Archiv für den Monat: März 2015

Pocketquiz Filmzitate

Pocketquiz FilmzitateKennen Sie auch die Kinobesucher, die jeden Satz nach- oder mitsprechen? Oder schlimmer noch: Vorwegnehmen! Hier kommt die Rache der Genervten! Nicht jedes Filmzitat zeugt von eingehender Strahlkraft. Man denke nur an „Rambo III“, wenn Sylvester Stallone phlegmatisch erklärt wozu blaues Licht gut ist. Doch in welchem Film braucht man keine Straßen? Star wars? Raumschiff Surprise? Falsch! Es ist … ach nein. Das muss jeder selbst herausfinden. Wer mit Zitaten umgehen kann, besticht durch Weltläufigkeit. Wer aus Filmen zitieren kann, lockert eine Gesprächsrunde auf. Mit den 150 Fragen und passenden Antworten ist man in jeder Situation gegen peinliches Schweigen gewappnet. Schauen Sie ihrem Gegenüber in die Augen, loben Sie den Geruch von Kaffee am Morgen (leicht abgewandelt, okay, aber der Film dürfte bekannt sein, oder?!) und am Ende des Tages gewinnt man oder verliert man. Drei Zitate, wer kann sie zuordnen?

Schäfchen Anspitzer-Radiergummi

Anspitzer SchafBei Schokoladenosterhasen oder –weihnachtsmännern ist es immer zuerst der Kopf, der dran glauben muss. Bei diesem Radiergummi mit Spitzer und Auffangreservoir kann man zuerst die Wolle runterrubbeln oder mit den Füßen anfangen oder das Schaf mit der Nase auf die Fehler stoßen. Für fehlerlose Arbeiter ist einfach nur ein niedliches Accessoire, gut zu wissen, dass man etwas hat, das die Fehler wegmäht.

ABC-123-Papierklammern

Büroklammern_2 Büroklammern_3

Mal ehrlich: Wenn ein Stapel Papier auf den Schreibtisch flattert, landet der erstmal auf dem „zu erledigen“-Stapel. Dort fristet er ein kümmerliches Dasein als Fetzen Arbeit. Nichts daran, was einem die Freude auf das Abarbeiten versüßen könnte. Da wäre es doch schön, wenn beispielsweise witzige Büroklammern die Aufmerksamkeit auf die kommenden Aufgaben ein wenig schmackhaft machen würden. Als Zahlen oder Buchstaben erregen sie Aufmerksamkeit. Oder sie dienen als Ordnungssystem: Zuerst A, dann B, dann C usw. Oder Eins, zwei, drei… Eine weitere Möglichkeit ist, dass man mit den Büroklammern dem Nachwuchs Zahlen und Buchstaben beibringt. Bunt sind sie ja schon.

Büroklammern_1

Wie kommt die Katze in die Oper?

Wie kommt die Katze in die Oper

Der Titel macht neugierig. Was hat denn eine Katze in der Oper mit römischen Impressionen zu tun? Klassikfans, aber nur die Eingefleischten kennen vielleicht die Anekdote über die misslungene Premiere von Rossinis „Barbier von Sevilla“. Da hatten Spötter eine Katze auf die Bühne gescheucht. Zusammen mit anderen Missgeschicken geriet die Aufführung zu einem Desaster erster Güte.

Doch Gerhard Fischer hat noch mehr auf Lager, wenn er denn so durch die Ewige Stadt schlendert. Er war oft in Rom. Kennt die Stadt wie nur wenige Besucher. Das kommt auch daher, dass er immer mit dem Zug am Roma Termini ankommt. Seiner Meinung nach ist das Ankommen der spannendste Moment. Wenn man das Buch nach diesem Satz kurz herunternimmt und die Worte sacken lässt, weiß man diese Weisheit zu schätzen. Die Spannung wächst, was wird man sehen, was erleben? Und in Rom nimmt die Reihe an Fragen einfach nicht ab. Es gibt wirklich nur sehr wenige Städte, die derartige vollgestopft sind mit Zeugnissen der Geschichte.

Deswegen hat sich Gerhard Fischer entschieden nicht auf die offensichtlichen Schönheiten Roms einzugehen. Es sind die Kleinode am Rande, die Geschichten herum, die er zum Besten gibt. Wie die Piazza Sant’Ignazio. Wer ihn nicht kennt, erfreut sich sicher an der Architektur (eine Abbildung vom Autor selbst gemacht bestätigt diese Annahme), aber was sich hinter den Fassaden verbirgt, weiß man nur, wenn man dieses Buch zur Hand hat.

