Nachtstücke

Vielleicht hat der Eine oder Andere schon mal das beklemmende Gefühl gehabt in einem Raum eingesperrt gewesen zu sein. Nicht wirklich, nur das Gefühl! Es ist so seltsam einsam. Aber in einer noch seltsameren Art und Weise auch irgendwie bekannt. Für viele fühlt es sich an wie in einem Film. Für wenige ist es eine Erinnerung, die im Bücherschrank steht. Edgar Allan Poe heißt der Ausgangspunkt für diese Angst. Er beeinflusste mit seiner – zur damaligen Zeit – neuen Art Suspense, das gewisse Knistern in den Synapsen herzustellen, darzustellen Generationen von Künstlern. Von Charles Baudelaire über Alfred Hitchcock bis hin zu Roman Polanski und seinen nachfolgenden Kollegen ist Edgar Allan Poes Werk die Grundlage ihres Genres.

Auch das Rätsel des locked room, also eines Raumes, aus dem niemand herauskommt bzw. herauskam, kann als Poe’sche Erfindung angesehen werden. Ein Mord in einem Raum, der absolut leer ist – außer dem Opfer, das darin liegt. Der Täter kam anscheinend nicht von außen herein. Und schon gar nicht wieder heraus. Wie also um alles in der Welt, wurde die Tat verübt?

Es sind diese Art Rätsel, die den Leser fesseln und in eine Stimmung versetzen, für die der Schlaf die ersehnte Lösung ist. Ob nun ein gefiederter Geselle, der wortreich beschrieben wird wie in „Der Rabe“. Dieses Gedicht bildet in jeder Geschichtensammlung von Poe den Auftakt. Oder der Klassiker, der jeden Kriminalkommissar als Pflichtlektüre noch vor der ersten Unterrichtsstunde neben das Bett gelegt werden sollte, „Doppelmord in der Rue Morgue“. Oder das dunkle Familiengeheimnis wie das der Ushers in deren seltsamen Haus. Oder das Unglück einer Schiffbesatzung im gefährlichen Maelström. Oder „Das verräterische Herz“, dessen Geschichte sogar bei den Simpsons Einzug gehalten hat. Jeder kennt Edgar Allen Poe. Noch immer, obwohl er vor über hundertfünfzig Jahren gestorben ist.

Sein Leben war kein Zuckerschlecken. Früh die Mutter verloren, kam er mit dem Vater nie so recht klar, überwarf sich mit ihm als junger Mann. Die einzige Konstante in seinem Leben war wohl der Alkohol. Der ihm letztlich sicher auch das Leben kostete.

Die Kraft, die seinem Werk innewohnt, ist ungebrochen. Sie bricht sich nicht in Wellenbewegungen immer mal wieder frei, sie ist gleichbleibend vorhanden. Diese Nachtstücke sind die Betthupferl, die es braucht, um des Nachts in süße Träume zu versinken. Die Wortgewalt, der intellektuelle Anspruch und die dadurch verursachte Gänsehaut sind die Zutaten, dies man braucht, um in Morpheus Armen selig dem Alltag zu entschlummern.