Archiv für den Monat: März 2015

Begräbnisse zum Totlachen

Begräbnisse zum Totlachen

Papa Shango lacht furchteinflößend in die erschrockenen Gesichter. Gevatter Tod schwenkt vergnügt seine Sense. Eine Brass-Band spielt fröhlich in den Straßen New Orleans‘ zum letzten Geleit. Der Tod kann auch fröhlich sein. Doch niemals so fröhlich wie in diesem Buch.

Kathy Benjamin hat Geschichten gesammelt, die einem die (Freuden-) Tränen in die Augen treiben.

Viele Rituale rund um die Toten haben sich bei den (noch) Lebenden eingeprägt. Die Ursprünge sind selten nachvollziehbar bzw. werden nicht hinterfragt. Zum Beispiel warum Tote mit dem Kopf nach Westen begrabe werden. Oder warum Tote mit den Füßen voraus getragen werden (damit man sie nicht am Kopf stößt?, mutmaßt die Autorin lakonisch).

Die Geschichten und Histörchen werden allesamt nicht so todernst genommen. Es ist ein heiteres Buch, das mit Bonmots von (teils bereits verstorbenen Komikern und Schriftstellern) gewürzt wird. Die kurzen Kapitel erlauben es, dass das Buch in vielen kleinen Abschnitten gelesen werden kann, was es zu einem dauerhaften Lesebuch macht.

Der Tod ist erstinstanzlich eine traurige Sache. Der Tote kommt nicht wieder zurück. Er wird nie wieder jemanden auf den Schoß nehmen, singen, lachen oder die Welt erklären. Man kann dem Tod auf verschiedene Art und Weise begegnen: Heulend, fluchend, verzweifelt. Aber auch mit einem Lächeln im Gesicht. Der Fratze die Stirn bieten. Die schöne Tradition des Leichenschmauses gehört zu Letzterem. Anregungen wie man ein letztes Mal des Verstorbenen gedenkt, bietet dieses Buch allemal.

Fest steht: Die letzte Reise, die man unternimmt, wird nicht mit dem Kapitel „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Und damit die Hinterbliebenen doch was erfahren, hat Kathy Benjamin mit diesem Buch schon mal vorgesorgt. Ein kurzweiliger Trip ins Reich der Toten.

Fabelhaft französisch

Fabelhaft Französisch

Schaufensterbummel. In Lille die köstlichen kleinen Dessert-Törtchen mit Früchten, die so überschwänglich die Auslagen zieren. In Lyon die Gaumenfreuden verheißenden Aushänge der Gourmet-Tempel. Einfache und schmackhafte Galette in Rennes. Wer Frankreich besucht, kommt an den lukullischen Kostbarkeiten nicht vorbei. Frankreich und Haute cuisine sind für viele Reisende ein und dasselbe. Aber wer kann schon jeden Tag die verzückendsten Speisen zu sich nehmen? Oder gar ganze Menüs?

Apropos Menüs. Food-Fotografin Kathrin Koschitzki hat Küchenchefin Cathleen Clarity über die Schulter und in die Töpfe geschaut. Ein Dutzend Menüs haben die beiden kreiert und in Szene gesetzt. Beim ersten Durchblättern weiß man gar nicht warum einem das Wasser so fontänenartig im Munde zusammenläuft. Sind es die Bilder oder die „Objekte“.

Nun fällt es nicht schwer zwölf Menüs zusammenzustellen. Aber sie unter einem Thema zusammenzufassen, so dass jeder Gast meint zu wissen, was auf ihn zukommt, um dann doch überrascht zu werden, bedarf schon einiger Kreativität. Und spürt man mit jeder Seite. Es sind nicht einfach “nur“ Geburtstagsmenüs, die den Leser überzeugen, es sind vom „Frühlingslunch mit der Familie“ über Lunch für Teenager“ und „Dinner am Samstagabend – Erntedank“ bis hin zu „Fleisch wie im Sternerestaurant“, die die Augen satt werden lassen. Und erst das Nachkochen! Nur ein Beispiel: Im „Lunch für Teenager“ – der wohl am schwierigsten zufrieden zu stellenden Gästegruppe gibt es Hähnchenköfte mit hausemachter Sauce Tatar in warmem Pitabrot, danach Süßkartoffelspalten mit Krukuma, Caesar Salad mit krossen Knoblauchcroûtons, Bio-Karottensalat mit gerösteten Haselnüssen, Orangen und haselnussvinaigrette. Zum Dessert Mango-Litschi-Smoothie und Jumbo Chocolate Cookies. Klingt doch besser als Hähnchen-Döner mit Pommes, Grünzeug und Nüssen mit Saft und Kuchen zum Nachtisch, oder?! Jedes einzelne Rezept wird haargenau (das einzige Haar) beschrieben, so dass auch Anfänger kein Problem haben ihre Liebsten köstlich zu verwöhnen. Die zweihundert Abbildungen zeigen wie es auszusehen hat. Doch selbst, wenn die Bilder im Buch mal besser aussehen sollten als die Ergebnisse aus Topf, Pfanne und Backofen: Wichtig ist doch, dass die Rezepte gelingen. Mit den Anleitungen aus diesem Buch – kein Problem. Bon appetit!