„Wie kommt die Katze in die Oper?“ ist eine kurzweiliger Reisebegleiter, den man getrost immer dabei haben kann, wenn man Rom besucht. Bei einer Merenda (Zwischenmahlzeit) ein bisschen darin blättern und schon geht’s weiter.

Morgen werde ich zwanzig

Morgen werde ich zwanzig

Als Zehnjähriger hat man es nicht leicht. Überall auf der Welt, zu jeder Zeit. Michel ist zehn, es sind die Siebziger, und er hat es nicht leicht. Seine Freundin Caroline, die zwei Jahre älter ist und – wie Mama Pauline sagt „entwickelt“ – will ihn heiraten. Tonton Rene, Mama Paulines Bruder, ist ein waschechter moderner Kommunist. Marx und Engels verbindet er mit den Annehmlichkeiten der kapitalistischen Welt. Außerdem hat er es auf das Erbe der Mutter abgesehen. Und sitzt deswegen Mama Pauline ständig im Nacken. Papa Roger pendelt immer zwischen Mama Pauline und Mama Marine Hin und Her. Michel hat es echt nicht leicht.

Michels Welt dreht sich um Caroline, die plötzlich mit ihm Schluss macht, weil er ihr keine Gedichte schreibt (was „ihr Neuer“ natürlich macht). Sie dreht sich um Idi Amin Dada, den Menschenfresser aus Uganda. Und sie dreht sich um den gestürzten Schah von Persien. Das alles erfährt er von Papa Roger und dem neuen Radio, mit Rekorder. Papa Roger regt sich ungeheuerlich über das Weltgeschehen auf. Doch viel spannender sind letztendlich der Rekorder und die Kassette von dem Mann mit dem Schnurbart, der pausenlos von einem Baum singt. Michel findet das lustig. Doch der Rekorder muss geheim bleiben, niemand aus der Nachbarschaft darf davon erfahren. Denn Michel gehört jetzt zu den Kapitalisten.

Im Schlafzimmer findet er Bücher. Unter anderem von Arthur Rimbaud. Sie faszinieren ihn. Wenn immer möglich zieht er Vergleiche mit dem großen Dichter. Rimbaud, die geschassten Oberhäupter Irans, Ugandas oder Zentralafrikas schwirren im Hirn des kleinen Michel herum. Trotzdem ist er in der Schule nur Durchschnitt. Doch die Gedankengänge lassen ihn und Caroline wieder enger zusammenrücken.

Alain Mabanckou erzählt mit der Leichtigkeit eines Kindes aus dem Leben eines Jungen, der der Zeit das Beste abzuringen versucht. Materiell geht es ihm gut, doch deswegen versteht er noch lange nicht die Welt der Erwachsenen, zu der ja auch eines Tages gehören wird.

Doch eigentlich ist er schon mittendrin. Tagtäglich hört er die Nachrichten. Sie sind Bestandteil seines Lebens. Er fragt sich, warum immer nur Schlechtes in der Welt passiert. Michel ist viel früher erwachsen als ihm lieb sein kann. Er nimmt es mit der Unbekümmertheit eines Kindes hin.

„Morgen werde ich zwanzig“ ist aus der Sicht eines Jungen geschrieben, der dem Leser Afrika zeigt wie kaum jemand zuvor. Alain Mabanckou trifft mit jeder Silbe die Seele Afrikas.

Wien abseits der Pfade, Band 1

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Wien liegt seinen Besuchern zu Füßen. Wie ein offenes Buch zeigt es, was es hat. Wien erkunden ist ein Leichtes. Doch das wahre Wien zu entdecken, bedarf einiger Kniffe. Einer dieser Kniffe ist Wolfgang Salomon gelungen. „Wien abseits der Pfade“ klingt auf den ersten Blick wie eines der abgedroschenen Bücher, die mit viel Tamtam Großes ankündigen und dann doch nur das Offensichtliche halten. Dieses Buch bildet die rühmliche Ausnahme!

