Mein hundertjähriger Garten

Biographien zu schreiben, scheint auf den ersten Blick eine einfache Aufgabe zu sein. Nicht so, wenn es um die eigenen Erinnerungen geht. Man schält sich aus dem jahrelang gesponnenen Kokon und spürt den Gegenwind. Brrr! Kalt! Elisabeth Göbel hat sich für das neue Jahr nichts Besonderes vorgenommen. Nur vielleicht ein bisschen schreiben. Aber vor allem faulenzen. Ein guter Vorsatz, den man – und hier kommt wieder der erste Blick! – sehr leicht einhalten kann.

Isses aber dann doch nicht! Ihren Garten ständig vor Augen, den Gedanken ans Faulenzen im Kopf, und dann noch die unbändige Lust zu schreiben. Das passt in kein Überraschungsei! Dann muss es eben in ein Buch passen. Gedacht, gesagt, getan. Und hier ist das Ü-Ei mit dem Triple-Effekt, den sich niemand, der auch nur eine einzelne Zeile las entziehen kann.

Persönliches, Nützliches, Nostalgisches – dieses Triptychon der Neugier treibt Autorin und Leser immer wieder an. Die Eine zum Schreiben, die Anderen zum Lesen. Erinnerungen an die Oma. Hat jeder. Kennt jeder. Was Elisabeth Göbel aber schlussendlich daraus macht – und das ist nur ein Beispiel – lässt keine Fragen offen. Immer wieder kommt der Garten vom Kopf über den Arm und die Hand durch die Tinte aufs Papier. Und immer wieder rufen die sehr persönlichen Erinnerungen beim Leser eigene Gedanken hervor.

Ein Tagebuch zu schrieben, ist die persönlichste Art des Gedankenspiels. Durch die offene Tür schreiten Menschen, die man nicht kennt. Sie fassen Dinge an, die zeitlebens unberührt blieben. Und nun sind sie Teil von vielen Leben. Mit Erstaunen schaut man beim Erblühen zu, nimmt Abschied, wenn die Blätter fallen. Doch auch ohne schmückendes Beiwerk ist die Natur ein Schauspiel ersten Ranges.

Der unscheinbare Titel ruft unterschiedliche Assoziationen hervor. Ist der Garten tatsächlich so alt? Wie alt ist dann die Besitzerin dieser Oase? Bekomme ich Tipps wann ich welche Pflanzen in den Boden setze? Oder ist der Garten einfach nur die Basis allen dessen, was wir säen und ernten? Wer Elisabeth Göbel und ihre Bücher kennt, weiß um ihre Wortspielakrobatik. Sie schlägt keine Salti, sie ist die Conférenciére, die mit einem Lächeln, einem Blinzeln und der Souveränität einer geschulten Meisterin durch das Programm führt, dem man von Anfang an erliegt.