Die Farben der Hoffnung

Die Farben der Hoffnung

Grün ist die Farbe der Hoffnung, sagt man. Anands Firmenfarben sind orange und blau, weil seine Schwiegermutter es so wollte. Sie erinnerten sie an Paradiesblumen. Anand besitzt im indischen Bangalore eine Fabrik für Autoteile. Die Geschäfte laufen prächtig. Er muss sich vergrößern, um mit den Aufträgen hinterherzukommen. Doch das ist gar nicht so einfach. In einer Stadt, die stetig wächst und in der Grundfläche Mangelware ist.

Auch Kamala hat mit Mangel zu kämpfen. Der Mangel an Farben ist dabei ihr geringstes Problem. Als Hausangestellte von Anand geht es ihr verhältnismäßig gut. Ein regelmäßiges Einkommen sichert ihr und ihrer Familie stets einen gedeckten Tisch. Doch ihr Sohn Narayan bereitet ihr Sorgen. Er will die Schule nicht abschließen. Zeitungen verkaufen, das will er. Das Geld kann die Familie gut gebrauchen. Auch dass er sich in eine Sache mal so richtig reinhängt, gefällt Kamala. Doch zuerst muss er die Schule abschließen. Da gibt es keine zwei Meinungen!

Anand und Kamala leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Finanziell geht es Anand gut, seine Frau mit ihrer herrischen Art bereitet ihm graue Haare. Kamala geht es finanziell nicht gut, Ihr Sohn und ihre Kolleginnen und ihre Herrin – Anands Frau Vidya– machen ihr Sorgen.

Lavanya Sankaran lässt die eingefahrenen Welten der beiden bröckeln. Alles, was bisher galt, ist ab sofort ungültig. Narayans Umgang gibt Kamala zu Denken. Zweifel überkommen Anand wegen seiner Ehe. Und auch geschäftlich wird es eng.

Korruption, Standesdenken, Egoismus sind die Zutaten für diesen spannenden Roman, der den Leser ins heutige Indien führt. Fernab der seidenen Sari-Romantik erzählt Lavanya Sankaran von den Sorgen der kleinen Leute, die in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Arbeitsgebern stehen. Die wiederum kämpfen mit oder gegen die Korruption der Parteien und ihrer Funktionäre. Wenn Anand eine neue Fabrikhalle bauen will, so tut er dies, weil er sich vergrößern muss. Einstige Freunde ziehen ihn und sein Geschäft in einen Strudel hinein, aus dem er sich nur schwer befreien kann. Die Geltungssucht seiner Gattin steht ihm dabei im Weg. Als moderner Geschäftsmann ist er zu vertrauensselig. Dem Ehrgeiz der Handelnden und der Besinnung auf das Wesentliche verdankt der Roman seine besondere Würze, die dem Leser ein Indien zeigt, das sonst verborgen bleiben würde. Manchmal muss man die Farben mischen, um das erwünschte Ergebnis zu bekommen.

Im Tunnel

Im Tunnel

Da sitzt er nun: Paul Zakowski. Wieder mal Entlassungstag. Er ist zu abgebrüht, um zu behaupten, dass es das letzte Mal sei. Entscheidend ist für ihn nur, dass er raus kommt. Raus ans Licht, in die Freiheit. Während er wartet – die Bürokratie fordert zäh ihren Tribut – erinnert er sich an das, was war, wie er wurde was er ist. Kriegskind, zu früh, zu schnell zum Mann geworden. Mit Raubzügen – mehr oder weniger abgesegnet vom Kölner Bischof Frings, weshalb man das Klauen in dieser Zeit auch „fringsen“ nannte – hielt er sich über Wasser.

