Meine Skandale

Meine Skandale

Wenn man den Namen Gabriel Astruc auf der deutsche Seite von Wikipedia eingibt, sieht man den Namen rot unterlegt. Kein Artikel. Eine kurze Nennung, mehr nicht. Er erbaute das Théâtre des Champs Èlyssée, das 2013 in Paris sein hundertjähriges Bestehen feiern konnte – der Name erinnert an den ursprünglich gedachten Platz. Fast vier Jahre dauerte der Bau des imposanten Gebäudes, von der Genehmigung bis zur Eröffnung, das vom ersten Tag an Erfolge feierte bzw. Skandale produzierte wie kaum ein anders Haus.

Claude Debussy und  Richard Strauss dirigierten hier ihre Werke. Das Ballett Russes wurde frenetisch bejubelt. Es waren die letzten Jahre der Belle Epoque. Paris war auf dem Höhepunkt der künstlerischen Schaffenskraft. Die Impressionisten waren anerkannt, der Kubismus und Expressionismus waren auf dem Sprung. In den Cafés traf man Künstler, deren Namen heute zu Synonymen geworden sind. Dennoch war es eine traditionelle Zeit. Man konnte sich nicht alles erlauben. Das musste auch Gabriel Astruc schmerzvoll lernen. Der zeitgenössischen Musik galt sein Herz, was ihm doch sehr schnell gebrochen wurde.

Zur Eröffnung des Tempels der Moderne wagte er das Risiko und hob „Benvenuto Cellini“ von Hector Berlioz auf den Premierenspielplan. Ein Stück, das bei der Uraufführung schon für Furore sorgte und dem keine lange Spielzeit vergönnt war.

Das Théâtre des Champs Èlyssée war zwei Monate geöffnet. Claude Debussys „Jeux“ sorgte nicht gerade für Begeisterungsstürme, um es milde auszudrücken. Ende Mai 1913 sollte Igor Strawinskys „Le sacre du printemps“ uraufgeführt werden. Im Publikum saßen Picasso und Chanel. Auf der Bühne wirbelten die Tänzer zur Choreographie von Vaslav Nijinsky. Im Foyer, nach der Vorstellung, tobte das Publikum. Eine Fraktion war begeistert, und sah sich den Anfeindungen der Gegner ausgesetzt.

Gabriel Astruc hatte bereits Jahre zuvor im Théâtre du Châtelet einige Skandale auszuhalten. Er war sich seiner Sache immer sicher, weswegen auch kaum schnöde Beschimpfungen seiner Kritiker in seinen Memoiren zu lesen sind. Die Zeit gab ihm recht. Er hatte ein glückliches Händchen für Skandale. Für sich selbst übersetzt er Skandal mit Stolperstein.

Seine Biographie „Meine Skandale“ ist kein Handbuch des Scheiterns. Es ist vielmehr die Bibel des Mutes. Man konnte ihn beschimpfen, anfeinden, sich über ihn beschweren. Doch Kleinkriegen ließ er sich nicht. Das ist sein Vermächtnis.