Archiv für den Monat: August 2016

Die kleine Raupe Nimmersatt – Mein erstes Geschirr

1206Die kleine Raupe Nimmersatt

Ein Löffel für die Mami, ein Löffel für den Papi … Kinder zum Essen zu bewegen ist kein Kinderspiel. Da werden Ratgeber gewälzt, Onkel und Tanten befragt, das Internet durchstöbert. Und jeder hat die richtige Antwort parat. Fast wie beim Fußball, wenn 80.000 Trainer auf den Tribünen sitzen. Und was hilft letztendlich – außer dem Hunger? Eigenes Geschirr. Ja klar, Tasse, Teller, Löffel und Gabel sollen helfen, dass der Nachwuchs prächtig gedeiht? Ausprobieren!

Jeder, der als erstes Besitzgut Geschirr angeben kann, wird es bestätigen: Eigener Herd ist zwar Goldes wert, aber eigenes Geschirr lässt das Edelmetall verblassen. Der erste eigene Teller! Wow! Jetzt bin ich groß! Und Großwerden ist nun mal das Ziel aller, die es noch nicht geschafft haben. Und außerdem ist es doch ein Riesenspaß den Teller leer zu löffeln und dann einen gefräßigen Konkurrenten bloß zu stellen. Da ist sie – die nimmersatte Raupe.

Ja, die Raupe Nimmersatt hat schon so manchem auf die Sprünge geholfen. Seien es erste Bücher über Zahlen und Buchstaben, Plüschraupen oder andere Artikel mit der lebenslustigen Raupe. Ihr Hunger ist unstillbar. Als Löffelmeister der nimmersatten Raupe gehören natürlich auch die entsprechenden Utensilien zur Ausübung der Tischmacht. Links die Gabel, rechts der Löffel, oder umgekehrt. Und wenn der Schmaus so richtig in Gang kommt, das Füttervolk in Laune ist, dem Mahl an den Kragen zu gehen, kann  schon mal etwas daneben gehen. Ängstliche Königseltern achten dann immer darauf, dass ja nichts zu Bruch geht. Schließlich ist das erste Geschirr ein bleibender Wert. Die Geschenkbox wischt diese Bedenk mühelos beiseite. Porzellanscherben, die Glück verheißen sollen und doch nur Ärger machen, sind passé. Alle vier Bestandteile dieses Sets sind aus bruchsicherem Plastik. Und lebensmittelecht es auch. Sollte tatsächlich noch was zurückbleiben vom köstlichen Mahl, dann ab in die Spülmaschine. Auch das Besteck und die Tasse.

Das farbenfrohe Design und die unverkennbare Raupe machen den regelmäßigen Gang an den Tisch zum Erlebnis. Und zwischendurch kann man sich sein Geschirr anschauen und lernen, dass Erdbeeren rot, Birnen grün und Pflaumen blau sind. Niedlicher kann man als großer Kleiner nicht verköstigt werden.

Guter Junge

Guter Junge

Was ein Sommer! Michael Donnelly ist ein aufgewecktes Kerlchen. Anfang der 80er Jahre in Belfast aufzuwachsen, ist kein Zuckerschlecken für einen, der zwischen Phantasie und Pflichtbewusstsein hin- und hergeschubst wird. Auf der einen Seite ist Maggielein, die kleine Schwester, auf die er aufpassen soll. Wenn die was anstellt, bekommt er eine Abreibung. Die Mutter führt ein hartes, und nicht immer faires Regiment, versucht das wenige Geld sinnvoll zu nutzen. Der Vater – naja – er ist da. Paddy ist nicht nur das schwarze Schaf in der Familie, für Mickey ist er einfach nur der dumme Hund. Fartin‘ Martin ist der einzige Freund Mickeys. Doch ihre Wege sollen sich bald trennen. Denn Mickey soll auf eine Eliteschule. Die ist teuer, zu teuer, wie er am Ende des Schuljahres erfahren soll. Glück für ihn, denn so kann er weiterhin mit Fartin‘ Martin zusammen die Schulbank drücken. Auch der ist „was ganz Besonderes“ und darf deswegen auf eine besondere Schule. Wieder ein Traum, der zerplatzt. Noch neun Wochen, um sich auf das neue Leben in der neuen Schule vorzubereiten. Als guter Junge tut man das!

