Eine Träne. Ein Lächeln

Das Wort Integration ist zu einem Feindbild geworden. Wohl aus deshalb, weil keiner so recht weiß, was dieses viersilbige Wort alles beinhaltet. Anpassen, mit dem Strom schwimmen, unauffällig sein. Das ist in den Augen der meisten die Definition von Integration. Das bedeutet aber auch die eigene Identität einzutauschen. Eigene Traditionen über Bord zu werfen. Die eigene Geschichte in einen Schleier des Vergessens hüllen. Luna Al-Mousli wuchs in Damaskus auf, einer der ältesten Städte der Welt. Wenn sie also von Traditionen spricht, sind manche älter als hierzulande ganze Landstriche bewohnt sind. Ihr Erstlingswerk „Eine Träne. Ein Lächeln“ ist die Essenz ihrer Erinnerungen. Keine ausschweifenden Anmerkungen, was das Leben ihr bot, was das Leben aus ihr machte. Viele kleine Anstupser, die sie nicht mehr vergessen kann, die sie prägten und niemals aus ihrem Gedächtnis verschwinden werden. Der Duft von Jasmin, die Großmutter, die diesen immer zupfte und sammelte. Die politische Indoktrination in der Schule – Willkür und Stockhiebe. Die große Familie, die immer da war. Die Vorsicht vor dem Assad-Regime.

Mancher Leser wird vielleicht diese Ausführungen vermissen. Die Erinnerungen sind nicht nur für die Autorin Cliffhanger, um sich ihrer Wurzeln bewusst zu bleiben. Auch der Leser kann sich fortwährend einen Reim auf sie machen. Was macht es mit einem jungen Mädchen, wenn sie nach Joghurt ansteht und die Staatsmacht in Gestalt einen Soldaten sie betatscht? Angst? Unsicherheit? Ungläubigkeit? Vertrauensverlust?  Wahrscheinlich alles zusammen.

Luna Al-Mousli lebt heute in Wien. Ist sie integriert? Sie selbst ist sich da nicht so sicher. Die Sprache beherrscht sie akzentfrei. Sie kann tun und lassen, was sie möchte. Kann studieren. Kann sich entfalten. Sie ist ihres Glückes eigener Schmied. In Syrien ist Familie. Sind die Familientreffen. In Syrien ist sie geborgen. Aber auch immer auf der Hut.

Man darf dieses Buch nicht als Markstein für gelungene oder misslungene Integration ansehen. Es ist – bei aller wundervollen Gestaltung – ein Rückschauhalten einer jungen Frau, die ihren Weg gegangen ist, diesen nun ab und zu verlassen kann, um eigen Pfade anzulegen. Sie blickt zurück, was sie nicht daran hindert nach vorn zu schauen.