Du wirst heillos Geduld haben müssen mit mir

Lieber Glauser,

 

ich darf Sie doch so nennen? Ich kenne Ihren Studer, bin fasziniert von dem unnachgiebigen Jäger. Sie Friedrich zu nennen, käme mir nicht in den Sinn. Schon seit sehr langer Zeit habe ich keine Briefe mehr bekommen. Keine richtigen. Keine privaten Zeilen. Immer nur Werbepost mit mehr oder minder moralischen Angeboten. Ihre Briefe, zusammengefasst in diesem kleinen Büchlein sind die ersten in diesem Jahrtausend. Klingt hochtrabend, oder? Aber die nüchternen Zahlen sprechen eine nüchterne Sprache. Und die ist weder Ihrer noch mein Fall.

Sie sind ein echter Schlawiner, lieber Glauser! Die Feder ist schärfer als das Schwert, stimmt’s?! Wie Sie Elisabeth von Ruckteschell umgarnen, Ihre Liso, lässt erahnen was in Ascona passierte. Der Blitz hat mehrmals eingeschlagen. Biswangen und der Enge der Psychiatrie entkommen, war sie der Wind im Segel im Aufbruch zu neuen Ufern. Lange Briefe hatten sie ihr versprochen, hielten es und verwarfen den Gedanken gleichermaßen. Die Masse an Briefen … mochte sie das? Ich glaube schon. Sie wussten, was Sie wollten. Wohlklingende Worte, frei im Geiste und strikt ihren Weg verfolgend. Würden doch mehr Menschen so schreiben (können) wie Sie!

Heute – mehr als achtzig Jahre nach ihrem Tod – zeigt man seine Zuneigung mit kleinen Bildchen, Emojis nennt man das. Doch deren Bedeutung muss man auch erstmal entziffern. Sie hingegen halten nicht hinterm Berg. Sie lieben – als schreiben sie es. Sie darben, also betteln oder flehen Sie. Sie leiden – warum allein leiden? Auch andere sollen daran teilhaben, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen.

Ich frage mich, was Sie wohl denken würden, wenn Sie Ihre „gesammelten Werke“ en bloc – wie in diesem Buch – lesen könnten. Oh my god! Oder doch „ach so war das?“, ich glaube die Erkenntnis liegt irgendwo in der Mitte. Und das obwohl Ihnen Mittelmäßigkeit niemals leid war. Wie kann man etwas leid sein, dass man nicht kennt! Ob man Ihre Liebebriefe wohl als Grundlage für eigene Schwüre benutzen dürfte? Irgendwie fühlt man sich verpflichtet dieses wunderbar gestaltete Büchlein – die Prägung mit den zwei Äpfeln auf der Frontseite haben Sie, wo immer Sie jetzt sind, sicher bemerkt – für sich selbst in die Tat umzusetzen. Es wäre doch schade, sie ungenutzt zu lassen. Nichts ist grausamer als unnütz verschossenes Pulver.

Liebe Glauser, es ist kein langer Brief geworden. Ich wollte nur Danke sagen, für den Studer und die Briefe, die ich lesen durfte. Genießen Sie den Ruhestand, und lassen Sie die Finger vom Morphium. Das ging schon einmal nicht gut! Bis gly.