Es ist die Zeit, in der Mickey weiß, dass Belfast aus zwei Teilen besteht: Dem Katholischen und dem Protestantischen. Und als Vertreter der Einen geht man nicht in den Stadtteil der Anderen. Das ist Gesetz! Wer’s trotzdem versucht, wird schmerzhaft erfahren, warum es so sein soll und warum es so ist.

Und so vergehen die Ferienwochen. Das Haus der Donnellys wird von der britischen Armee gestürmt, Paddy, der dumme Hund, abgeführt. Killer, der echte Hund der Familie, den Mami nicht wollte, Papi aber trotzdem besorgte, musste allein zurückbleiben. Nichts passiert, zum Glück! Mickey spielt mit seiner Schwester, aber nicht zu weit weg vom Haus, Mickey weiß warum. Und der Vater fängt wieder einmal an zu saufen. Ferienidylle sieht anders aus.

Zwischen Razzien und Pubertät, explodierenden Bomben und Ferienende flieht Mickey in seinen Tagträumen oft in seine eigene Welt. „Der Zauberer von Oz“ ist sein Lieblingsfilm. Mit seinen neuen Sneakers, nur er benutzt das moderne Wort für Turnschuhe, wie cool, tanzt er die Schritte aus dem Film nach und weiß, dass, wenn er groß ist, er nach Amerika gehen wird. Es ist seine Strategie der brutalen Welt, den von Sicherheit geprägten Regeln zu entkommen. Stumpfe Waffen im Kampf gegen chromblitzende und feuerspuckende Ungetüme. Mickey ist und bleibt der gute Junge!

Autor Paul McVeigh liest am 15. September in Berlin beim Internationalen Literaturfest, am 18. September im Kölner Literaturhaus und ist im November an diesen Tag zu Gast:

15. November – Olpe – Buchhandlung Dreimann

16. November – München – Buchhandlung Lehmkuhl

17. November – Regensburg – Buchhandlung Dombrowsky

Leinwandgöttinnen

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Sie sind die einzigen Wesen, an die man glaubt, die man anbetet, die wahrhaftig sind – man sieht sie und wirft jeglichen Atheismus über den Haufen: Leinwandgöttinnen. Oscarprämierte zweidimensionale Geschöpfe, die mit ihrer Kunst und Ausstrahlung selbst einem Fahrradfahrer Benzin verkaufen können. Schon das Buchformat gibt den Rahmen vor: Groß(artig), ein Taschenbuch könnte nur Fakten aufreihen. Der vergoldete Leineneinband am Buchrücken lässt einen Hauch von Kinoatmosphäre aufkommen.

Auf dem Titel prangt der Inbegriff der Göttin: Audrey Hepburn. Würden Lexika nur aus Bildern bestehen, so würde man ihr Bild unter Anmut finden. Ihre Verkörperung der Holly Golightly ist das perfekte Gegenstück zum Entwurf der Figur (ursprünglich hatte Truman Capote Marilyn Monroe die Rolle auf den üppigen Leib geschrieben), denn allein sie prägte das Bild des leichtlebigen, und dabei nie bewusst verletzenden Freigeistes für Generationen.

Ihre Namensvetterin Katherine hingegen bekam gleich viermal den Oscar. Sie ist die unangefochtene Göttin unter den Göttinnen. Ebenfalls aus eher wohlhabenden Verhältnissen stammend, waren ihr Ehrgeiz und ihre Sturheit ihr Markenzeichen. Sie verwandelte die Leinwand in ein Zelluloidfeuer, das heute nur noch wenige ihrer Nachfolgerinnen im Stande sind nachzuzeichnen. Resolutes Auftreten, die eigene Meinung vehement zu vertreten und die Abneigung sich als Star bezeichnen zu lassen, gaben ihr das Attribut Göttin.

Nur ein Jahr jünger war Bette Davies. Ein Biest, wenn man nur ihre Rollen betrachtet. Und das ist es, was bis heute nachwirkt. Sie war nie das Glamour-Girl, das es durch massenwirksame Äußerlichkeiten in die Klatschspalten brachte. Sie war böse, gemein, hinterhältig … in ihren Rollen. Für Produzenten und Studiobosse ein Albtraum. Doch ihre Baby Jane und ihre Jezebel sind bis heute der Inbegriff der Teufelin.

