Wem die Stunde schlägt

Spanien im Mai – die Sonne wärmt schon das Gemüt, die Natur schlägt Purzelbäume. Spanien Ende Mai 1937 – die Kanonen donnern, eine Zeit der Angst und des Grauens. Generalissimo Franco legt das Land mit Hilfe anderer Diktatoren in Schutt und Asche. Auf der Gegenseite stehen die Internationalen Brigaden, furchtlose, zum Kampf bereite, freiheitsliebende Menschen, denen jedes Mittel recht ist, den perfiden Faschisten das Handwerk zu legen. Robert Jordan ist einer von ihnen. Amerikaner, der eine Brücke sprengen soll. Siebzig Stunden, zusammengefasst auf über 600 Seiten. Soweit ganz kurz die Rahmenhandlung.

Wie würde man heutzutage den Stoff umreißen? Ausländische Fachkraft mit militärischem Background soll einheimischer Widerstandsgruppe seine Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Das geplante Ziel birgt aber das Risiko erheblicher Kollateralschäden in sich. Außerdem knistert es zwischen der Frau des einheimischen Helfers und dem Sprengstoffexperten mit Migrationshintergrund. So was will doch aber kleiner lesen!

Es sei denn Ernest Hemingway hat seinen Griffel im Spiel. Es ist das umfangreichste Werk des Nobelpreisträgers und seit über achtzig Jahren in immer neuen Übersetzungen ein Dauerbrenner auf den Gabentischen. Verfilmt mit Gary Cooper und Ingrid Bergman.

„Wem die Stunde schlägt“ ist zweifelsohne ein Klassiker. Und dennoch soll es Bücherregale geben, in denen das Buch keinen Platz hat. Hemingway zu lesen, ist wie eine Reise, die niemals enden soll. Er packt einen da, wo keine Hand hinkommt – tief im Inneren. Die Parallelen zur Gegenwart sind nahbar und offensichtlich. Jedes Tun fordert regelgerecht eine Gegenreaktion heraus. Je schwieriger die Situation, desto unabdinglicher ist das sorgsame Abwägen. Und genau deswegen sollte man „Wem die Stunde schlägt“ immer in Griffweite haben.

Die Neuübersetzung von Werner Schmitz lässt dem Werk seine eigene Sprache und transformiert das Werk in unsere Zeit, ohne den Geist der Vergangenheit in Unruhe zu versetzen. Klare Gedanken erfordern eine klare Sprache. Dies gelingt hier ohne Abstriche. Hat man dieses Werk einmal in den Händen klebt es wie Honig zwischen den Fingern. Auch wenn man sich Seite für Seite die Finger danach leckt, geht die Anziehungskraft nicht verloren.

Selten zuvor hat der Titel eines Buches auf den Leser abgefärbt. Denn wem die Stunde schlägt, der hat „Wem die Stunde Schlägt“ gelesen. Und ihm er wird die Stunden nicht vergessen, in dem er dieses Buch las.