Der viel zitierte Wiener Schmäh und die Todessehnsucht bekommt man als Tourist nur mit, wenn man Augen und Ohren offenhält. Sehr weit offen! Für viele ist der Zentralfriedhof deswegen der zentrale Ausgangsort für Erkundungen. Stundenlang kann auf ihm herumschlendern. Wolfgang Salomon überlässt dieses touristische Highlight den Touristen und trifft auf dem Friedhof des Kahlenbergerdorfes Monika Pluhar. Von hier hat man den schönsten Blick auf die Donau. Die in Deutschland vor allem als Schauspielerin bekannte Wienerin sinniert mit ihm über Marisa Mell. Ihr abwechslungsreiches Leben (sie drehte mit Mastroianni, verarmte und starb mit knapp über fünfzig an Krebs) machen diesen Ausflug zu einem bemerkenswerten Seelentrip ins Herz Wiens. Das am Rande gelegene Gebiet wird dadurch ins Zentrum gerückt.

Filmisch hat Wien so einiges zu bieten. „Der dritte Mann“ wurde hier gedreht. Eine Führung auf den Spuren des dritten Mannes lohnt sich vor allem für Cineasten. Doch auch hier gilt wieder: In Wien wurde nicht nur einmal für Höhepunkte gesorgt. Das Volxkino sorgt seit über zwei Jahrzehnt für Leinwandhöhepunkte. Nicht als Produzent, sondern als fahrendes Kino. Märkte, öffentliche Plätze und Parkanlagen werden zu Kinosesseln für blockbustermüde Augen und Ohren.

Der Fiaker-Willi ist selbst für einen erfahrenen Wiener wie den Autor ein Füllhorn an Geschichten. Schon vor dem Einsteigen wird einem klar, dass das nun Folgende einzigartig sein wird…

Wiens ausgetretene Touri-Pfade zu verlassen, kommt einer Pilgerfahrt gleich. Wolfgang Salomon sorgt mit seiner beschwingten Schreibweise für Kurzweil. Das Klappern der Hufe während der Fiakerfahrt, das Rascheln der Bäume, die ihre Geschichten erzählen oder das Schwelgen in transdanubischer Lebenslust, wenn er durch Floridsdorf schlendert, machen dem Leser den Mund wässrig. Als Zusatz zu einem Reiseband ist dieses Buch ein wahres Kleinod. Leider viel zu schnell zu Ende. Doch es gibt Hoffnung! Noch 2015 soll der zweite Band erscheinen.

Lesereise Laos

Lesereise Laos

Laos ist sicherlich ein Land über das man nicht viel weiß. Wer den Begriff „Land der tausend Elefanten“ kennt, weiß schon mehr als die meisten. Erik Lorenz gehört zu einer sehr kleinen Minderheit. Wer seine beiden Bücher über das faszinierende Land gelesen hat, ist geneigt zu sagen, dass er mehr über Laos weiß als so mancher Laote. Erik Lorenz macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: Er liebt Laos, aber er ist nicht blind vor Liebe. Für seine Lesereise traf er Geschäftemacher, deren Berufsbezeichnung auf dem letzten Teil betont wird, Macher. Jede einzelne Geschichte hat zwei Seiten. Hier der Fortschritt – da die Gefahren des selbigen.

Laos hat den Nachteil keinen Meereszugang zu besitzen. Thailand, Vietnam und Myanmar, die Nachbarländer, können mit traumhaften Bilderbuchstränden aufwarten. Laos besticht durch die Freundlichkeit der Menschen, seine alltäglich gelebten Traditionen und seinen unermesslichen Naturreichtum.

Doch gerade bei letzterem – dem Naturreichtum – tritt in letzter Zeit immer öfter die Kehrseite in Erscheinung. Mallorcaähnliches Szenen spielten sich noch bis vor Kurzem an den Ufern der Flüsse ab. Touristen schipperten auf aufgeblasenen LKW-Schläuchen durch den Dschungel. Von Land wurden ihnen Seile zugeworfen. Wer zugriff hatte schon verloren. Denn jetzt begann das exzessive Besäufnis. Wer noch stehen konnte schwang sich an Seilen über den Fluss, ließ los und planschte benebelt in den Fluten. Nicht alle haben das überlebt. Erik Lorenz nennt Namen als Mahnung.

Doch auch der deutsche Botschafter des Landes findet Einzug in dieses exzellente Büchlein. Er wollte hierher, in ein Land, in dem man noch echte Hilfe leisten kann. Ohne im Dickicht der Interessen zu ertrinken.

Laos ist nach wie vor ein sozialistisches Land. Was per se erst einmal nichts Schlimmes ist. Doch Vetternwirtschaft und das Berufen auf sozialistische Werte lassen auch die guten Seiten des Fortschritts erblassen und verlangsamen. China ist der neue große Freund. In den nächsten Jahren soll in Laos ein Eisenbahnnetz entstehen, das von China aus geplant und umgesetzt wird. Nichtregierungsorganisationen treiben den Kampf für die Beseitigung der Blindgänger aus dem Vietnamkrieg voran. In Laos liegen immer noch unzählige Tonnen von Granatsplittern, die immer noch – vierzig Jahre (!) nach Kriegsende – Opfer fordern.

