Nehmen Sie den Weg nach Süden

Gibt es den richtigen Zeitpunkt für das richtige Buch? Ja, Frühjahr 2020! Und das Buch nennt sich „Nehmen Sie den Weg nach Süden“! Der vergessene Kontinent, der gerade jetzt in der Krise, wenn irgendwelche Experten meinen den Kontinent als Labor für Impfstoffversuche nutzen zu müssen und die ganze Welt im Corona-Fieber zu verrecken scheint. Es gibt noch einen weiteren Anlass das Buch genau jetzt zu lesen. Es ist vierzig Jahre her, dass Schwarzafrika – ein Begriff, den übereifrige Erbsenzähler heute wohl auch nicht so gebrauchen würden – war Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Noch nie zuvor war ein ganzer Kontinent einem so großen Lesepublikum vorgestellt worden. Kurz zuvor hatte sich ein Verein gegründet, der heute als Litprom das Bindeglied zwischen den Kontinenten, zwischen Autoren und Verlagen darstellt. Deren Bestenliste ist oft hilfreicher als so manches Sprachorgan der organisierten Lesefreude.

In diesem Buch treffen Autoren aufeinander, die Afrika auf ihre besondere Weise darstellen. Ja, es geht um Kämpfe. Aber nicht nur um den Kampf an der Waffe gegen die alten und neuen Kolonialisten, sondern auch um den täglichen Kampf. Aber es geht vor allem um Lebensfreude. Das geflügelte Wort, dass „hier so viele so fröhlich sind, obwohl sie so wenig haben“, spielt hier keine Rolle. Das sagen nur die, die von außen, und vor allem von oben herab, den Kontinent so gern verklären. Schon in der ersten Geschichte von Nathacha Appanah aus Mauritius – was weiß man schon über Mauritius, außer dass von dort eine der seltensten Briefmarken kommt? – schildert das Erwachen der ersten Liebe eines sechzehnjährigen Mädchens.

Mia Couto aus Mosambik hingegen zerrt die hierzulande unbekannte Vergangenheit seines Heimatlandes an die Oberfläche und gibt dem Leser einen umfassenden Einblick in seine Welt.

Alain Mabanckou aus Kongo, dem kleinen Kongo, oder Kongo-Brazzaville, Nachbarland der Demokratischen Republik Kongo, dem früheren Zaïre, lässt seinen Helden innerlich wachsen, als er elegant gekleidet den Abend verbringt. In einer Gegend, die nur wirklich individuell Reisende mit viel Mut im Herzen betreten.

Sefi Atta aus Nigeria, die mittlerweile an der Mississippi State University unterrichtet, zeigt ihr Nigeria von der fröhlichen Seite, die jedoch von allerlei Fassaden umzäunt ist.

Dieses Buch ist mehr als nur ein Appetitanreger, um Afrika literarisch zu erkunden. Die Quintessenz mehrerer Generationen erstklassiger Schreiber wird in diesem Buch auf ein Podest gehoben, das noch immer nur seitenweise wahrgenommen wird. Die Vielfalt der Themen und der unvergleichliche Schreibstil lassen diese Geschichten und Auszüge aus Romanen wie ein blühendes Feld voll duftender Phantasien erstrahlen.