Eine Kriminellenkarriere wie sie im Buche steht. Paul kann die Finger nicht vom süßen Leben lassen. Einbrüche bestimmen sein Leben. Und der Knast. Als Jugendlicher mit der ihm eigenen Gelassenheit nimmt Paul auch diese Zeit hin. Kaum sechzehn Jahre alt, wandert er zum ersten Mal ein. Da Fluchtgefahr besteht, wird er besonders unter die Lupe genommen. Fluchtgefahr deswegen, weil er sich nach Frankreich „absetzen“ wollte. Eigentlich wollte er „nur Brigitte Bardot kennenlernen“…

Die Anekdoten aus dem Knast sind eine Freude für die Augen. Mit Hingabe malt Peter Zingler ein reales Bild der Zeit nach dem Krieg. Fast schon romantisierend. Fast. Denn Paul Zakowski ist Peter Zingler. Er weiß, was es heißt im Knast zu sitzen. Er kennt die Kriminellen und ihre Art den Alltag zu bewältigen.

Immer wieder stürzt sich Paul / Peter mit Elan ins kriminelle Getümmel. Die Erträge variieren. Mal sind die Brüche einfach, mal entkommen er und seine Leute der Polizei, mal nicht. Und Paul / Peter arbeitet international. In der Schweiz ist der Knast am einfachsten. Wenn der Fußball mal über die Mauer fliegt, schließt der Wärter auf damit ein Gefangener den Ball wiederholen kann. Lakonisch schreibt Zingler, dass sie den auch wiedergebracht haben.

Bei aller Knastromanze sehnt sich Paul / Peter doch nach einem geregelten Leben. Finanzielle Sicherheit steht an erster Stelle. Doch wie soll das gehen? Ohne Ausbildung.

Peter Zingler weiß, wie man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf herausziehen kann. Denn Peter Zingler ist mittlerweile in zweiter Instanz Drehbuchautor und Regisseur, preisgekrönt. Die kriminelle Vergangenheit ist nichts weniger als das. Die Erfahrungen seines ersten Lebens machen seine Drehbücher so authentisch. Erste Erfahrungen als Schriftsteller sammelte er als Schreiber von Kurzgeschichten, die unter anderem im Playboy veröffentlicht wurden. 1985 war Schluss mit lustig, der Ernst des Lebens begann. Als Journalist und Drehbuchautor übertrug er teils seine Erfahrungen ins seriöse Fach. Er schrieb Drehbücher für „Tatort“, „Schimanski“ und „Ein Fall für Zwei“. 1995 heimste er ganz legal den Grimme-Preis für sein Tatort-Drehbuch „Kinderspiel“ ein.

„Im Tunnel“ ist mehr als eine Abrechnung mit dem Leben vor dem Leben. Es ist ein ergreifender Befreiungsschlag, der bald eine Fortsetzung erfährt…

Hôtel du Nord

Hotel du Nord

Das Hôtel du Nord gab es wirklich. In Paris. Am Quai de Jemmapes. X. Arrondissement. Am Canal Saint-Martin. Gar nicht so weit vom Friedhof Père-Lachaise entfernt, auf dem so viele Berühmtheiten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Promis verirrten sich nur selten ins Hôtel du Nord in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Emile und Louise Lecouvreur das Wohnhotel übernehmen.

Renée ist die erste Angestellte der Lecouvreurs. Eigentlich wohnt sie hier, zusammen mit Pierre. Das naive Landei und der zupackende Arbeiter. Als die Liebe verfolgen ist, drängt er sie zur Arbeitssuche. Louise gibt ihr ihren ersten Job. Hilfe haben die neuen Pächter dringend nötig, denn das Hotel ist in einem nicht gerade gastfreundlichen Zustand. Die Vorgänger hatten mehr Spaß daran mit der Nachbarschaft zu feiern als das Haus auf Vordermann zu bringen.

Das Geschäft läuft gut, Renovierungen können ins Auge gefasst werden. Die Kundschaft aus Müllleuten, Gepäckträgern und Arbeiterinnen der Lederfabrik ist nicht vermögend, doch trinkfest. Ein bisschen grob, zu grob für Emile. Aber der Kunde ist König. Selbst, wenn die betrunkene Gästeschar zu unchristlichen Zeiten Einlass begehrt, murrt Emile nur leise vor sich hin. Nur gelegentlich bekommt ein Säufer seinen Unmut zu spüren.

