Das große Fabel-Buch

Fabeln begleiten uns durch das gesamte Leben. Als Kinder kichern wir beglückt über sprechende Tiere und verblüffen die Großen, wenn wir die Moral von der Geschicht’ auf Anhieb verstehen. Im weiteren Verlauf treffen wir hier und da auf eben diese Gestalten und erfreuen uns daran, wenn sich (die) Geschichte wiederholt. Gegen Ende möchten wir dann doch lieber mit den Tieren zu tun haben, denn zum Beispiel aufgeblähte Frösche haben dann doch eben eine begrenzte und vor allem vorhersehbare Lebensdauer…

Jean de la Fontaine hat mit seinen Fabeln die wohl größte Werkschau geschaffen, die immer noch zum Lesen, Nachdenken, Rätseln und Amüsieren einlädt. Immerhin wird im Jahr 2021 sein 400. Geburtstag gefeiert. Schon Voltaire – ob er wohl den hundertsten Geburtstag des Fabeldichters gefeiert hat? – sah in den Werken eine unendliche Geschichte.

Wie feiert man einen runden Geburtstag, wenn der Grund der Party aus verständlichen Gründen nicht anwesend sein kann? Mit einem ausgelassenen Dinner? Nach „Die Taube und die Ameise“ wird wohl kein Täubchen kredenzt. Denn die hat Helfer aus alter Verbundenheit, die sich todesmutig einem potenziellen Angreifer in den Weg schmeißen. Und ein Hühnchen zu bewegen, höchstselbst in den Kochtopf zu hüpfen, gelingt weder im richtigen Leben, noch in der Fabel „Der Hahn und der Fuchs“. Da kann man noch so sehr schmeicheln.

Man kann – man wird – den Geburtstag mit diesem Buch auf dem Schoß feiern. Laut lachend, sinnierend, nachdenklich ergötzt man sich an der Universalität der Worte. Und jeder, der den Versen lauscht, bleibt still, geht in sich und macht sich noch lange nicht auf die Fersen, um das Weite zu suchen. Denn das Gute liegt ja bekanntlich so nah. Es ist ein besonderer Genuss bekannte und unbekannte Fabeln (noch einmal) zu lesen. Man schwelgt in Erinnerungen, findet auf Anhieb Parallelen zum eigenen Leben und ist sich das eine oder andere Mal pikiert, wenn man sich selbst in den Reimen wieder findet.

Diese elegante Ausgabe im edlen Pappschuber setzt dem Wortgenuss von Jean de la Fontaine den Augenschmaus von Jan Peter Tripp an die Seite. Er flankiert ganz im Sinne des Autors den Band mit eindrucksvollen Bildern. Rätselhafte gestalten, bei denen man nicht weiß, ob sie menschliche Tiere oder tierische Menschen abbilden. Hier verschwimmen die Grenzen spielerisch. Wie in einem Stummfilm, untermalen hier zwei Kunstarten die jeweils andere.