Nachtdiebe

Es ist schon seltsam wie manche Bücher entstehen. Bodo Kirchhoff bedient sich dieses Mal bei sich selbst, beim Roman „Der Sandmann“. Und schöpft den Rahm seiner Handlung noch einmal ab, um daraus die Novelle „Nachtdiebe“ zu kreieren.

Quint und sein Sohn Julian sind zum ersten Mal gemeinsam auf Reisen. Nach Tunis – sicher nicht das erste Ziel, wenn man den einen aufregenden Roman schreiben will. Doch Bodo Kirchhoff schafft es mit Leichtigkeit dieser alten Stadt die Ehre zu erweisen und webt eine Geschichte aus mehr als nur tausendundeiner Nacht.

Quint stiehlt sich hinaus in die Dunkelheit seines eigenen Lebens. Als Lichtkegel an seiner Seite sein Sohn, der ihm ein ums andere Mal auf den Boden der Tatsachen zurückholen kann. Und Quint hat wahrlich Hilfe nötig. Christine, seine Frau ist beruflich in Paris. Und Quint kann nach Helen suchen. Sie war das Kindermädchen von Julian. Und von einem auf den anderen Tag verschwunden. Eine Postkarte ließ Quint aufbrechen. Die Karte von Helen war kurz und sachlich. Es gehe ihr gut. Sie ist am Leben. Und sie ist auch persönlich. Sie wünscht allen nur das Beste.

Und Quint? Was wünscht er sich? Helen? Christine? Julian! Klar. Aber mit wem zusammen? Helen wollte nie das, was nur Christine zustand – ein wunderbarer Satz, der die Tragweite des Themas mit wenigen Worten einfängt.

Quint ist in Tunis. Er findet das Hotel, in dem Helen arbeitet. Aber sie ist schon wieder weiter gezogen. Quint bleibt trotzdem. Die Wirtin des Hotels, Melrose, eine Reminiszenz an vermeintlich bessere Zeiten, sieht in ihm mehr als nur den einen Gast. Und Quint hat auch so manche schwache Minute. Und dann ist da noch Dr. Branzger. Der weiß mehr als er zugibt. Er kennt Helen auch. War hinter ihr her, wenn man das einmal so schnöde sagen darf. Und in einem schwer erreichbaren Versteck sind Helens Aufzeichnungen. Die will, die muss Quint lesen…

Allein schon die Wahl der Namen ist richtungsweisend. Quint – ein außergewöhnlicher Name. Ruhig, besonnen, nachdenklich, kalkulierend, zurückhaltend. Helen – Verheißung anmutend, fremd und nah zugleich. Dr. Branzger – so heißt niemand, der sich mit Wohlgefallen Freunde macht. Und Melrose – Phantasie, träumerisch. Daraus formt Bodo Kirchhoff mit dem ihm eigenen Stil eine Phantasiewelt, die sich in ihren Grundfesten nicht erschüttern lässt. Hier und wackelt es zwar ordentlich im Gebälk, doch aus den Angeln wird sich diese Welt nicht so schnell heben lassen.