City Lights

Die Tage werden kürzer, das Grau des Alltags spiegelt sich nun auch am Himmel wieder. Da holt man gern noch einmal die Fotos vom erst kürzlich vergangenen Urlaub heraus, obwohl der auch schon wieder Monate her ist. Man erinnert sich, ist stolz auf die Schnappschüsse, erfreut sich an einzigartigen Perspektiven, bei denen sogar der schiefe Turm von Pisa kerzengerade in den wolkenfreien Himmel wächst. Noch einmal durchschnaufen – bald ist Weihnachten. Und dann gilt es einmal mehr der Kreativität freien Lauf zu lassen, um zu beeindrucken. Dieses Jahr wird es ein Leichtes sein dem Beschenkten ein „Ah“ und ein „Oh“, vor allem aber ein „Bist Du verrückt?!“ zu entlocken.

Vincent Laforet machte am 29. September 2001 ein Foto von einem afghanischen Flüchtlingskind, das vielleicht nicht um die Welt ging, dafür aber die Jury der Pulitzer Prize beeindruckte. Zusammen mit dem Team der New York Times gewann er den begehrten Preis für die beste Fotoreportage (Best Feature Photography). Schon kurze Zeit später galt er als einer der einflussreichsten Fotografen. Mit „City Lights“ zeigt er sein ganzes Können bei der Darstellung von Städten bei Nacht. Klingt erst einmal nach „Ja, das kann ich auch“, ist aber gar nicht so einfach, um es kurz und verständlich auszudrücken.

Und dann schlägt man dieses Buch, nein … diesen Prachtband auf! Eine Offenbarung! Noch nie waren nächstens erleuchtete Städte so blau. Noch nie so verwundbar. Noch nie so offensichtlich anonym. Sydney ist für sich genommen schon eine Augenweide. Auch und gerade bei Nacht. Aber: Bei Nacht, von Oben fotografiert … das Leuchten der Lebensadern … Details zu funkelnden Pixeln degradiert, um in der Gänze eine nie zu erwartende Wirkung zu erzielen, ohne Blitzlicht – da lassen die Synapsen kräftig die Sektkorken knallen!

Barcelona als buntes Potpourri, London als Regenbogen in Hochglanz, Chicago Reißbrettentwurf in Sonnenblumengelb oder Las Vegas in gar nicht mehr so bunt wie es die Prospekte einem vorgaukeln wollen – City Lights haben ihre eigene Magie. Sie einzufangen, ist Aufgabe von Dokumenteuren wie Vincent Laforet. Und wenn das Auge des Fotografen einmal Blut geleckt hat, dann kann sich der Betrachter auf eine riesige Portion Emotionen gefasst machen. Als Leser ist man von Natur aus in der richtigen Position auf dieses Buch und auf die Städte herabzublicken. Von oben auf Gebäude, Stadtteile, ganze Städte zu schauen, hat etwas Erhabenes. Mit dem kiloschweren Buch auf dem Schoß nehmen die Aufnahmen die Angst vor der großen unbekannten Stadt undverwandeln sie in ein Objekt der Begierde. Einmal nicht mit dem Finger auf ein Gebäude zeigen, sondern es einmal „in Echt“ zu bestaunen und vielleicht zu berühren, wenn das das Ziel des Buches war, dann ist die Aufgabe auf jeder Seite übererfüllt worden.