Die Tage, Monate und Jahre gehen dahin. Gäste kommen, Gäste gehen. Mal sind sie ideale Gäste, ruhig, zuvorkommend, zurückhaltend. Mal sind sie Aufrührer, Stänkerer und Prostituierte. Die Lecouvreurs bereuen ihre mutige Entscheidung das Hôtel du Nord gepachtet zu haben nicht.

Die Geschichten der Bewohner des Hotels sind mitten aus dem Leben gegriffen. Es sind keine Schicksale, die die Seiten der Regenbogenpresse füllen, dennoch sind sie nicht alltäglich. Die Besonderheit liegt in der Tatsache, dass sie jedem hätten passieren können, aber nur im Hôtel du Nord erstrahlen sie in einem besonderen Glanz.

Der Autor Eugène Dabit kennt das Hotel genau. 1923 haben es seine Eltern übernommen. Ab und zu arbeitete er dort. Als Nachtwächter hatte er viel Zeit die Menschen im Hotel zu beobachten. 1929 erschien „Hôtel du Nord“ zum ersten Mal und wurde auf Anhieb ein Erfolg (wie der Film neun Jahre später). Nun ist es in der Neuübersetzung von Julia Schoch noch einmal veröffentlicht worden, und es hat nichts von seiner Strahlkraft verloren.

Das Hôtel du Nord ist heute noch an gleicher Stelle, allerdings als Cafè und Restaurant.

Ins Bockshorn gejagt

Ins Bockshorn gejagt

Nun brat mir aber einer ‘nen Storch! DA war aber wieder einer fleißig wie die Bienen und hat nicht die Mücke, sondern sich die Mühe gemacht Sprichworten und Redewendungen auf den Grund zu gehen. Auf einhundertsechzig Seiten wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss Flora und Fauna auf unser Zusammenleben sprachlich haben. Es ist erstaunlich, wenn man die Fülle und Güte der Zitate betrachtet.

Im alltäglichen Umgang mit Familie, Freunden und Kollegen ist uns dieser Umfang kaum bewusst. Das laust einen der Affe, wenn man so manchen Schussel sieht, wenn er sich wie der Elefant im Porzellanladen benimmt. Belustigt verziehen wir die Mundwinkel, wenn ein Satz ins Schwarze trifft. Über dessen Ursprung machen wir uns natürlich keine Gedanken. Hauptsache wir verwenden den Satz richtig!

Bruno P. Kremer und Klaus Richarz geben in diesem amüsanten wie lehrreichen Büchlein Hilfestellung. Denn wer weiß schon woher der Satz stammt „Über den grünen Klee loben“? Da haben wir den Salat. Alle benutzen die Redewendung – richtig oder falsch – aber wo der Satz seinen Ursprung hat, weiß wieder mal keiner.

In Zeiten, in denen die Medien eine derart vorherrschende Rolle spielen, ist es wichtig sich auf die Wurzeln besinnen zu können. Das gilt nicht nur für den Satzbau, sondern auch für die zahlreichen Feinheiten, die Sprachen voneinander unterscheiden. Denn Redewendungen sind das unique Kulturgut eines Volkes. Kein Übersetzungsprogramm der Welt kann dem gerecht werden. Da haben wir Leser Schwein gehabt, dass es dieses Buch gibt, wir nicht länger als dumm Hühner gelten und unsere Schäfchen ins Trocken bringen können.

Die Welt des Sherlock Holmes

Die Welt des Sherlock Holmes

Baskerville, Dartmore, Baker street, Moriarty – jeder kennt diese Namen. Sie sind die Topographie des Bösen. Aber auch des genialen Reiseleiters durch die Untiefen der menschlichen Psyche. Schottland, Kricket und die Eltern sind die Ausgangsorte.

Schon auf den ersten Seiten lüftet Maria Fleischhack – Mitglied des Podcasts „The Baker Street Babes“ – so manches Rätsel. Zum Beispiel wie Arthur Conan Doyle auf die Namen der handelnden Personen kam. Bereits die kurze Biographie über den Autor des berühmtesten Detektives weltweit lässt die Spannung ansteigen.

Sherlock Holmes wurde in sechzig Geschichten verewigt. Er kann durchaus als Vater der Kriminalistik angesehen werden. Denn seine Art ein Verbrechen zu lösen, wird heute noch praktiziert. Nicht nur fiktional, sondern real. Finger- und Fußabdrücke zu nehmen, ballistische Untersuchungen, graphologische Expertisen – dass alles kennen die Kommissare der Gegenwart. Einige Verfahren, wie der Blutnachweis in verdünnter Form, wurden von Arthur Conan Doyle in der Welt der Wissenschaft recherchiert und durch seinen Ziehsohn Sherlock Holmes einem breiten Publikum zugängig gemacht.