Den Autoren gelingt es in kurzen Texten die Anbetungswürdigkeit von fünfzehn herausragenden Schauspielerinnen und Oscar-Preisträgerinnen ins rechte Licht zu rücken. In jedem ihrer Sätze spürt man die Leidenschaft, die die beiden Autoren für Film und ihre Akteure entwickelt haben. Der Leser taucht tief ein ins Leben der Diven (im Englischen wirkt diese Formulierung besser (dive=tauchen, Diva=Göttin) und hat augenblicklich das Verlangen unvermittelt sich Klassiker wie „Rat mal, wer zum Essen kommt“, „Bonnie und Clyde“ oder „Still Alice“ als Abendunterhaltung zu wählen. Meryl Streep, Julianne Moore, Sophia Loren, Liz Taylor, Grace Kelly und andere haben sich schon ihren Platz im Kinoolymp erkämpft. Sie thronen über vielen anderen, die sich noch si abrackern können und nie die Meriten ihrer großen Vorbilder erhalten werden. Die Leinwandgöttinnen stachen durch ihr außergewöhnliches Talent, aber auch ihr Engagement außerhalb der Studios hervor. Manche waren politisch aktiv wie Jane Fonda und Susan Sarandon, sahen ihr eigentliches Lebensziel darin mit ihrer Reputation die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Andere hoben ihre Kunst auf eine neue, höhere Stufe. Bloße Effekthascherei schnell durchschaut und führt nur auf den kurzen Weg des Ruhmes. Lang anhaltenden, immer währenden Ruhm erhält nur wer Außergewöhnliches leistet. So wie diese Leinwandgöttinnen.

Kubas Hähne krähen um Mitternacht

Kubas Hähne krähen um Mitternacht

Kein Urlaub, keine Entspannung, keine Erholung sucht Tierno Alfredo Diallovogui, als er Kuba besucht. Er ist über Paris eingereist. Doch zu Hause ist er in Guinea in Westafrika. Er sucht die Wurzeln seiner Mutter, und somit auch seine eigenen. Als er noch ganz klein war, verließ seine Mutter Guinea und ließ ihn bei seinem Vater zurück. Juliana hieß sie und hatte immer ein bestimmtes Lied auf den Lippen.

Nun steht er da: Fremdes Land, fremde Sprache, fremde Menschen und – Ignacio. So einen Typen braucht man ganz zu Beginn eines Aufenthaltes. Er ist neugierig, aber auch auskunftsfreudig. Später wird er nervig und ist irgendwie seltsam. Als Fremdenführer ist Ignacio eine Fundgrube, doch genauso tief ist auch das Misstrauen, dass Tierno dem aufdringlichen Ignacio nach und nach immer mehr entgegenbringt. Ein Schnüffler ist in der Stadt! Was will er? Wem will er an den Kragen? Dass Tierno „in friedlicher Absicht kommt“, auf den Gedanken kommt erstmal keiner. Ein Unruhestifter ist er, und wenn er es noch nicht ist, dann wird er es. Davon ist man überzeugt.

Tierno kommt seiner Mutter immer näher – sie ist tot, das weiß er. Doch ihr Weg ist sein Ziel. Sie soll, sie muss für ihn schließlich Konturen annehmen. Er kennt sie nicht, hat kaum Erinnerungen. Die Stadt ist in Aufruhr. Juliana war bekannt, fast schon berüchtigt.

In ausgedehnten Gesprächen mit denen, die Juliana kannten, mit Ignacio, mit sich selbst kommt er ihr näher. Vieles, das schon längst dem Vergessen anheimgefallen schien, tritt erneut ans Tageslicht. Seilschaften, die jeder kannte, doch niemand auszusprechen sich wagte, bahnen sich den Weg nach draußen, in die Öffentlichkeit der Stadt. Ein gefährliches Spiel, das Tierno da treibt, wenn ein Spiel wäre…

Niemand anderes als der Autor selbst ist der Protagonist des Buches. Die Gespräche sind Zeitzeugen eines Landes, das sich von Tag zu Tag verändert. Kuba, das einst abgeschottete sozialistische Vorzeige-Eiland zwischen Palmenparadiesen und knallharter Aggressionspolitik, zwischen starrer Haltung und unendlicher Lebenslust, wird zum Spielgrund für ein allzu verständliches menschliches Verlangen. Dem nach den eigenen Wurzeln.