Wer Laos besucht wird schon während eines wochenlangen Aufenthalts die Veränderung spüren. Genauso wie die Traditionen. Wem Letzteres am Herzen liegt, der sollte schleunigst seine Koffer packen. Und dieses Buch auf gar keinen Fall vergessen mitzunehmen!

Halb so wild!

Halb so wild

Eine Traumreise soll es werden. Mit dem Auto quer durch Marokko. Von Nord nach Süd, von Ost nach West. Durch das sagenumwobene Land. Über Dünen. Durch Basare. Die Sonne am Himmel, den Horizont als Ziel. Doch es kommt anders. Thom verliert – in seinen Augen – alles. Das Auto ist weg. Durch eigenes Verschulden. Dummheit. Gutmütigkeit. Vertrauen. Denn als er im Hotel in Tetuan ankommt, folgt ihm ein Junge, der für ihn das Auto parken will. Ein netter Service des Hotels. Denkste! Der nette, freundliche Gehilfe war ein Dieb!

Fort sind nun Kleidung, Bücher und Landkarten. Das Geld hat er zum Glück noch bei sich. Doch der Traum von endloser Freiheit ist futsch. Die Behördengänge machen Thom wütend. Keiner scheint sich so richtig in seine Lage versetzen zu können. Oder zu wollen?! Auch das deutsche Konsulat ist keine Hilfe. Ohne Auto kann er nicht wieder ausreisen. Das hat er lernen müssen. Nach den zahllosen Wegen zwischen Polizei und Konsulat kann Thom sich ein wenig entspannen.

Auf der Suche nach seinem Sportwagen lernt er Marokko kennen wie er es sich nicht hätte träumen lassen. War er anfangs der Meinung alle Planung sei des Glückes Anfang, stellt er nun fest, dass seine Schnitzeljagd auch etwas für sich hat. Der eigens auferlegte Urlaubsrhythmus unterliegt allmählich dem Marokkos.

Thom lernt Omar kennen, einen Studenten. Der Lehrt dem immer noch aufgebrachten Deutschen, dass hier im in jeder Hinsicht fernen Orient der Alltag anders abläuft. Auch das Arabisch nicht gleich Arabisch ist. Thom würde sich gern verständigen. Doch das ist gar nicht so einfach. Daridscha, was nur als mündliche Sprache fungiert, will er lernen. Omar lacht. So einfach ist das auch nun wieder nicht. Das Erste, was Thom lernt, den ersten Satz, den er beherrscht, ist „Schi Bäss ma-ken“. Schon gut. Macht nichts. Alles halb so wild. Nur ein Satz. Doch der verändert schlagartig Thoms Sicht auf die ihn umgebende Welt.

Uwe Topper gelingt der schwierige Spagat zwischen Roadtrip und Landeskunde scheinbar spielerisch. Sein Held Thom hat sich seinen Urlaub redlich verdient. Jahrelang hat er versucht beruflich wieder Fuß zu fassen. Als er es geschafft hat, belohnt er sich mit einem augenöffnenden Urlaub. Raus aus dem Trott. Weg von Planung und finanzieller Absicherung. Marokko sollte das ersehnte Gegenstück zum Einbahnstraßenalltag werden. Ungewollt wird es das auch, jedoch anders als geplant.

Der gute Deutsche – Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914

Der gute Deutsche

Die deutschen Kolonien waren überschaubar und über den gesamten Erdball verteilt. Kamerun war wohl die Kolonie, die bis heute mit der deutschen Herrschaft im Lande verbunden ist. Wie in allen Kolonien hat sich auch die deutsche Regierung und Wirtschaft dort nicht so verhalten wie man es erwartet, versprochen und erhofft hat. Der viel beschworenen Ehre war da wenig bis gar nichts zu sehen.

Manga Bell war der Enkel des Königs, King Bell. Eine respektierte Person. Und ein entscheidender Handelspartner für die deutschen Konsortien. So manch einer seiner Untertanen konnte von seinen Erfahrungen, die er machen durfte nur träumen. Bis auf eine … der Titel des Buches verrät es: Die Sache geht nicht gut aus für Manga Bell. Manga Bell studierte in Deutschland. Eine Sensation. Nicht nur für die Dualas, sondern auch für die Deutsche. Sie hatten noch nie einen gesehen, der eine so dunkle Haut hatte. Zumindest nicht in Heidelberg, wo er studierte. In einigen Städten war damals schon die menschenverachtende Schau der Hagenbecks unterwegs.