Doch Holmes allein wäre kaum in der Lage all die kniffligen Fälle zu lösen. Arthur Conan Doyle gibt dem analytischen Geist den weltgewandten Watson an die Hand. Auch die Vermieterin Mrs. Hudson trägt unbewusst als Ruhepol in der Rückzugshöhle Baker street 221b zum Erfolg der Missionen bei.

Und was wäre Holmes ohne die Schurken? Sein literarischer Ruhm würde sich stark in Grenzen halten. Die einzelnen Charaktere werden von Maria Fleischhack genau unter die Lupe genommen (Sherlock Holmes ist der erste Detektiv mit diesem Werkzeug). Ihre Biographien und die der „Helfer“ lassen so manchen Sherlock-Holmes-Lesefan die Augen öffnen. Denn Arthur Conan Doyle verwendete zwar nicht immer viel Akkuratesse bei der Ausschmückung der „Nebenrollen“, doch gab er hier und da Hinweise auf deren Herkunft.

Wer Sherlock Holmes nur als den markanten Basil Rathbone oder den smarten Benedict Cumberbatch kennt, wird in den Romanvorlagen einen ganz anderen Ermittler erkennen. Wer sich an die Fersen von Maria Fleischhack heftet, wird die ganze Welt des Sherlock Holmes erkennen. Viele Romane muss man noch einmal lesen, die Filme noch einmal schauen, da so Vieles bisher unentdeckt blieb. Keine schlechte Ausbeute für die Detektive unter den Leseratten.

A weekend in London

A weekend in London

 

Nun mach schon, zieh endlich! Ich will noch was anderes erleben! So ist London. Beziehungsweise so ungeduldig ist mancher Mitspieler von „A weekend in London“. Denn das Spiel ist ungemein spannend. Exciting! Spielend eine Stadt erobern.

„A weekend in London“ ist für zwei bis fünf Spieler, die entweder mit dem Taxi, der Tube oder dem Bus sich durch London bewegen. Per pedes ist es auch möglich, aber man kommt nicht so schnell ans Ziel. Zuerst wird festgelegt wie / wo man in London ankommt. Danach wird die zurückzulegende Route bestimmt. Man darf sich immer nur waagerecht oder senkrecht auf dem Spiel- bzw. Stadtplan fortbewegen. Unterwegs streift man die Sehenswürdigkeiten der Stadt und muss Fragen beantworten. Mensch-ärgere-Dich-nicht trifft Trivial Pursuit. Alle Fragen sind auf Spielkarten in English verfasst. Die Fortbewegungsart wird mit einem Würfel bestimmt.

Ziel ist es die eigenen Bildkarten loszuwerden und neue Bildkarten zu sammeln. Und als Erster wieder am Ausgangsort zu sein. Wie im richtigen (Urlauber-)Leben: So viel wie möglich erleben, um die Anderen neidisch zu machen. Wer London besucht hat, kennt die Anziehungskraft der Themse-Metropole. Mit diesem Spiel wird der eigene Urlaub noch einmal spielerisch nacherlebt.

Englisch ist nicht easy

Englisch ist nicht easy

Die Queen grüßt selbstbewusst vom Cover und meint, dass man im Gegensatz zu ihr kein Englisch spreche. Das kann man nicht auf sich sitzen lassen. Wir alle hatten irgendwann über einen kurzen oder längeren Zeitraum Englischunterricht. Der war von öde bis hochgradig spannend. Im Osten Deutschlands bis vor einem Vierteljahrhundert auch ziemlich bizarr (Jenny and Dave are visiting the Palace of the republic. „What a beautiful town“).

Nun ist es so, dass man durch Anglizismen ein ungefähres Bild der Sprache Englisch hat. Manch einer ist beruflich gezwungen sich mit dem Englischen auseinanderzusetzen. Doch der deutsche Zungenschlag (oh baby, it’s not a tongue beat) lässt sich meist nie verleugnen. Was noch auffälliger ist, sind die eingedeutschten Begriffe, die eindeutig keine Anglizismen sind („Wir müssen das unbedingt implementen.“). EU-Kommissar Günther Oettinger ist seit seinen Eskapaden ein echter YouTube-Star – kaum einer würde ihn wohl als Stern bezeichnen, geschweige denn ihm einen verleihen.

