Wie Männer sich die Frau von morgen wünschen

Ein echtes Buch für Männer! Ein Buch für echte Männer! Und ein Titel zu dem man sofort eine Meinung hat bzw. etwas zu sagen hat. Mal im Spaß, mal im Ernst.

Doch so einfach macht es sich die Herausgeberin Barbara Sichtermann nicht! Es sind Texte die fast ein ganzes Jahrhundert alt sind. Der Begriff „moderne Frau“ oder eben „Frau von morgen“ existiert bereits. Die Goldenen Zwanziger sind schon Geschichte, wenn auch noch greifbar, da bat der E. A. Seemann Verlag Männer mit Gewicht in der Stimme Texte zu diesem Thema zu schreiben. 1929 sollten sie (und wurden auch) veröffentlicht werden. Zehn Jahre nach dem das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Frauenwahlrecht eingeführt? Ja so sachlich nannte man es damals – heute würde auch weniger Leidenschaft in die Formulierung gelegt werden. So viel hat sich seitdem also auch nicht verändert. Frauen durften wählen. Punkt!

Die wohl bekanntesten Namen in diesem Buch sind Stefan Zweig und Max Brod. Auch ihnen entging nicht, dass das vorherrschende Klischee der Frau am Herd wohl bald der Vergangenheit angehören wurde. Die industrielle Revolution – von Männerhand erdacht und erschaffen – zog in langen Bahnen auch den Kampf für faire Bedingungen am Arbeitsplatz hinter sich her. Sozialversicherungen wurden eingeführt. Alles so weit in Ordnung, doch die Frau durfte ihr angestammtes Revier, Herd und Bett, nicht verlassen.

Fast allen Texten – von den bereits erwähnten beiden Schriftstellern über den Journalisten Alfons Paquet und Robert Musil bis hin zu Otto Flake und Frank Thiess – ist es gemein, dass Inhalt und Überzeugung nicht die gesamte Strecke Hand in Hand gehen. Wüste Theorien aus utopo-kommunistischen Zeiten, in denen Kinder nach der Geburt in Kinderlagern erzogen werden, Frauen und Männer gleichberechtigt ausgebeutet werden, und Zeiten, in denen das Individuum in der Masse untergeht. Von Familie keine Spur. Nicht gerade realistisch. Aber das sollten die Texte vielleicht auch nicht sein.

Die Frau geht in ihrer Rolle als Sie neben Ihm auf. So war es und nach Ansicht der Autoren wird sich daran auch nicht so viel ändern. Überspitzt gesagt, ein bisschen mehr Haushaltsgeld und Entscheidungsfreiheit, was auf den Tisch kommt, dürfte für den Anfang reichen. Die gegenwärtigen Verhältnisse können modifiziert, aber um keinen Preis der Welt aus den Fugen geraten. Natürlich spricht das keiner offen aus. Wahrscheinlich denkt kaum einer in diese Richtung. Zu festgefahren sind die Rollenbilder.

Ist dieses Buch nun ein Buch für echte Männer? Aber ja doch. Nicht, um zu recherchieren, was an Katastrophen auf einen zukommt á la „man muss den Feind kennen, um ihn besiegen zu können“. Wie in so vielen Texten liegt die Wahrheit in den Worten und zwischen den Zeilen. So mancher Chauvi wird sich erstaunt die Augen reiben, was es denn tatsächlich bedeutet Gleichberechtigung Eins zu Eins umzusetzen. Es gehört mehr dazu als sich die meisten vorstellen können. Wem dieses Thema auch nach der Lektüre immer noch zu fremd und zu fern ist, der hat zumindest klangvolle Ideen gelesen, die trotz des Alters immer noch aktuell sind.