Ohne große Vorbereitungen stürzt der Autor / Hauptakteuer den Leser ins dunkle Nichts seiner Vergangenheit. Als Leser muss man dranbleiben, sich in Geduld üben. Kapitel für Kapitel dringen immer mehr Sonnenstrahlen der Klarheit ins Dickicht des Familiendramas. Gewalt trieb Juliana einst zurück in die Heimat. Doch das rettende Ufer entpuppte sich nicht als der Sehnsuchtsort der Ruhe, der er zu sein schien, den sie zu finden hoffte. Tierno hat die Gnade der späten Geburt auf seiner Seite. Ein Vorteil?

Brunos Küchenkalender 2017

Brunos Küchenkalender

Bei Philip Marlows denkt man eine raffinierte femme fatale, ausgebuffte Betrüger und rauchende Knarren. Bei Guido Brunetti sind es die leisen Töne, die die Szenerie bestimmen. In Venedig löst man Fälle ohne viel Geballer. Und bei Bruno Courrèges im Périgord? Erfahrenen Lesern läuft schon bei der bloßen Erwähnung des Namens das Wasser im Munde zusammen. Verworrene Seilschaften, Motive, deren Ursachen oft weit zurückreichen, eine Menge Verdächtiger und … ein reichlich gedeckter Tisch. Wenn Bruno einlädt oder eingeladen wird, wird’s deliziös. Einer der Gründe warum die Krimis von Martin Walker um den rührigen Chef de police so erfolgreich sind.

Im Jahr 2017 feiert Martin Walker seinen 70. Geburtstag. Und seine Bruno-Reihe den neunten Fall. Und der Leser sitzt am Kopf der reich gedeckten Tafel und ergötzt sich kulinarisch an Truite fumée au raifort, Vichyssoise et crème d’oseille oder Cèpes & cie en persillade. Klingt erstmal verlockend und vor allem exotisch, wenn man kein Französisch spricht. Dabei handelt es sich um geräucherte Forelle mit Meerrettichsauce, eine kalte französische Kartoffel-Lauch-Cremesuppe und Sauerampfer-Cremesuppe und Steinpize & Co. mit Knoblauch und Petersilie. Raffiniert wie der Autor dem Leser – oder in diesem Fall Betrachter – das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.

Am besten serviert an einem der zwölf in diesem Kalender abgebildeten Orte, die allesamt Handlungsorte der Krimis waren bzw. sind. Excellent!

Jedes Gericht (wie passend, schließlich droht den meisten Tätern dasselbe Schicksal) wird eingehend beschrieben, so dass die eventuell fehlende Location fast schon vergessen werden kann. Und für die Trüffelschweine unter den Lesern gibt’s auch das Motiv für dieses Rezept: Den entsprechenden Auszug aus dem Roman, in dem es schon literarisch für Furore sorgte. Bruno höchstpersönlich gibt Ratschläge wie man das ohnehin Zunge schnalzende Mahl noch verfeinern kann.

Mit knurrendem Magen kann man keinen Tag und auch kein Buch genießen. So ist es nur logisch, dass der gemütliche Ermittler einen genießerischen Kalender seiner treuen Leserschaft als kulinarische Schnitzeljagd zum Geschenk macht. Voller Spannung kann man es kaum erwarten den nächsten Monat beginnen zu können, um ein neues Rezept auszuprobieren. So viel Geduld muss man schon aufbringen, Bruno tut es schließlich auch, immer wieder. Und immer wieder mit Erfolg! Dann wird man mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen und lukullischen Extravagenzen belohnt. Wie zum Beispiel mit Lammstelzen mit Knoblauch und Monbazillac-Wein, was im Original noch viel verführerischer klingt: Manchons d’agneau à l’ail et au Monbazillac.

Schottland

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Mythen, Whisky (ohne „e“ vorm „y“!), Golf. This is Scotland! Wenn’s so wäre, wäre dieses Buch nicht in der zehnten Auflage erschienen und nur ein ödes Blatt Papier. Mit ein paar Bildchen, Platz wäre ja noch genug. Wer sich die Zahlen anschaut, erkennt sofort, dass alle, die schon mal in London waren (oder es, aus welchem Grund auch immer, umgehen wollen) und die Insel lieben, als nächstes Ziel Schottland angeben. Und doch ist Schottland nicht überlaufen. Außer in der Saison die eine oder andere Stadt vielleicht.

