Wiesel, so heißt der Fahrer, wird ihm bewusst, was er vier Jahre hinter sich ließ: Klatsch und Tratsch sind der Kitt, der die Gemeinschaft – und gemein ist hier im doppelten Sinne zu sehen – zusammenhält. Mutter ist überglücklich ihren Sohn wieder bei und um sich zu haben. Doch Glory macht gleich Nägel mit Köpfen – sie kann es nicht ertragen, wenn Johnnie sie anfasst. So unverändert ihm Lennox im Taxi noch vorkam, so anders ist es nun in den eigenen vier Wänden. Sei es wie es sei. Glory hat er verloren. An Ed. Illusionen konnte er sich nicht hingeben, er konnte nicht erwarten, dass nach vier Jahren in Übersee, im Krieg gegen die Nazis alles nur darauf wartete ihn endlich wieder hier zu haben. Den Krieg als Intermezzo gibt es nicht!

Und Johnnie ist nun auch keiner, der mit dem Vorschlaghammer mit aller Macht alles einzureißen versucht, um Neues entstehen zu lassen. Einen Sturm entfacht bestimmt nicht er, wenn dieser denn einmal durch die eingelaufenen Pfade wüten sollte…

Mrs. Gramby hingegen ist die Grand Dame des Ortes. Ihre Moralvorstellungen vertritt sie bis ins letzte Glied. Unerwarteter Besuch wird ebenso brüsk angeraunzt wie unliebsame Gäste. Sie weiß, was sie will und was sie darstellt. Auch ihr ist der Mief der Stadt zuwider. Obwohl sie und ihre Ahnen dazu beigetragen haben ihn aufzubauen. So gehrt das Leben in Lennox seinen gewohnten Gang. Der Apotheker, der in „Country place“ als Chronist die Geschichte zum Besten gibt, ist ein gescheiter Beobachter. Oft wird das X, das man sich für ein U vormacht oder vormachen lässt oder es sich vormachen lassen soll, zu einem Fanal für eine kleine … Veränderung. Wie gesagt, kein Sturm. Selbst wenn der einmal durch die Straßen fegt, hat es allenfalls kleinere Veränderungen zur Folge. Das Leben in Lennox wird sich dadurch nur geringfügig ändern. Oder doch nicht?!

Ann Petry hat sich Lennox in Neuengland ausgedacht. Sie lebte hier. Sie wusste wovon sie schreibt. Sie kannte die Eigenheiten der Bewohner. Es dauerte mehr als siebzig Jahre bis ihr 1947 erschienener Roman in deutscher Übersetzung erscheint. Als sie in Harlem lebte, schrieb sie „The street“ über das harte Leben einer (schwarzen) alleinerziehenden Mutter. Nun war sie wieder zurück in ihrer neuenglischen Heimat und schrieb über das, was sie vor ihrer eigenen Haustür vorfand: Rassismus, Hass, Teilnahmslosigkeit. Aber auch vom Glück in einer derartigen Glocke mit eigenen Regeln leben zu können. Diese Regeln zu brechen, ist der einzige Weg eigene Pfade zu befestigen. Mit unverwechselbarer Empathie und einem ausgeklügelten Wortschatz, der in der Übersetzung nichts an Wirkung verliert, strahlt auch dieser Roman wie der hellste Stern am dunklen Firmament.