Auswüchse, die Englisch sprechenden die Tränen in die Augen treiben. Tränen der Rührung, Schamesröte inbegriffen. Wie bemerkte schon Otto Waalkes in den Siebzigern? „In England gibt es sehr viel Umgangssprache.“

Diese gilt es zumindest ansatzweise zu beherrschen, wenn man das Vereinigte Königreich besucht. Viele Lernmaterialien sind nüchtern aufgebaut. Schließlich gilt es eine Sprache zu lernen, die man nicht mit der Muttermilch aufgesogen hat. Da sind Grundlagen wichtig, um nicht zu sagen die Basis – the basis is the basis. Mit Hilfe von eindeutigen Skizzen, Bildern, Grafiken werden so einfache Begriffe wie beispielsweise das menschliche Gesicht angliziert. Das leidige Thema Zeitformen, was schon in der eigenen Sprache für viele ein enormes Problem darstellt, wird in schwarz, weiß und rot anschaulich nahegebracht.

Auf über dreihundert Seiten vergisst man schnell, dass man auf der Schulbank hockt und eine Fremdsprache lernt. Mit Witz und Charme wird dem Leser die Angst vor der Fremde und der fremden Sprache genommen. Was für Viele immer noch ein Grund ist die eigene Heimat im Urlaub zu erkunden, statt raus in die Welt zu gehen und andere Kulturen hautnah (skinclose is that wrong) zu erleben. Wer in London, England, der Englisch sprechenden Welt zurechtkommen möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

Wie man Baske wird

Wie man Baske wird

Ein herrlich provokanter Titel: Wie man Baske wird. Eine Anleitung die eigene Identität zu verleugnen und eine andere anzunehmen? Nein! Eher der Versuch Nicht-Basken darzustellen, dass das Baskenland und ihre Bewohner – die Basken – keineswegs nationalistische Fanatiker sind, die mit Bomben ihrer nationalen Identität Nachdruck zu verleihen. Was weiß man schon über die Basken? Bei der Tour de France gibt es ein Team namens Euskadi, der Fußballverein Athletic Bilbao beschäftigt ausschließlich Basken (was mehr ein Mythos ist als der Wahrheit entspricht, wenn man das „ausschließlich“ betrachtet), die Baskenmütze wird eher Franzosen zugeschrieben und wer aus Spanien kommt und ein X oder TZ im Namen hat, ist Baske. Hallo Vorurteil!

Ibon Zubiaur ist Baske, und er hat weder ein X noch ein TZ im Namen. Der Autor wurde 1971 in Getxo (mit X) in der spanischen (baskischen?) Provinz Biskaia geboren. Als er eingeschult wurde, begann auch das Programm die baskische Sprache als Unterrichtssprache einzuführen. Das Problem bestand und besteht immer noch darin, dass die Kinder in der Schule baskisch lernen, zuhause jedoch spanisch sprechen. Die Sprache als Identifikationsmerkmal Nummer Eins einzuführen, klappt bis heute nicht. Es fehlt einfach die Basis. Was aber nicht schlimm ist, glaubt man Ibon Zubiaur.

Auch eine Zugehörigkeit zu den Basken per Namensgebung hält er für falsch. Es gibt einfach zu viele Überschneidungen mit dem Spanischen. Außerdem hat eine Namensneuvergabe schon Jahrzehnte zuvor ein paar tausend Kilometer nordöstlich des Baskenlandes schon einmal verheerende Folgen gehabt…

Baske wird man nicht, man ist es oder man ist es nicht. Immer wieder gibt es Bestrebungen das Baskische in der Gesellschaft zu verwurzeln. Druck von oben bringt da nichts. Ein Baske fühlt sich als Baske oder eben nicht. Einzelne Organisationen, Parteien, Verbände geben da vielleicht Hilfestellung, aber grundlegend ändern können sie auch nichts.

„Wie man Baske wird“ ist ein Aufklärungsbuch. Aber ohne den Zeigefinger zu heben und den Anspruch auf einen eigenen baskischen Staat zu erheben. Der Essay (DAS Essay geht auch) ist ein kurzweiliger Ausflug in die baskische Kultur. Eine Kultur, die in der Literatur erst seit Kurzem Einzug gehalten hat. Baskisch ist als Sprache verankert, jedoch nicht in dem Maße wie man es sich in unseren Breitengraden vorstellt. Die baskische Kultur zu erhalten und auszubauen, muss nicht immer in Terror ausarten. Ibon Zubiaurs Ausführungen sind Integrationsbemühungen, die nicht im Sande verlaufen.