Auch wäre es falsch zu behaupten, dass Glasgow und Edinburgh (wobei das „burgh“ nicht wie in Burger mit einem „ö“ ausgesprochen wird, sondern eher einem „boro“ wie in der Zigarettenmarke) die eigentlichen Höhepunkte der Schottlandreise sein werden. Klar, Edinburgh Castle ist sehenswert. Aber andere Mütter haben auch hübsche Töchter.

Für Royalisten ist Schloss Balmoral eine Stippvisite wert. Hier verbringt die Queen ihre Sommerferien. Und gleich in der Nähe gibt es das, was auf alle Fälle, aber nicht sofort mit einem Schottlandurlaub in Verbindung bringt. Wer am ersten Septembersamstag das Örtchen Braemar besucht, wird es nie wieder so stimmungs- und voll erleben. Denn dann finden hier das Braemar Royal Highland Gathering statt. Highland Games. Mit allem, was dazu gehört, zusätzlich dem, was bei allen anderen Nachahmer-Veranstaltungen fehlt. Zum Beispiel spielen Dudelsack-Kapellen … um die Wette, um die Ehre und um einen begehrten Preis.

Gut betuchte Besucher – und das Wort „betucht“ muss dieses Mal wortwörtlich genommen werden – suchen die natürliche Ruhe der Highlands und der Lowlands. Schottland bietet Wanderern, Klettermaxen und Naturliebhabern ein wahres Füllhorn an Betätigungsmöglichkeiten. Munros nennt man die knapp eintausend Meter hohen Berge. Fast dreihundert sind es und mittlerweile ist es zu einer Art Sport geworden sie alle zu besteigen. Rekorde in Schnelligkeit und Anzahl und Wiederholung sind die Antriebsfeder.

Nur diese paar kleinen Auszüge beweisen, dass Schottland eben mehr als nur der ewige Kampf von Celtic gegen die Rangers im Fußball ist, übrigens sind ab der Saison 2016/17 wieder traditionelle Old Firm Derbies an der Tagesordnung. Die zehnte Auflage des Reisebandes für Individualisten ist das Verbindungsglied zwischen Wunsch und Realität. Der Stadtplan Edinburghs auf der letzten Umschlagseite, die herausnehmbare Karte (alle Karten sind außerdem online abrufbar), die farbigen Seiten mit praktischen Reiseratschlägen, Verhaltenshinweisen, die immer wieder eingestreuten Einkehr- und Unterkunftstipps. Der Reiseband geizt nicht mit handfesten Tatsachen, die es jedem Urlauber, Wanderer, Reisenden, Besucher leichtmachen sich in rauen Schottland heimisch zu fühlen und möglichen Touri-Fallen aus dem Weg zu gehen. Auch wenn die Frage, was der Schotte unterm Kilt nicht endgültig gelöst wird (niemand kann das!), so weiß man doch, was der Schottlandbesucher im Gepäck hat: Diesen Reiseband!

Nataschas Winter

Nataschas Winter

Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion ist Russland immer noch das flächenmäßig größte Land der Erde. Unmöglich es in seiner ganzen Vielfalt in einem Urlaub kennenzulernen. Susanne Scholl war jahrelang ORF-Korrespondentin in Moskau, leitete dort das Studio. Mit ihren Kindern, Kartenleserin und Adlerauge, wie sie sie liebevoll und allessagend nennt, hat sie zahlreiche Ausflüge durch das Riesenreich unternommen. Sie kennt sich also aus, zumindest mehr als die meisten zwei Wochen Wolga-Sankt-Petersburg-Moskau-Besucher.

„Nataschas Winter“ ist das Ergebnis dieser Reisen. Dieses Buch als Reiseband zu bezeichnen, wäre nicht richtig. Es ist eine Tauchfahrt in die Seele des Großen Bruders von einst, der sich in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten so stark verändert hat, wie es sich die revolutionären Köpfe nie zu erahnen wagten.

Die architektonischen Leuchttürme der Städte dienen Susanne Scholl als Wegweiser, doch niemals an Zielpunkte, die „man gesehen haben muss“. Klar, sie lebte schließlich mehrere Jahre in Russland, sah Kreml, Basilius-Kathedrale und Tretjakow-Galerie wann immer sie wollte. Sie fühlte sich daheim in der Fremde, baute Freundschaften auf, auch wenn es zeitweise schwierig war.

