Wir, die Anderen

Jeder kennt einen, der irgendwie – liebenswert – aus der Art geschlagen ist. Ein Spinner, den man nicht immer ernst nehmen kann, dennoch aber gern um sich haben will. Träumer, keine Schaumschläger. Denn Träumer haben das recht auf ihrer Seite.

Und solche wundersamen Leute hat Oliver Wunderlich zusammengetrommelt, um sie kompakt dem Leser vorzustellen. „Wir, die Anderen“ sind keine Clique von verschrobenen Typen, die es immer irgendwie schaffen davonzukommen. Nein, hier stehen sie in Reih und Glied, zeigen sich von ihrer besten Seite. Es ist erstaunlich spannend zu sehen wie zwei Männer dem Traum vom großen Geld hinterherjagen, und sich dabei für nichts zu schade sind. Die Currywurstbude soll den Batzen Geld in einen Mount Everest der finanziellen Sorglosigkeit verwandeln. Als quasi um die Ecke ein Schnellrestaurant von Weltformat eröffnet, scheint der Gipfel unerreichbar. Doch Narren haben einen Vorteil gegenüber durchgestylten Apparatschicks: Sie haben Träume, und keine Tabellen. Die Currywurstolympiade soll den Bekanntheitsgrad steigern und Kunden binden. So würde es der Wirtschaftsriese von „um die Ecke“ nennen. Die Würste brutzeln, die Sonne brennt, der Schweiß läuft. Das Ende vom Lied: Eine Gewinnerin, die sich seitdem nie wieder eine Currywurst einverleibt hat. Alles halb so schlimm. Es war die Tochter eines der Veranstalter.

Ein anderer Anderer ist Tom Quinn. Bobby, Polizist, Parkknöllchenverteiler in der Bridge Street in Manchester. In den 80ern nicht der Place to be, wenn man sich die Musik von Joy Division und The Smiths anhört. Margret Thatchers Politik scheint die Stadt weiter in en Abgrund zu treiben. Da schlendert der niemals schlecht gelaunte Tom Quinn durch die Straße und verteilt Tickets an die Parksünder. Immer, wenn Not am Mann ist, ist er zu Stelle. Ja, auch das ist Tom Quinn. Ein Fahrrad ist zu reparieren – Tom ist da. Falschparker auf dem Gehweg – Tom ist da. Jemandem über die Straße zu helfen, den Weg zu erklären – Tom, Tom, Tom. Einem Journalisten fällt dieser Mann schon länger auf. Niemals hat er Streitigkeiten mit Tom gesehen, erlebt oder irgendwie wahrgenommen. Da muss was dahinter stecken, das wert ist herausgefunden zu werden. Doch nix, nada, niente. Tom ist einfach nur Tom. Als er eines Tages nicht zur Arbeit erscheint – das erste Mal – schauen die Kollegen bei ihm zu Hause vorbei. Tot. Tom Quinn, der Mann der Knöllchen, Heiliger der Parksünder, unscheinbarer Nachbar ist nicht mehr. Seitdem regnet es unaufhörlich. Die Straßen sind voller Traubendrecke, Fahrräder rosten vor sich hin. Und sein Geheimnis? Nicht mehr und nichts weniger als das – eben ein Geheimnis.

Alltagsgeschichten haben oft den Beigeschmack des Banalen. Fad und nach der zweiten Wiederholung rauschen die Worte wie ein Zug durch den Kopf. Oliver Wunderlich lässt die Anderen in einem Licht erstrahlen, das durch die stechende Präzision nicht so schnell erlischt.