Anna Seghers im Garten von Jorge Amado

Da sitzt sie nun umgeben von prächtigen Blüten. Die Hitze umarmt sie wie ein liebevoller Partner. In Gedanken ist sie in der Heimat. Dort ist es kalt, sprich- und wortwörtlich gleichermaßen. Sie, das ist Anna Seghers. Die Schriftstellerin. Autorin des überragenden Siebten Kreuzes, das auch verfilmt wurde. Mit Spencer Tracy, dem Womanizer wider Willen, der seiner großen Liebe Catherine Hepburn niemals die Hand reichen wollte.

Der Garten gehört Jorge Amado. Ebenso Schriftsteller. Kommunist. Mitarbeiter an der Verfassung Brasiliens. Beide verbindet der Drang Gerechtigkeit und die Suche nach einer besseren Welt. Anna Seghers hat Deutschland noch verlassen können. Damals, als der braune Terror jedes zarte Pflänzchen von Humanität mit Stiefeln zertrat.

Dieses Bild existiert. Und Robert Cohen, Schriftsteller („Exil der frechen Frauen“) und Literaturwissenschaftler, hat es inspiriert eine Geschichte herum zu schreiben. Es kann sich alles genauso zugetragen haben. Dass alles komplett seiner Phantasie entsprang, ist unwahrscheinlich. Zu genau ist sein Fachwissen. Zu präzise die Analysen. Zu detailreich die Ansammlung von Fakten.

Auf Anna Seghers’ Schoß liegt ein Notizbuch. Darin vielleicht die Liste, die sie anfertigte. Sie ist inzwischen mexikanische Staatsbürgerin. Deutschland liegt in Trümmern. Auf der einen Seite krempeln die Besatzer die Ärmel hoch und verheißen eine rosige Zukunft. Auf der anderen Seite wird Ideologie gepredigt, die eine noch rosigere Zukunft und somit ein weiteres Mal den Endsieg verspricht. Zurück nach Deutschland – die Frage stellt sich für Anna Seghers nicht. Sie wird zurückkehren. Doch wohin? In ihre Heimatstadt Mainz? Oder in die verheißungsvolle östliche Hälfte, in den Staat, in dem was Neues erstehen soll? Vor- und Nachteil, links und rechts, pro und contra. Sie erinnert sich an die verlorenen Freunde, Weggefährten und Mitstreiter.

Ihr Name hat einen Klang wie kaum ein anderer. Die berührende Geschichte des Georg Heisler, der aus dem KZ flüchtet, bewegt bis heute die Leser und Zuschauer. In der DDR wird Anna Seghers Präsidentin des Schriftstellerverbandes, dem sie ein Vierteljahrhundert vorsteht. Sie bescheinigt Christa Wolf eine blühende Zukunft, das legt ihr Robert Cohen in den Mund. Die Wirklichkeit gab beiden – Seghers und Cohen – Recht. Dieses wunderschön gestaltete und inhaltlich berührende Büchlein befördert den Leser in die Welt einer Kämpferin, die sich niemals eine kämpferische Attitüde anheftete. Zerrissen zwischen mehreren Welten muss sie sich im scheinbaren Paradies (Jorge Amado weiß genau, dass das Paradies nicht in seiner Heimat Brasilien zuhause ist) entscheiden, ob sie weiter kämpfen wird und kann. Der Entschluss ist bekannt. Der Weg dorthin ist es erst durch Robert Cohens Buch.