Als Tourist haben Begegnungen, wie sei die Autorin hatte, Seltenheitswert. Niemand lädt einfach mal so einen Besucher auf seine Datscha ein. Susanne Scholl war neugierig, auch darauf wie Natascha, die Dame, die dem Buch ihren Namen gibt, ihre Wochenenden – auf typisch russische Weise – verbringt. Nun muss jeder Leser selbst mit seinen Vorurteilen ins Reine kommen, wenn er liest, wie die Verhältnisse an einem typischen Wochenende auf Nataschas Datscha sind. Voll ist es in der engen Hütte vor den Toren der Millionenmetropole Moskau. Und melancholisch. Aber auch heimelig.

Pawel ist der komplette Gegenentwurf. Er ist Autonarr. Aber auch darauf bedacht, seine Schätzchen zu pflegen bzw. sie vor Schaden zu bewahren. Als Taxifahrer, der die Korrespondentin vom Flughafen abholen soll, eine echte Nummer. Eine Lotterienummer. Kommt er oder kommt er nicht? Steht der Wagen vor dem Ausgang parat oder muss man erst endlos durch die Ödnis des Flughafens stapfen, um endlich die schweren Koffer ins Auto zu laden? Und wem gehört eigentlich die Karre?

Ohne Vorurteile beschreibt Susanne Scholl ihren Alltag im russischen Auf und Ab, im Wechselspiel der Jahreszeiten. Oft mit dabei: Ihre Kinder. Die hatten – mittlerweile ist Susanne Scholl nicht mehr im Studio Moskau tätig – die einzigartige Möglichkeit in jungen Jahren hautnah eine fremde und doch so nahe Kultur aus der ersten Reihe kennenzulernen. Sie konnten wann immer sie wollten ihren behüteten Kokon verlassen, um die das so genannte wahre Leben auf Moskaus Straßen kennenzulernen. Als Leser darf man nun ein wenig davon profitieren, dass Susanne Scholl ihre Erlebnisse in diesem einem breiten Publikum zugängig macht.

Mailand – Eine literarische Einladung

Mailand - Eine literarische Einladung

Eine Stadt in Worte fassen? Wie soll das gehen? Noch dazu eine Metropole, die einzige Metropole Italiens, wie Herausgeber Henning Klüver meint. Schwierig, schwierig. Sollte man meinen! Denn oft beliebt es doch bei einem „wunderbar, schön, beeindruckend“. Beim Wagenbach-Verlag schlägt man da einfach einen Salto (so nennt sich die Buchreihe mit Büchern, die diesem Vorurteil beeindruckend – da ist es wieder! – entgegenstellen) und beweist auf 144 Seiten das Gegenteil. Knallrot, nicht vor Scham, sondern aus Gründen der Aufmerksamkeit, marktschreien die Autoren der Stadt dem Leser ihre Sichtweise auf ihr Milano um die Augen. Ein Fest für die Phantasie, eine Lehrstunde für Besucher, der Beweis, dass man Städte sehr wohl in lose Korsett der Wörter fassen kann.

Wurde in der Geschichte noch blumig von Mailand geredet, so sind es Dichter wie Dario Fo, immerhin Literatur-Nobelpreisträger, die mit Anekdoten ihrer Stadt ein Denkmal setzen. Er war Teil einer Gruppe, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Stadt narrten, in dem sie das Gerücht in die Welt setzten Picasso würde nach Mailand kommen. Doch der kam nicht, hatte das auch gar nicht vor. Kurzerhand wurde ein Double engagiert. Helle Aufregung allenthalben. Selbst die Polizei, die die Menschenansammlung auflösen will, gerät in Verzückung als sie vom bevorstehenden Ereignis hört…

Natürlich ist Mailand eine Stadt, die man gesehen haben muss. Auch, weil sie eine Stadt für Flaneure ist. Der, der das behauptet ist Maurizio Cucchi, Mailänder Autor. Er meint, dass sich die Stadt niemandem aufdrängt. Und doch immer präsent ist. Wem sie nicht gefällt, kann das ja gern so halten. Kritik wird hier eh mit einem Schulterzucken hingenommen. Mehr Reaktion sollte man nicht erwarten.

