Agata und ihr fabelhaftes Dorf

Wo gestern noch das Feuer des Kampfes loderte, liegt heute der kalte Körper von Costanzo Di Dio, dem Tabacchere in dem kleinen sizilianischen Ort. Gestern noch, oder besser: Bis gestern noch scharwenzelten der Bürgermeister Don Pallante und seine Kumpane um ihn herum. Sie wollten sich unbedingt Saracina, ein idyllisches, vor allem aber unfassbar wertvolles Stück Land unter den Nagel reißen. Doch der Kommunist Costanzo blieb stur. Keine Unsumme der Welt würde er akzeptieren und das Land, auf dem einmal seine Kinder und Kindeskinder spielen sollen hergeben. Und schon gar nicht dem Faschisten Pallante.

Jetzt ist der letzte Funken Lebensgeist aus Costanzos Körper gewichen. Die Trauerfeier ist pompöser als es ihm liegewesen sein könnte. Doch die Leichenfledderer stehen schon Schlange. Siekreisen um die schöne Agata. Jung, in der Blüte ihres Lebens. Die Frauen des Dorfes neiden ihr das Aussehen und den Status der jungen Witwe, die es über Kurz oder Lang mit der Moral sicher nicht mehr so ernst nehmen wird. Auch der Bürgermeister streckt seine klebrigen Finger nach ihr aus. Was bisher nur im Verborgenen blieb, tritt nun allzu deutlich zutage. Er will Agata endlich erobern. Wegen ihr. Und wegen des Anwesens. Die geplante Mülldeponie ist profitabel.

Pallante, den alle wegen seiner auffälligen Augen nur occhi janchi, weiße Augen, nennen, bietet willfährigen Helfern sogar hochbezahlte Jobs in der Umgebung an. Qualifikation wird ja eh überbewertet. Dieses Helfer haben es aber bis jetzt nicht geschafft, das begehrte Land in den Besitz von occhi janchi überzuleiten. Jetzt scheint die Gelegenheit gekommen, Saracina endgültig vereinnahmen zu können. Die junge Witwe hat momentan sicher andere Sorgen als den Kampf um ein Stück Land…

Dass die Aasgeier sich irren, steht schon während der Prozession fest. Vor der Parteizentrale der Bürgermeisters Pallante bleibt Agata kurz stehen und … spuckt aus. Sie wird für ihren Laden kämpfen (müssen). Sie wird für Saracina kämpfen (müssen). Sie wird jedem Widersacher mehr als nur die Stirn bieten (müssen). Mit Toni Scianna, dem Lehrer – auch schwer verliebt in die bezaubernde Agata – und Lucia, ihrer besten Freundin hat sie Verbündete an ihrer Seite, auf die sie bauen kann.

Verehrer und Feinde sind von nun an im Leben von Agata die Konstanten im Alltag. Ihre Feinde sind zu allem bereit. Das emotionale Band zu ihren Freunden wird immer wieder gespannt, doch es hält.

Tea Ranno gelingt es spielerisch den schmalen Grat zwischen kitschiger Idylle am Meer und akurat gezeichneter Verhältnisse in dem fiktiven sizilianischen Dorf nicht zu verlassen. Mit dem Maresciallo Andrea Locatelli kommt Hilfe von ungeahnter Seite. Ihm sind die Machenschaften des Bürgermeisters und seiner Bande ebenso ein Dorn im Auge, den man besser heute als morgen herauszieht. Das fabelhafte Dorf von Agata strotzt vor Liebe. Aber eben auch vor Hass und Gier. Agata wird ungewollt zu einer zentralen Figur in einem Spiel, das durchschaubar ist, dessen Regeln aber immer wieder gebrochen werden. Und genauso oft gebrochen werden müssen.