Manga Bell ist beeindruckt von Deutschland. Er saugt das Leben in der Ferne in sich auf, beschäftigt sich mit der Kultur und auch mit der Rechtsprechung. Dem Kolonialtreiben kann er kein Ende bereiten, das weiß er. Die Handelsbeziehungen dienen beiden Seiten, den Duala und den Deutschen. Doch die Nichteinhaltung von Verträgen, Folterungen und Vergewaltigungen stellt er sich entgegen und klagt an. In Deutschland. Den weißen Herren vor Ort das Handwerk legen ist sein Ansinnen. Und den Kaiser wähnt er auf seiner Seite.

Christian Bommarius beschränkt sich nicht allein auf den Werdegang des Manga Bells. Vielmehr zeichnet er detailgenau ein Bild der kolonialen Situation in Afrika. Belgiens König beispielsweise betrachtet den Kongo als sein Privateigentum, in dem er schalten und walten lässt wie er will. Völkermord und totale Ausbeutung der Bodenschätze stehen über dem Recht. Die handelnden Personen stehen offiziell unter dem Recht der Kolonialmacht. Vor Ort treten sie ihr eigenes recht mit Füßen.

Im Nachgang zu den zahlreichen Büchern, die rechtzeitig zum hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erschienen, ist dieses Buch eine wohltuende Alternative. Denn der Beginn des vergangenen Jahrhunderts war nicht nur von Umbrüchen in Europa gekennzeichnet. Afrika als Nährquelle der zivilisierten Welt wird auch heute noch als unterentwickelter Kontinent gesehen. Die Kolonialzeit ist zwar offiziell beendet, doch Konzerne üben „auf dem schwarzen Kontinent“ immer noch die Macht aus. Dieses Buch ist eine Aufforderung sich mit Geschichte zu befassen. Auch der außerhalb der eigenen Grenzen.

Elf Wege über eine Insel

Elf Wege über eine Insel

Sardinien erkunden – eine der reizvollsten Arten zu reisen. Berge und Meer so eng beieinander, eine fremde Kultur, die fast überall noch hautnah erlebbar ist und eine exzellente Küche. Was will man mehr?

Man will diese Insel, ihre Bewohner verstehen. Doch das ist gar nicht so einfach. In den Topf lassen sie sich schauen, aber ihre Gedanken bleiben Fremden ein Rätsel. Doch ist es nicht genau das, was den Charme der Insel ausmacht? Michela Murgia vergreift sich in keinem Fall an diesem Charme, sie lüftet auch keine Geheimnisse. Sie hebt nur ein wenig den Schleier der Magie, ohne den Zauber der Insel zu riskieren.

Die elf Wege sind keine Wanderwege oder Pfade im eigentlichen Sinn. Sie sind in erster Linie ein Kulturleitfaden für eine der schönsten Inseln des Mittelmeeres, vielleicht sogar der Welt. Für Besucher Sardiniens sind die elf Kapitel ein unermesslicher Schatz an Erfahrungen, Deutungen und Mythen.

Die Kunstszene Sardiniens ist reichhaltig. Seit einiger Zeit rücken traditionelle Formen und moderne Kunst wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Althergebrachtes Handwerk, besonders in der Mode verbindet sich mit zeitgemäßer Interpretation der Gegenwart.

Michela Murgias Ausführungen zu folgen ist ein Lesevergnügen, das schmerzt. Schmerzend insofern, dass man nicht sofort auf die Insel reisen kann, weil man keinen Urlaub hat. Die Leichtigkeit, mit der sie sich durch die Jahrhunderte scheibt, die Detailgenauigkeit, das enorme Wissen machen dieses Buch zu einem unverzichtbaren Begleiter über die Insel. Schlagworte wie Grenzen, Steine, Klänge, Unabhängigkeit lassen den Leser von vornherein erahnen, dass es sich hier nicht nur um eine bloße kurze Wiedergabe der Geschichte einer Insel handelt. Michela Murgia ist Sardin. Sie ist hier geboren. Und verwurzelt. Eng verwurzelt. Ihr kurzes Intermezzo in Mailand hat sie noch enger an ihre Heimat gebunden, in der sie nun wieder lebt.

Wer Sardinien verstehen und ernsthaft erleben will, kommt an diesem Buch nicht vorbei.