Stürenburg-Geschichten

Stürenburg-Geschichten

Als die Menschen ihre Abende noch ohne Fernsehen, Radio und ohne Schriften beschließen mussten, saßen sie gemeinsam am Feuer und erzählten sich Geschichten. Daraus wurden später unsere Märchen. Gefangen in ihren Traditionen treffen sich Vermessungsrat a.D. Stürenburg und andere – heute würde man sie als Mittelklasse bezeichnen – und frönen der Lagerfeuer-Romantik beim Tee. Der Krieg (der zweite Weltkrieg) ist vorbei. Aufbruchstimmung im ganzen Land.

Der Mittsiebziger Stürenburg fasziniert die Witwe von Dr. Waring und ihre Nichte Emmeline, den Apotheker Dettmer, das Faktotum Hagemann und den Erzähler mit seinen – für moderne, an knackig aneinandergereihte Höhepunkte gewöhnte, Ohren langweiligen – Geschichten. Ja, er hatte ein erfülltes Leben, der Herr Vermessungsrat a.D. Stürenburg. Seiner Meinung nach. Heute amüsieren wir uns über seine spannungsgeladenen Bonmots. Keiner aus der Runde würde es wagen, dem hochangesehenen Rat die Stirn zu bieten. Preußische Ergebenheit vor dem Range des Erzählenden verbietet das.

Arno Schmidt war ein Berserker der deutschen Nachkriegsliteratur. Unermüdlich schrieb er. Und schrieb und schrieb und schrieb. Bis er darüber zusammenbrach. Seine Schilderungen der Bundesrepublik nach dem Naziterror gehören zum Besten und Eindringlichsten, was die deutsche Literatenszene hervorgebracht hat. Die Geschichten Stürenburgs – Schmidt höchstpersönlich – erzeugen Befremden und Spannung zugleich. Das Ende sieht keiner so kommen. Arno Schmidts Werk ist so umfangreich, dass es nur wenigen vorbehalten ist, es komplett zu erfassen. Intellekt trifft Gebrüder Grimm? Stürenburg als moderner Münchhausen? Nein. Stürenburg – Schmidt – ist einzigartig. Wer ihn nicht liest, verpasst etwas. Hervorragender Einstieg in die Sphäre Arno Schmidt.