Krumme Type, krumme Type

Eine vom Staub geschwängerte Luft, das Auge kann gar nicht so weit schauen wie es die Landschaft hergibt, und eine unbarmherzige Hitze – das ist die Heimat von Larry Ott. Chabot, Mississippi. Sein Traktor schnurrt, die vom Vater geerbte Werkstatt siecht dahin und der Briefkasten birgt auch nur wenig Abwechslung – Larrys Leben ist trostlos. Seit damals, als Cindy Walker verschwand und er der einzige Verdächtige war. Und man ihm nichts nachweisen konnte. Seitdem, ja seitdem ist Larry Ott der einsamste Mensch auf Erden. Ab und zu kommt die Polizei in Person von French vorbei. In letzter Zeit wieder häufiger. Tina Ruhterford, neunzehn Jahre jung und die Tochter des Mannes, dem hier im Umkreis von endlosen Meilen jeder Grashalm, und sei er noch so verdorrt, gehört. Klar, dass Larry suspect #1 ist. Er versteht das, lässt French seine Arbeit tun.

Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Cindy Walker verschwand. Larry und Cindy wollten ins Kino fahren. Larrys Vater, der bis dahin ihm entweder lediglich die Hand reichte oder die Faust ins Gesicht schlug, steuerte sogar Fahrzeug und ‘nen Zwanziger bei. Ihr Stiefvater nahm sich Larry gehörig zur Brust. Larry sei der einzige, mit dem er die „kleine Hure“ ausgehen ließ. Und wehe er stelle irgendwas mit ihr an. Dann … Kaum im Auto wird aus dem braven Mädchen von nebenan ein Wildfang. Doch die erhoffte wilde Knutscherei gerät zum Desaster. Sie wolle gar nicht ins Kino. Hatte sie nie vor. Vielmehr will sie zu ihrem Freund. Und der Abend mit Larry ist nur ein Vorwand. Sie ist nämlich schwanger und müsse nun einiges besprechen. Nach dem Kino könne Larry sie ja wieder abholen, so dass es für alle, die nichts von ihrem Schicksale wissen dürfen, es so aussähe als hätte sie einen vergnügten Abend mit dem Jungen von nebenan verbracht. Ein genialer Plan – wenn er denn funktioniert hätte. Denn Cindy ist auf einmal verschwunden.

Genauso wie der schwarze Junge, mit dem Larry sein ein paar Jahren befreundet ist. Silas. Im Staat Mississippi Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre immer noch ein Ereignis, über das man sich allenorts das Maul zerfetzt.

Tja, heute ist Silas Polizist und Larry hat das Damals verdrängt.

Tom Franklin kreiert ein Panoptikum der Archetypen. Väter, die diese Bezeichnung nicht verdienen. Verschüchterte Kinder, die ihr Schicksal mit durchs Leben schleifen wie Schröder seine Schmusedecke und über allem der Schleier der Vergangenheit. So stickig die Luft in Chabot, Mississippi, so schäbig das, was dort hinter verschlossenen Türen geschah und immer noch geschieht. Die Geister der Vergangenheit kriechen aus ihrem Asyl hervor und verwandeln das sich dem Fortschritt verweigernde stille Örtchen in eine Kloake der Widerwärtigkeit. Ein frischer Wind würde hier wie da guttun.

Und dieser kommt getarnt als Zugluft im Sog einer Kugel geflogen, die Larry trifft. Eine zweite „Frischluft“-Kugel trifft Wallace Stringfellow, der sich auffallend aufdringlich zeigt und Larrys Freundschaft erzwingen will. Das dritte laue Lüftchen wird durch den Schwanz einer Schlange in einem Briefkasten durch den Ort gejagt. Doch das ist alles nichts gegen die Vergangenheit von Larry und Silas…