Die in diesem Buch versammelten Autoren vermeiden es wohlwollend die Hotspots der Stadt in den Himmel zu loben. Kommen auch sie nicht ohne Dom und Scala aus, so doch eher im Unterbewusstsein. Das macht wahrscheinlich auch den Charme der Stadt aus: Sie gräbt sich ohne Wunden zu hinterlassen ins Gedächtnis ein. Wie ein Roman, der unauffällig Seite für Seite verschlungen wird, und am Ende wundert man sich, dass man ihn schon ausgelesen hat. Die „Literarische Einladung Mailand“ sollte man nicht ausschlagen. Denn sie ist eine Einladung zum Bummeln, Lernen, Staunen, eine Reisevorbereitung auf höchstem Niveau, Sehnsuchtsauslöser, Träumerei, unterhaltsamer Wegbereiter und –begleiter und ein Erreger persönlichen Jagdtriebes.

Wolf und Leonard Erlbruchs Kinderzimmerkalender 2017

Wolf Erlbruchs Kinderzimmerkalender 2017

Alt und Jung, erfahren und neugierig, gelassen und ungestüm – oder einfach Vater und Sohn. Die Reibungspunkte sind genetisch vorgegeben, genauso wie die Beäugung von Anfang an. Das ungleiche und doch so ähnliche Paar zu beobachten, ist immer ein Blickfang. So auch bei Wolf und Leonard Erlbruch. Staffelübergabe inklusive. Denn passend zum Thema wird nun der Filius Kalender beim Peter-Hammer-Verlag gestalten. 2017 ist das Übergangsjahr, in dem beide zusammen ihr Können unter Beweis stellen.

Zwölf Mal darf nun der Betrachter vor den großformatigen Bildern verweilen und kommt schnell ins Nachdenken, nicht Grübeln. Der fürsorgliche Vater, der sich um ein warmes Umfeld für seinen Stammhalter sorgt und auch schon mal vermeintliche Mutteraufgaben übernimmt. Als Dank gibt es dann auch mal Ablehnung – so viel zu den Reibungspunkten. Nachahmer in Kinderschuhen, ein Bild, das man so oder ähnlich schon öfters gesehen hat.

Es ist ein Jahresfest sich diesen Kalender nicht nur als Dekoration ins Zimmer zu hängen. Unweigerlich spinnt man sich seine eigenen Geschichten zusammen. Ein planschender Bärenjunge, Papa Bär hängt am Sprungbrett. Hat der „Alte“ etwa Angst? Dem Jungen freut’s! Und wer‘s nicht gesehen hat, wird’s nicht glauben: Auch Gänse spielen Indianer, so richtig mit Pfeil und Bogen.

Noch nie waren vermenschlichte Tiere so authentisch und ohne Kitsch die bestimmenden Wandelemente. Fernab jedweder Klischees beweist das Vater-Sohn-Gespann Erlbruch, was jahrelanges Zusammenleben und Arbeiten hervorbringen kann. Farbenfroh, ironisch, naiv, lebensfroh, dramatisch – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Vater und Sohn – ein Hingucker für jeden Tag!

Aufblasbarer Globus

Aufblasbarer Globus

Für viele Urlauber ist dies ein Ideal an Erholung: Am Strand liegen, faulenzen, ein bisschen Bewegung (aber wirklich nur ein bisschen), und abends einen Film genießen. Einen echten Klassiker mit bekannten Schauspielern. Beides zusammen wäre die Kirsche auf dem Sahneeisbecher. Allmachtphantasien kommen am Strand wohl eher nicht auf, wenn man mit dem aufblasbaren Globus im weichen Sand herumtollt. Schließlich spielt man nicht mit der Welt, sondern einem 45 cm großen Modell selbiger. Und hier kommt der Film ins Spiel. Erinnern Sie sich? „Der große Diktator“. Charlie Chaplin als Adenoid Hynkel, der – von sich selbst verzückt – mit einem Spielball der Welt elegant, verspielt, artistisch von der Weltherrschaft träumt. Jedem, der den Film kennt, kommen die Bilder sofort in den Sinn.

Der aufblasbare Globus ist aber mehr. Er ist das Strandspielzeug, das Generationen verbindet. Kinder werden den Ball lieben, klar, daran führt kein Weg vorbei. Größere (Kinder?!) schauen erstmal nach, so sie schon überall waren. „Weiß Du noch, damals…, als wir … unvergesslich … ach war das schön!“. Leider kann man die bereisten Länder nicht mit einer Nadel markieren. Denn dann ist die Luft raus und die Urlaubsstimmung flöten.

Die Welt bereisen, die Welt unterm Arm haben, mit und in der Welt Spaß haben – so fasst man dieses Spielzeug zusammen. Viel Spaß beim Welt erobern!